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Guldimann: «Selber habe ich das so nie erlebt»
Aus HeuteMorgen vom 03.05.2017.
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Verstimmung unter Freunden «Berlin gefällt das ganz und gar nicht»

Die Einbestellung der Schweizer Botschafterin in Berlin ist ein Zeichen kurzfristig getrübter Beziehungen. Dabei dürfe man aber die Vorgeschichte nicht vergessen, betont Ex-Botschafter Tim Guldimann.

SRF News: Wie ist diese «Einladung zum Gespräch», welche die Botschafterin vom deutschen Aussenministerium erhalten hat, zu werten?

Tim Guldimann: Das tönt zunächst recht freundlich. Tatsache ist, dass ein Botschafter dem Aussenministerium des Gastlandes 24 Stunden pro Tag zur Verfügung stehen muss, um allenfalls «einbestellt» zu werden. Dies für den Fall, dass die Regierung des Gastlands jener des Botschafters etwas offiziell mitteilen will. Wenn es um kritische Fragen geht, macht man das öffentlich bekannt, wie das jetzt der Fall war.

Damit brachte die deutsche Regierung zum Ausdruck, dass etwas vorliegt, was ihr ganz und gar nicht gefällt. Die «Einladung zum Gespräch» ist also ein politisch zum Ausdruck gebrachter Wille, der anderen Regierung zu sagen, dass es ein Problem gibt.

Die deutsche Regierung bringt zum Ausdruck, dass etwas vorliegt, was ihr ganz und gar nicht gefällt.

Haben Sie selber als Botschafter ähnliche Situationen erlebt?

Ich habe sehr oft erlebt, dass man mich gebeten hat, ins Aussenministerium zu kommen, wenn man der Schweizer Regierung etwas mitteilen wollte. Einen Fall wie diesen jetzt habe ich allerdings nie selber erlebt.

Im aktuellen Fall wirft Deutschland der Schweiz Spionage vor. Wie gut ist man als Botschafter über die Aktivitäten des Schweizer Nachrichtendienstes informiert?

Ich gehe davon aus, dass die Botschafterin davon nichts wusste. Schliesslich haben es Spionage-Aktivitäten gerade an sich, dass man sie möglichst geheimzuhalten versucht – was in der heutigen Zeit oft fast unmöglich ist. Heute muss man davon ausgehen, dass fast alles irgendwann auskommt.

Die Glastür des Auswärtigen Amtes in Berlin.
Legende: Die Schweizer Botschafterin wurde ins deutsche Aussenministerium einbestellt. Imgao

Roland Rino Büchel von der Aussenpolitischen Kommission sagt, die Deutschen hätten «das Spiel angefangen», sie müssen sich auch erklären. Kann die Botschafterin also auch zum Gegenangriff gehen?

Was in dieser Situation richtig ist, kann ich nicht von aussen sagen. Klar aber ist, dass die ganze Geschichte der Daten-CDs, die von deutschen Behörden beschafft wurden, eine rechtsstaatlich fragwürdige Geschichte war. Denn staatliche Behörden haben Informationen beschafft, die Eigentum von anderen waren und diesen gestohlen worden waren. Da kann man sich schon fragen, ob das in Ordnung war.

Auch die Vorgeschichte des jetzigen Spionage-Falls ist nicht ganz koscher.

Als ich Botschafter in Deutschland war, wurde die Frage intensiv diskutiert. Die damalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte, man müsse den Kauf von Daten-CDs legalisieren. Das ist das beste Eingeständnis, dass die Beschaffung der CDs damals kriminell war. Von da her ist die Vorgeschichte des jetzigen Spionage-Falls nicht ganz koscher. Allerdings darf man von Schweizer Seite nun nicht einfach sagen: Weil die anderen etwas geschummelt haben, brauchen wir uns auch nicht an die Regeln zu halten. Das geht natürlich nicht.

Das Interview führte Marc Allemann.

«Ernsthafte diplomatische Verstimmung»

SRF-Korrespondent Adrian Arnold in Berlin geht von einer «diplomatischen Verstimmung der schwereren Art» aus. «Die Schweiz und Deutschland sind Nachbarn und Freunde, welche ihre guten Beziehungen in bilateralen Treffen auf Regierungsebene mehrmals pro Jahr pflegen. Wenn nun die Botschafterin einbestellt wird, kann man sicher nicht mehr von einem Bagatellfall sprechen, sondern dann ist dies eine sehr ernsthafte Verstimmung», sagt er. Man habe geglaubt, der Steuerstreit sei beigelegt. «Jetzt aber scheint er durch die Spionage-Affäre neu aufzubrechen.»
Trotzdem glaubt Arnold nicht, dass die Affäre die Beziehungen zwischen Berlin und Bern langfristig belasten wird: «Deutschland ist für die Schweiz der wichtigste Handelspartner, die Schweiz ihrerseits ist für Baden-Württemberg und Bayern der potenteste Wirtschaftspartner. Auch in anderen Bereichen sind die Beziehungen sehr eng, etwa im Bereich des Austauschs unter den Geheimdiensten. Deshalb kann man trotz der aktuellen Verstimmung davon ausgehen, dass die gute Freundschaft dies aushalten kann und muss.»

Tim Guldimann

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Tim Guldimann

Der studierte Ökonom und Politologe war lange Zeit als Diplomat tätig, unter anderem als Botschafter in Teheran und Berlin. Guldimann lebt als Auslandschweizer in Berlin. Seit 2015 sass er als SP-Nationalrat des Kantons Zürich im Parlament.

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