Die Volksinitiative «Für eine öffentliche Krankenkasse» verlangt, dass die obligatorische Grundversicherung nicht mehr wie heute von 61 privaten Krankenkassen, sondern nur noch von einer einzigen öffentlichen Krankenkasse angeboten wird. Abgestimmt wird am 28. September.
Die SRG-Umfrage zeigt, dass das Begehren der SP nur beschränkt unterstützt wird. Momentan würden 40 Prozent ein Ja in die Urne legen. 51 Prozent würden gegen die Einheitskasse stimmen. 9 Prozent sind noch unschlüssig. Der Nein-Anteil könnte aber noch zulegen: «Wir gehen davon aus, dass die Unentschiedenen mit grösserer Wahrscheinlichkeit Gegner der Initiative sind», sagt Claude Longchamp, der Leiter der Studie.
Röstigraben zeichnet sich ab
In der lateinischen Schweiz ist die Vorlage beliebter als in der Deutschschweiz. Momentan stimmen in der Romandie 55 Prozent und im Tessin 53 Prozent für das Begehren. In der deutschsprachigen Schweiz sind aktuell 59 Prozent gegen eine Einheitskasse. «Der Röstigraben wird sich voraussichtlich im Verlauf der Kampagne noch verstärken», so Longchamp.
Als Hauptgrund für die Unterschiede zwischen den Sprachregionen nennt der Politikwissenschafter die verschiedenen Ansichten zur Rolle des Staates. «In der Romandie ist es bis ins bürgerliche Lager hinein akzeptiert, dass der Staat eine sozialpolitische Aufgabe hat und diese sogar noch erhöht werden könnte. Das ist in der Deutschschweiz nicht der Fall.»
Links dafür – Bürgerliche dagegen
Bei der Einheitskassen-Initiative besteht neben dem Röstigraben eine klare Links-rechts-Polarisierung. Bei der Wählerschaft von SP und den Grünen sind Mehrheiten von rund zwei Dritteln dafür. Bei der FDP und der SVP sind je 68 Prozent dagegen. Die CVP-Basis hingegen ist gespalten. Hier sagen 53 Prozent Nein und 36 Prozent Ja zur Volksinitiative.
Schwer einzuordnen sind laut Longchamp die parteiungebundenen Stimmenden. Sowohl die Zustimmungs- wie auch die Ablehnungsabsichten liegen hier bei je 42 Prozent. Diese Gruppe der Parteiungebundenen zu überzeugen, dürfte das Endergebnis massgeblich beeinflussen.
Longchamp betont aber, dass die Diskussion der kommenden Wochen abgewartet werden müsse. «Bei Volksinitiativen werden meistens die Argumente der Gegner zweifelnde Menschen mehr überzeugen als die Argumenten der Befürworter. Das würde dafür sprechen, dass jetzt aus den Unentschiedenen eher Gegner werden und die Initiative deshalb abgelehnt würde.»
Persönliche Betroffenheit entscheidend
Ein wichtiger Faktor spielt bei der Einheitskassen-Initiative auch die persönliche Betroffenheit: Je höher die monatliche Krankenkassenprämie ist, desto eher ist man für die Vorlage.
Der Schwellenwert scheint bei rund 500 Franken im Monat pro Haushalt zu liegen. Sind die Ausgaben höher, resultiert eine überdurchschnittliche Zustimmungsbereitschaft von rund 45 Prozent. Sind sie dagegen tiefer, ergibt sich eine Ablehnungstendenz über dem Mittel von 57 Prozent.
Mittelschicht gegen Initiative
Aufgeteilt nach Einkommensklassen, sind Haushalte mit einem mittleren Einkommen von 5000 bis 7000 Franken am klarsten gegen die Vorlage. Hier wollen 56 Prozent dagegen stimmen.
Geringer ist die Gegnerschaft vor allem bei ganz tiefem Haushaltseinkommen und bei einem, das der oberen Mittelschicht entspricht. Hier sind jeweils nur Minderheiten von 43 Prozent gegen die Initiative. Den höchsten Zustimmungswert für eine öffentliche Krankenkasse ergibt sich, wenn ein Haushalt 7000 bis 9000 Franken monatliches Einkommen hat. Hier sind 45 Prozent dafür.
Festhalten am Status quo
Die Ja-Seite punktet mit dem Argument, dass der heutige Wettbewerb zwischen den Krankenkassen zu einer Jagd auf junge und gesunde Versicherte führe. Dem stimmen 76 Prozent zu. Die Nein-Seite verweist auf das schlagkräftige Argument, dass sich das heutige System insgesamt bewährt habe. Dieses Argument unterstützen 71 Prozent.
«Der Status quo im Gesundheitswesen wird bei der Bevölkerung als sehr gut angesehen. Man möchte ihn möglichst bewahren», sagt Longchamp. Das zeige auch ein Blick in die Geschichtsbücher. Die Einheitskassen-Initiative sei bereits die siebte gesundheitspolitische Volksinitiative in den vergangenen 20 Jahren. «Alle Initiativen wurden immer relativ deutlich abgelehnt. Immer hat sich der Status quo durchgesetzt», so Longchamp.