Der Familienartikel ist am Ständemehr gescheitert. Trotzdem will Bundesrat Alain Berset mit der bisherigen Familienpolitik fortfahren. Für Berset ist die Situation mit erreichtem Volks- bei verpasstem Ständemehr speziell.
Um 200'000 Stimmen übertrumpft
Dass eine Vorlage am Ständemehr scheitere, aber eine Volksmehrheit erreiche, sei seit 1848 erst neunmal vorgekommen, erklärte der Innenminister am Sonntag vor den Bundeshausmedien. Die Verfassung verlange bei Verfassungsänderungen das Doppelmehr von Volk und Ständen. Der Abstimmungsausgang sei damit klar.
Berset erwähnte aber die Deutlichkeit des Volksmehrs. Beim Familienartikel habe das Ja-Lager die Gegnerschaft um über 200'000 Stimmen übertrumpft. Bei früheren Vorlagen, die am Ständemehr scheiterten aber ein Volksmehr erreichten, sei der Unterschied jeweils viel kleiner gewesen.
Eine Mehrheit der Bevölkerung habe sich für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ausgesprochen, stellte Berset fest. Die Bedürfnisse der sich wandelnden Familien seien damit breit anerkannt. Einige Massnahmen seien bereits eingeleitet.
Kein tiefer Graben
Das Votum vom Sonntag sei damit als Signal für die Weiterführung der Familienpolitik auf den aktuellen Grundlagen zu werten. Eine deutliche Mehrheit wolle Verbesserungen. Diesen Wünschen müssten Bund, Kantone, Gemeinden und Wirtschaft auf den bestehenden Grundlagen nun entgegenkommen.
Die Gräben zwischen den Landesteilen sind in den Augen Bersets nicht allzu tief. Auch in der Deutschschweiz sei der Familienartikel angenommen worden, namentlich etwa in Zürich. Was sich im Resultat spiegle, sei der direkte Einfluss der Kantone auf die Familienpolitik.
Die Unsicherheit über die Kosten habe sicher eine Rolle gespielt. Diese Unsicherheit gebe es aber bei allen Verfassungsabstimmungen, da dabei ja nur die Grundsätze festgelegt würden.
Zur Rolle der Parteien im Abstimmungskampf äusserte sich der Bundesrat nicht. Er konstatierte aber, dass die Diskussion über den Familienartikel erst in der Endphase Fahrt aufgenommen hatte.