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Singen gegen den Quarantäne-Blues
Aus 10 vor 10 vom 13.03.2020.
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Claude Cueni Wie man in der Quarantäne das Leben meistern kann

Das Coronavirus zwingt immer mehr Menschen ins Homeoffice oder sogar in die Quarantäne. Wie lange hält man das durch? Unter Umständen jahrelang, wie der Basler Schriftsteller Claude Cueni zeigt. Sein Immunsystem ist nahezu auf null.

SRF: Herr Cueni, wie lange sind Sie jetzt schon in Quarantäne?

Claude Cueni: Ich bin seit Jahren über den Winter immer in Quarantäne – ich habe praktisch ein Generalabonnement. Ich bleibe in der Wohnung und gehe nicht raus. Ich habe keine Besucher.

Sie kommunizieren aber mit Leuten ausserhalb der Wohnung.

Natürlich. Ich habe Kollegen und Freunde, mit denen man sich austauscht, meistens über die sozialen Medien. Das geht prima.

Aber es ist schon eine Vereinsamung?

Ja, man wird ein wenig zum Robinson. Aber ich bin ein Robinson mit einer grossartigen Frau, deshalb ist es nicht so schlimm.

Hochrisikopatienten haben den Eindruck, dass der Bundesrat die Grenzen erst dann schliesst, wenn alle AHV-Bezüger tot sind.
Autor: Claude Cueni

Sie sind Schriftsteller, schreiben fast jährlich ein Buch. Was empfehlen Sie Leuten in Quarantäne, welche diese Inspiration nicht haben?

Man soll nicht auf Dinge fokussieren, die man nicht mehr tun kann, sondern darauf, was man tun kann. Es ist wie bei einer Speisekarte: Man findet dort keine Sachen, die man nicht bestellen kann. Man soll sich nicht wünschen, mit der Frau im Meer zu schwimmen oder mit dem Mountain-Bike im Elsass rumzufahren. Man muss solche Sachen einfach von der Liste streichen. Man macht sich bloss unglücklich, wenn man immer hadert.

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«Es wie bei einer Speisekarte»
Aus News-Clip vom 12.03.2020.
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Auch ins Ausland zu Reisen, ist für Sie seit Jahren keine Option mehr. Weshalb denn eigentlich?

Dass ich irgendwo Keime oder Bakterien auflese. Diese Gefahr ist einfach zu gross. Ich war das Leben lang topfit, habe viel Sport gemacht. Aber nach dem Tod meiner ersten Frau bin ich an Leukämie erkrankt, hatte auch eine Knochenmarktransplantation. Ich hatte dann eine Abstossung des fremden Organs. Dann bekommt man Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken, was wiederum die Abstossung verhindert. Nur ist man dann halt empfänglich für allerlei Folgeerkrankungen und Viren. Und da bei mir auch die Lunge abgestossen wird, kann ich Höhen über 1500 Meter gar nicht mehr ertragen.

Was würde denn passieren, wenn Sie sich mit Corona anstecken?

(Lacht) Das wäre wahrscheinlich das Ende. Das ist ja auch die Befürchtung bei den meisten Hochrisikopatienten. Und sie haben den Eindruck, dass der Bundesrat die Grenzen erst dann schliesst, wenn alle AHV-Bezüger tot sind.

Sie finden, die Massnahmen des Bundesrates sind zu zögerlich.

Absolut. Wenn jeden Tag 70'000 Grenzgänger hereinkommen (aus Italien, Anm. der Red.) und nur ein Prozent infiziert wäre, dann sind das 700 Leute. Und man argumentiert ja damit, dass man diese Leute auch für das Gesundheitswesen braucht. Aber wenn dieses auch durchinfiziert würde, dann hätte das überhaupt keinen Nutzen gehabt.

Dennoch wirken Sie gelassen.

Der ganz wichtige Punkt für meine Gelassenheit ist, dass ich dann eine Sterbebegleitung in Anspruch nehmen kann, wenn es so weit ist. Das verstehen die Leute, die dagegen sind, leider überhaupt nicht. Es fehlt ihnen wohl an Lebenserfahrung oder an Empathie. Aber das ist genau die Option, die den Alltag erträglich macht.

Welche Hoffnungen haben Sie? Doch nochmals um die Welt zu reisen?

(Lacht) Ich denke nicht so weit. Ich denke daran, was ich heute mache und was ich morgen mache.

Seit zehn Jahren sind Sie in dieser Situation. Gibt es da nicht auch Momente der Verzweiflung?

Selten. Aber natürlich, es kommt vor. Dem kann man mit Strategien begegnen: Ich gehe dann meistens an den Computer und schreibe an einem Roman weiter. Oder ich sitze auf dem Sofa und singe Lieder.

Singen Sie. Man kann nicht gleichzeitig singen und sich Sorgen machen.
Autor: Claude Cueni

Sie singen Lieder?

(Lacht) Oldies aus den 70er und 80er Jahren. Denn man kann nicht gleichzeitig singen und sich Sorgen machen.

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«Man kann nicht gleichzeitig Songs singen und sorgen»
Aus News-Clip vom 12.03.2020.
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Spüren Sie auch eine Solidarität oder finden Sie, die Leute seien zu Unachtsam?

Ich hörte kürzlich eine TV-Moderatorin nach dem Tod eines Corona-Patienten sagen, der Mann sei bereits 76-jährig gewesen, also nichts, das einem beunruhigen sollte. Das gibt mir schon zu denken.

Zum Schluss: Am 20. Juli kommt ihr neuer Roman raus. Wovon handelt er?

Von einer Pandemie! Aber das ist tatsächlich reiner Zufall, das Buch hatte ich bereits vor einem Jahr abgeschlossen.

Gibt es ein Happy-End?

Das verrate ich Ihnen doch jetzt noch nicht.

Das Gespräch führte Michael Perricone.

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Aus dem Archiv: Selbstmitleid ist Zeitverschwendung
Aus Reporter vom 18.09.2016.
abspielen. Laufzeit 22 Minuten 42 Sekunden.

10vor10, 21:50 Uhr, 13.03.2020 ;

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