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Schweiz Die grössten Schwänzer im Nationalrat

Die Nationalräte sind die Volksvertreter in Bern. Diese Aufgabe haben sich aber nicht alle Räte auf die Fahne geschrieben: Die grössten Sünder verpassten über 40 Prozent aller Abstimmungen seit Legislaturbeginn im Winter 2011. Unentschuldigt.

In der Legislatur von der Wintersession 2011 bis und mit Wintersession 2012 mussten die Nationalräte im Bundeshaus 1448 Mal auf den Abstimmungsknopf drücken. Erstmals hat die Online-Plattform Politnetz sämtliche Abstimmungen während einer Legislaturperiode unter die Lupe genommen. Und kommt zum Schluss: Keiner hat 1448 Mal gedrückt. Einige Räte waren fast immer anwesend, andere verpassten über 40 Prozent aller Entscheidungen.

Leutenegger und Spuhler
Legende: Leutenegger (links) und Spuhler liegen bezüglich Abwesenheit im Nationalrat auf den ersten Rängen. Keystone/ARCHIV

SRF Online hat versucht, die säumigsten Räte um eine Erklärung zu bitten. Der häufigste Schwänzer – Peter Spuhler (SVP/TG) – ist auch jetzt abwesend. Auf Platz 2 der häufigsten Schwänzer steht Filippo Leutenegger (FDP/ZH). Er hat 566 der 1448 Abstimmungen verpasst. Das sind 39,1 Prozent. Er ist für einmal sogar im Bundeshaus anwesend – vom Thema schwänzen will er aber nichts wissen. «Dazu habe ich alles gesagt», sagt Leutenegger und stapft davon.

Auf Rang 3 prangt Christoph Blocher (SVP/ZH) – er hat 544 Entscheidungen versäumt und ist ganz überrascht: «Ach, Dritter? Bislang war ich immer zuoberst.» Es sei eine Kunst, bei den unnötigen Dingen abwesend zu sein, fügt er noch an.

Die häufigsten Schwänzer

Diese 5 Parlamentarier sind den Abstimmungen am häufigsten fern geblieben.
Name (Partei/Kanton)Unentschuldigte AbsenzenAbsenzen in %
Peter Spuhler (SVP/TG)63443.8
Filippo Leutenegger (FDP/ZH)56639.1
Christoph Blocher (SVP/ZH)54437.8
Hans Grunder (BDP/BE)45531.4
Fulvio Pelli (FDP/TI)38526.6

Erst der viertplatzierte Schwänzer – Hans Grunder (BDP/BE) – gibt ausführlich Auskunft. Die häufige Abwesenheit sei eine Konsequenz des Schweizer Milizsystems, sagt er. Als ehemaliger Parteipräsident habe er Anfang Jahr zudem noch viele zusätzliche Verpflichtungen gehabt. Er sei aber sehr oft im Bundeshaus anwesend, einfach nicht im Ratssaal. «Ich renne halt nicht bei jeder Abstimmung rein, um das Knöpfli zu drücken.»

«Zeit zur Planung fehlt»

Sein Parteikollege Lorenz Hess (BDP/BE), der auf Rang 25 der am häufigsten Abwesenden liegt, erklärt sich das Problem auch mit dem Stress, der zu Beginn einer Legislatur auf einen Nationalrat zukomme. «Man wird im Oktober gewählt und muss 3 Wochen später schon in Bern sein.» Als Vorstandsmitglied eines KMUs habe er kaum Zeit gehabt, sein ausser-politisches Leben umzuplanen. «Ich habe vor allem am Anfang öfter gefehlt.»

Am anderen Ende der Liste finden sich jene Räte, die ihre Aufgabe als Volksvertreter wahrnehmen und kaum eine Abstimmung verpassen. Eine davon ist Gabi Huber (FDP/UR). Sie hat bei 10 von 1448 Entscheidungen nicht auf den Knopf gedrückt. «Als Fraktionspräsidentin muss ich ein Vorbild sein», sagt sie. Sie könne nicht von ihren Kollegen erwarten, dass sie anwesend sind, und sich selbst nicht daran halten.

Die vorbildlichsten Parlamentarier

Diese Parlamentarier haben fast allen Abstimmungen beigewohnt.
Name (Partei/Kanton)Unentschuldigte AbsenzenAbsenzen in %
Yvan Perrin (SVP/NE)10,07
Yvette Estermann (SVP/LU)10,07
Daniel Stolz (FDP/BS)10,07
Gabi Huber (FDP/UR)100,69
Nadja Pierren (SVP/BE)150,94

Noch weniger gefehlt hat Yvette Estermann (SVP/LU). Sie hat nur eine einzige Abstimmung verpasst. Es brauche Disziplin, immer auf seinem Sitz zu bleiben, sagt sie. Aber dafür sei sie ja gewählt worden.

Wie konnte es dennoch zu diesem Fauxpas kommen? «Der Zug aus Luzern hatte Verspätung. Und eine Entscheidung wurde sehr schnell gefällt. Ich kam ganz einfach zu spät.» Sie habe sich grün und blau geärgert. «Seither nehme ich immer den früheren Zug, wenn ich pendle.»

Fleissige Nationalräte

«Die Abwesenheitsliste wird durch ein paar Ausreisser stark beeinflusst», sagt Thomas Bigliel, Geschäftsführer von Politnetz. Die Schwankungen seien beträchtlich. Durchschnittlich bleiben 10 Prozent der Nationalräte Abstimmungen fern. Die Bandbreite reicht aber von 0 bis 44 Prozent.

Der Politikwissenschaftler Michael Hermann relativiert in seinem Blog den Eindruck des «schwänzenden» Nationalrats: «Seit den Neunzigerjahren ist der Abstimmungsschlendrian aus der grossen Kammer gewichen.»

Gemäss seinen Berechnungen ist die durchschnittliche Absenz der Parlamentarier seit der Legislatur 1995 von 27 Prozent auf heute 12 Prozent gesunken. Hermanns Befund: «Nationalräte sind heute in Tat und Wahrheit in ihrer grossen Mehrzahl ausgesprochen fleissig.»

Video
Abstimmungsverhalten: Welche Plätze sind leer? (Tagesschau, 05.06.2012, 19.30 Uhr)
Aus Tagesschau vom 05.06.2012.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 54 Sekunden.

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