Am 5. Juni stimmt das Schweizer Volk über die Revision des Asylgesetzes ab. Dabei geht es im Wesentlichen um die Beschleunigung der Asylverfahren, welche sich heute teils über Jahre hinziehen.
Neu soll es 18 Bundeszentren in sechs Regionen geben, welche alle in der Schweiz eintreffenden Asylsuchenden aufnehmen. In diesen werden alle am Asylprozess beteiligten Personen unter einem Dach arbeiten.
Dies führe dazu, dass Personen ohne Bleiberecht die Schweiz schneller wieder verlassen, argumentiert Justizministerin Simonetta Sommaruga für die Vorlage.
Die SVP – als einzige Partei Gegnerin der Vorlage – hingegen befürchtet, dass schnellere Verfahren nur noch mehr Asylsuchende in die Schweiz locken.
Alle Folgen der geplanten Revision lassen sich nur schwer abschätzen. Doch einige Fragen lassen sich zumindest teilweise beantworten – auch dank einem Testbetrieb in Zürich. Hier wurden die beschleunigten Verfahren zwischen Januar 2014 und August 2015 geprüft.
Nachfolgend ein kurzer Überblick zur Verfahrensdauer, Rückführungen, Kosten, «Enteignungen», Integration und Sozialhilfe.
- Verfahrensdauer
Die Asylverfahren könnten mit dem neuen Gesetz wesentlich verkürzt werden – und zwar um 40 Prozent. Dies hat der Testbetrieb in Zürich gezeigt. Bei den Asylsuchenden, die in einen anderen Dublin-Staat überführt werden sollen, wurde die Zeit vom Verfahrensbeginn bis zum rechtskräftigen Entscheid um 20 Tage verkürzt (60 statt 80 Tage). «Beschleunigte Verfahren», die keine weiteren Abklärungen benötigen, waren 28 Tage kürzer (59 statt 87 Tage). Bei den «erweiterten Verfahren» wurde die Zeit von Verfahrensbeginn bis zur ersten Anhörung gemessen. Sie waren ganze 128 Tage kürzer (46 statt 174 Tage).
Nach Ansicht des Bundesrats sind kürzere Verfahrenszeiten sowohl für die Schweizer Bevölkerung als auch für die Asylsuchenden von Vorteil. Erstere würden finanziell weniger belastet, letztere erhielten rascher Klarheit über ihr Schicksal.
Die SVP, Gegnerin der Vorlage, fürchtet jedoch, dass die kurze Verfahrenszeit die Schweiz als Asylland attraktiver macht. Für den grünen Nationalrat Balthasar Glättli sendet die Verkürzung jedoch genau das richtige Signal. In der «Abstimmungsarena» formulierte er es so: «Als syrischer Flüchtling würde ich Ja stimmen. Als Flüchtling aus einem Land mit wenig Chancen auf Asyl würde ich Nein stimmen.»
- Rückführungen
Ein erfolgreiches Asylsystem hängt jedoch nicht nur von der Dauer des Asylprozesses bis zum Entscheid, sondern auch von der effektiven Ausreise oder Rückführung eines abgewiesenen Flüchtlings ab.
Und hier harzt das aktuelle System: Viele abgewiesene Asylsuchende bleiben in der Schweiz oder tauchen unter. 2015 wurden fast 20'000 Menschen abgewiesen. Während desselben Jahres reisten lediglich 2500 Personen freiwillig aus, 2300 wurden in einen Dublin-Staat überführt, 4100 in einen Drittstaat.
Das dürfte sich mit dem neuen Gesetz nicht grundlegend ändern. Zwar schreibt das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf seiner Website: «Der Vollzug der Wegweisungen erfolgt früher, rascher und konsequenter.» Dies, weil der Grossteil der Wegweisungen künftig direkt ab den Bundeszentren vollzogen werde. Zuständig für den Vollzug der Wegweisung sind jedoch nach wie vor die Kantone.
Bei den Rückführungen wird die Schweiz auch mit dem neuen Gesetz von der Kooperation von Dublin- und Drittstaaten abhängig sein. Das Dublin-System steht aktuell auf dem Prüfstand, denn Staaten wie Griechenland und Italien sind mit den Flüchtlingsströmen überfordert.
Die Schweiz hatte 2015 in über 17'000 Fällen einen anderen Dublin-Staat um Rückübernahme ersucht. Nur 2461 Personen wurden einem Dublin-Staat überstellt.
Der Bundesrat rechnet vor, dass künftig 40 Prozent aller Asylsuchenden von den Bundeszentren aus in einen Dublin-Staat zurückgeführt werden könnten. Im Testbetrieb waren es knapp 11 Prozent, im Regelbetrieb 2 Prozent.
Ein Drittel aller Asylsuchenden mit negativem Bescheid ist im Testbetrieb untergetaucht. Im Regelbetrieb waren dies zehn Prozent. Was mit diesen Menschen geschieht, ist unklar.
Auch im Testbetrieb ging nur ein Bruchteil der abgewiesenen Asylsuchenden freiwillig. Mit 6 Prozent waren es dreimal mehr als im Regelbetrieb. Dies führt das SEM auf eine verbesserte Rechtsberatung einerseits und den höheren finanziellen Anreiz andererseits zurück: Im Testbetrieb wurde ein degressives Modell mit einer Rückkehrhilfe von anfangs 2000 Franken getestet. So viel erhielten diejenigen, welche sich in einem frühen Stadium zur Rückkehr entschlossen. Später gab es nur noch 500 Franken, wie im Regelbetrieb. Ob dieses Modell auch künftig zum Einsatz kommt, wird erst in den entsprechenden Verordnungen festgelegt.
- Kosten
Die Gesetzesänderung hätte den Aufbau einer neuen Infrastruktur zufolge, die laut dem Bundesrat mit 550 Millionen Franken zu Buche schlägt. Allerdings lasse sich durch die kürzeren Verfahren und in der Folge die kürzeren Aufenthalte längerfristig Geld einsparen, rechnet der Bundesrat vor.
Laut einer Studie von McKinsey sollen die Investitionen in achteinhalb Jahren amortisiert sein. Danach resultierten jährliche Nettoeinsparungen von 110 Millionen Franken.
Die SVP führt ins Feld, dass die Berechnungen auf 24'000 Asylsuchenden pro Jahr basierten und deshalb überholt seien, da letztes Jahr knapp 40'000 Asylsuchende in der Schweiz eintrafen. Doch wie McKinsey schreibt, bleibt der Spar-Effekt auch bei grösseren Zahlen gegenüber dem heutigen System.
Die SVP stört sich auch an «Gratis-Anwälten» in den Bundeszentren. Können mit kostenlosen Rechtsvertretern die Verfahren gekürzt und die Kosten insgesamt gesenkt werden, scheint diese Massnahme jedoch sinnvoll.
- «Enteignungen»
Für den Bau der Asyl-Bundeszentren möchte der Bundesrat einfache «Plangenehmigungsverfahren» ins Gesetz schreiben. Als allerletzte Massnahmen sind hierbei Enteignungen vorgesehen. Bei keinem der 18 Standorte für die Bundeszentren sei eine solche jedoch nötig, wie Justizministerin Simonetta Sommaruga in der «Abstimmungsarena» bestätigt.
Ob es künftig je zu Enteignungen kommen könnte, ist ungewiss. Allerdings sind solche Plangenehmigungsverfahren nichts Neues für den Bund: Auch beim Bau von Strassen oder Stromleitungen kommen sie zum Einsatz.
- Integration
Das neue Asylgesetz hat mit der Integration der Flüchtlinge wenig zu tun, denn diese beginnt in der Regel erst nach einem positiven Asyl-Entscheid, oder wenn Personen vorläufig aufgenommen werden. Allerdings sei wohl der Wille zur Integration höher, wenn ein Flüchtling nicht jahrelang auf einen positiven Bescheid warten müsse, so Bundesrätin Sommaruga.
- Sozialhilfe
Die Vergabe der Sozialhilfe ändert sich mit dem neuen Gesetz nicht. Asylsuchende, vorläufig aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge erhalten wenn nötig Sozialhilfe, abgewiesene Flüchtlinge gegebenenfalls Nothilfe.