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Absurde Praxis: Geburtsfolgen für Mütter gelten als Krankheit
Aus Espresso vom 11.09.2018. Bild: Colourbox
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Absurde Praxis Geburtsfolgen für Mütter gelten bei Krankenkassen als Krankheit

Komplikationen bei Frauen werden bis acht Wochen nach Geburt bezahlt. Dann entfällt die Befreiung der Kostenbeteiligung.

Die junge Mutter hatte nach der Geburt des zweiten Kindes Probleme mit der Gebärmutter. Es stellte sich heraus, dass sich noch Plazentareste darin befinden. Ihr Gynäkologe riet ihr erst einmal zu einer Behandlung mit Medikamenten. Diese lösen Wehen aus und durch die Kontraktionen werden die Plazentareste möglicherweise herausgelöst.

Nach der ersten Monatsblutung wieder Termin beim Frauenarzt: Leider befand sich noch immer ein Rest Plazenta in der Gebärmutter. Nun stellte sich die Frage: Eingriff unter Narkose im Spital oder noch einmal ein Zyklus abwarten?

In Übereinstimmung mit dem Arzt wollte ich der Natur noch eine Chance geben.
Autor: Patientin

Im Gespräch mit dem Frauenarzt wägte die junge Mutter ab: Eine Auskratzung der Gebärmutter unter Narkose oder noch einmal darauf hoffen, dass die Menstruation zum Erfolg führt und die Plazentareste herausspült? «Ich habe mich dafür entschieden, noch einmal abzuwarten, eine Narkose ist schliesslich nicht ohne», berichtete die junge Frau. Weitere vier Wochen später dann die enttäuschende Feststellung: Die Natur schafft es offenbar nicht ohne Hilfe, der Eingriff wurde nötig, denn diese Plazentareste bergen die Gefahr einer Infektion.

Grosse Überraschung bei der Rechnung

Die Frau erschrak kurz später, als sie die Rechnung für den Eingriff im Spital erhalten hatte. Die Behandlung kostete rund 2500 Franken, davon hätte sie mit ihrer hohen Franchise 1500 Franken selber zu berappen, hiess es. Sie konnte es kaum glauben: Schliesslich war das Ganze eine Folge der Geburt und für diesen Fall war sie doch von der Kostenbeteiligung befreit?

Ihre Krankenkasse, die Visana beschied ihr, dass dies nur bis und mit achte Woche nach der Geburt gelte und die Kosten somit für die Behandlung einer neuen Krankheit stehen würden. «Was soll das denn?», fragte sich die junge Mutter. «Schliesslich sind diese Plazentareste eindeutig die Folge der Geburt.» Hätte sie das gewusst, hätte sie den Eingriff wahrscheinlich noch in der Frist machen lassen.

Visana verweist auf KVG und an den Frauenarzt

Auch das Konsumentenmagazin «Espresso» von Radio SRF 1 fragt bei Visana nach. Schliesslich ist ja unbestritten, dass der Eingriff als Folge der Geburt nötig wurde.

Im Krankversicherungsgesetz steht, dass Mütter nur bis und mit achter Woche nach Geburt von den Gesundheitskosten befreit sind. Wenn ihre Schwangerschaft in den ersten drei Monaten ohne Komplikation verläuft, gilt diese Befreiung der Kostenbeteiligung ebenfalls.Anders bei einer Fehlgeburt in den ersten 12 Wochen: In einem solchen Fall müssen sich die Frauen an den Kosten beteiligen und die Fehlgeburt wird als Krankheit verrechnet.

Ob die Frauen dies alles auch wissen, ist eine andere Frage.

Wir geben den Versicherten keine explizite Info über die Kostenbeteiligung. Die Ärzte sind dazu verpflichtet, ihre Patienten über die Kostenübernahmen zu informieren.
Autor: Krankenkasse Visana

Wir fragen konkret nach, wie die Krankenkasse die werdenden Mütter informiert. Daraufhin schreibt uns Visana: «Wir machen die Versicherten auf das KVG aufmerksam, geben den Versicherten aber keine explizite Info über die Kostenbeteiligung, weder bei Mutterschaft noch bei anderen Erkrankungen.» Und im Übrigen seien die Ärzte dazu verpflichtet, ihre Patienten über die Kostenübernahmen zu informieren.

Frauenärzte sehen Kassen in der Pflicht und wollen aktiver informieren

Der Gynäkologe der betroffenen Frau, Dr. Thomas Paly, erklärt im Konsumentenmagazin «Espresso», dass ihm die Kostenfolge für die Patientin nicht bewusst war, als er ihr zur medikamentösen Behandlung riet: «Ich würde ihr wieder dieselbe Behandlung empfehlen, weil diese aus medizinischer Sicht korrekt war. Nur wegen dem Geld würde ich keine andere Therapie empfehlen.»

Krankenkassen sollten die Frauen auf diese besonderen Fristen aufmerksam machen.
Autor: Thomas Eggimann Schweiz. Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe

Genauso sieht es auch die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe SGGG. Und ihr Generalsekretär Thomas Eggimann sieht auch die Krankenkassen in der Verantwortung: «Ich bin der Meinung, dass Krankenkassen die Frauen auf diese besonderen Fristen aufmerksam machen sollten. Wir werden dazu nächstens auf unserer Internetseite für die Fachkreise aufs Thema aufmerksam machen.»

«Espresso» weiss, nicht alle Krankenkassen handhaben es so wie die Visana. Viele Kassen informieren werdende Mütter mit einem Merkblatt über die Besonderheiten während Schwangerschaft und Geburt.

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