Sollen die Schweizer Atomkraftwerke ein festes Ablaufdatum erhalten? Geht es nach den Initianten der Atomausstiegs-Initiative, werden alle AKW nach 45 Betriebsjahren abgestellt.
Rund sechs Wochen vor der Abstimmung sieht eine Mehrheit der Stimmberechtigten das ebenso: 57 Prozent, welche an die Urne gehen wollen, befürworten die Initiative «Für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie». 36 Prozent sprechen sich dagegen aus und 7 Prozent sind noch unentschieden. Dies geht aus der ersten SRG-Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern hervor.
Wie entscheidet sich die Mitte?
Die Initiative, lanciert von den Grünen, findet mehrheitlich Zustimmung bei den links-grünen Wählern. Rechte Wähler lehnen sie mehrheitlich ab. An den beiden Polen des Parteienspektrums sind die Meinungen also gemacht. Dagegen sei das Stimmverhalten bei den Mitte-Wählern, namentlich bei den CVP-Anhängern, und bei den parteiungebundenen Wählern noch nicht eindeutig, sagt Claude Longchamp, Leiter des Instituts gfs.bern.
Die Mitte-Wähler und die Wähler ohne Parteipräferenz werden den Ausschlag geben. Je nachdem, auf welche Seite sie noch bis zum Abstimmungssonntag kippen.
CVP-Wähler votieren derzeit gegen die Abstimmungsparole ihrer Parteileitung, die ein Nein beschlossen hat. Allerdings sei die Meinungsbildung bei der CVP-Basis noch wenig fortgeschritten, erklärt Longchamp: «Die Chancen stehen gut, dass sich die Parteileitung bei ihrem eigenen Wahlvolk noch durchsetzt.»
Frauen und Westschweizer für Ausstieg
Dürften nur Frauen abstimmen, wäre es eine klare Sache: Derzeit wollen 63 Prozent der Frauen ein Ja zum Atomausstieg in die Urne legen, lediglich 28 Prozent ein Nein. Von den Männern steht die Hälfte hinter der Initiative, 43 Prozent lehnen sie ab.
Mit Blick auf die Sprachregionen schwingen die Welschen oben aus: Satte 64 Prozent sagen Ja. In der italienisch- bzw. deutschsprachigen Schweiz sind es 57 und 55 Prozent. Allerdings ist der Stand der Meinungsbildung in der Westschweiz noch nicht weit fortgeschritten. Hier liegt das grösste Potenzial für einen Meinungswandel.
Angst-Argumente wirken
Wie gut überzeugen die Argumente der Befürworter und Gegner? Sowohl das Ja- als auch das Nein-Lager können mehrheitsfähige Botschaften vorweisen.
Das populärste Argument haben die Befürworter: 76 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass es einen schrittweisen und geordneten Ausstieg aus der Kernenergie braucht. Hohe Zustimmung findet auch das Argument: «Mit jedem zusätzlichen Jahr Betrieb werden die Schweizer Atomkraftwerke noch älter und damit noch gefährlicher».
Aber auch die Nein-Seite kann mit einem Angst-Argument punkten. 54 Prozent der Stimmberechtigten mit Teilnahmeabsichten befürchten bei einem Ja «Engpässe in der Stromversorgung».
Claude Longchamp sieht die Sicherheitsfragen für die Initiative als entscheidend. In Zukunftsfragen wie dem AKW-Ausstieg sei es typisch, dass beide Seiten mit Angst-Szenarien arbeiten.
Auf die Frauen kommt es an
Wie stehen die Chancen der Atomausstiegs-Initiative? Longchamp ist zurückhaltend und hält das Rennen für offen: «Die Initiative ist mit einer Mehrheit gestartet, das ist bei einer linken Volksinitiative nicht ganz überraschend.»
Der Normalfall in der Meinungsbildung bei Initiativen ist allerdings, dass die Gegner während des Abstimmungskampfes aufholen. «Man sieht in gewissen Masse das Problem, teilt aber nicht die Lösung des Problems», so Longchamp.
Allerdings haben die Initianten noch nicht verloren. «Das wichtigste Ergebnis dieser Umfrage ist die Stimmabsicht der Frauen», hält Longchamp fest. Frauen befürworten in hohem Mass die Initiative und haben bereits jetzt eine stark gefestigte Meinung. «Schon jetzt ist klar, dass Frauen überdurchschnittlich für diese Initiative sein werden. Ihre Mobilisierung ist für die Initianten ganz entscheidend.»