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Schweiz «Die Grünen haben schwere Zeiten hinter sich»

Von der Protestbewegung zur nationalen Partei: Die Grüne Partei der Schweiz wird 30 Jahre alt. Ihre Anfänge liegen im Kampf gegen Strassenbaukredite und AKW. Politologe Thomas Widmer erklärt, wieso die Grünen schwere Zeiten hinter sich haben.

Video
Grüne Partei feiert Geburtstag
Aus Tagesschau vom 27.04.2013.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 32 Sekunden.

Die Grüne Partei der Schweiz feiert dieses Wochenende ihr 30jähriges Bestehen. Gefeiert wird der Zusammenschluss auf nationaler Ebene 1983. Die Wurzeln der  Partei lagen aber bereits in lokalen Protestbewegungen der 1970er-Jahre. Geprägt vom Kampf gegen Strassenbaukredite und AKW entsteht «von unten» eine ökologische Bewegung. In den 1990er-Jahren öffnen die Grünen ihr politisches Spektrum. Ihre Parteigeschichte, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen sei geprägt vom Spannungsverhältnis zwischen linken und bürgerlichen Grünen, erklärt Politologe Thomas Widmer im Interview.

«SRF News Online»: Den Ein-Themen-Parteien wie zum Beispiel der Auto-Partei wurde nachgesagt, dass sie sich politisch nicht halten könnten und bald wieder verschwinden würden. Wieso haben es die Grünen geschafft?

Thomas Widmer: Das Thema Ökologie hat sich als nachhaltig im doppelten Sinne erwiesen. Die Grünen haben ein Thema besetzt, das nicht nur eine Eintagsfliege oder eine Modeerscheinung war, sondern für längere Zeit aktuell blieb – auch wenn das Thema Umweltschutz der politischen Konjunktur unterworfen ist. Zum Beispiel war die Frage der Atom- respektive der Kernenergie bei der Geburt der Grünen Partei zentral und heute ist sie wieder aktuell. Obwohl es Phasen gab, in denen dieses Thema nicht besonders prominent auf der politischen Agenda stand.

Aber die Grünen haben heute das Image der Ein-Themen-Partei nicht mehr. Sie haben es also geschafft, sich für andere Themen zu öffnen.

Die Grüne Partei hat diesbezüglich schwere Zeiten hinter sich, weil sie versucht hat, sich thematisch breiter zu etablieren. Verschiedene Flügel der Partei haben unterschiedliche Auffassungen vertreten. Es gab die konservativ eingestellten Grünen, die mit einer eher sozialen Ausrichtung Schwierigkeiten bekundeten. Die innerparteilichen Streitereien führten auch zu Abspaltungen. Zuletzt trennte sich der grünliberale Flügel von der Partei. Die Richtungsdiskussion ging nicht spannungsfrei über die Bühne. Aber es ist richtig: Der Grünen Partei ist es gelungen, mit einer linksorientierter Sozialpolitik zu punkten – neben dem klassischen Thema der Ökologie.

Die Grünen erreichten bei den Nationalratswahlen 2007 den höchsten Wähleranteil ihrer Geschichte. Bei den Wahlen 2011 büssten sie in der Wählergunst etwas ein. Wieso der Rückgang?

Die Forschung dazu ist nicht so umfangreich, dass diese Frage abschliessend geklärt wäre. Eine mögliche Erklärung ist das Aufkommen neuer Konkurrenz. Insbesondere die Grünliberale Partei spielt eine gewisse Rolle, aber auch die BDP. Bei der linken Wählerschaft kam es in einigen Kantonen zudem zum Erstarken der SP als direkte Konkurrenz zu den Grünen,  so zum Beispiel in Freiburg oder in der Waadt. In diesen Kantonen konnte die SP im Gegensatz zu 2007 dazu gewinnen. Die Entwicklungen in den einzelnen Kantonen verlaufen jedoch unterschiedlich. Doch es gab in einzelnen Kantonen die Situation, dass die Grünen unter einer stärkeren SP gelitten haben.

Grüne Anliegen wie Umweltschutz, nachhaltige Verkehrspolitik oder sogar AKW-Ausstieg haben sich auch zahlreiche andere Parteien auf die Fahne geschrieben. Wo unterscheiden sich die Grünen? Und wo zeigt sich insbesondere die Abgrenzung zur GLP?

Die Abgrenzung zu den Grünliberalen ist relativ deutlich bei Fragen der Finanzpolitik oder der Sozialpolitik zu sehen. Hier tritt die GLP als eine bürgerliche Partei auf, sofern sie Positionen bezogen hat, wobei diese teilweise etwas labil sind. Sie stellt sich gegen eine Ausweitung der staatlichen Tätigkeit und verficht eine liberale, marktorientierte Sichtweise. Diesbezüglich setzt sich die GLP deutlich von der Grünen Partei ab.  

Aber auch gegenüber anderen Parteien, welche ökologische Anliegen aufgenommen haben, können sich die Grünen abgrenzen. Einerseits betrachten die Grünen selbst Ökologie als ihr wichtigstes Kernthema. Andererseits werden sie so von den Wählern wahrgenommen, dass sie auf diesem Gebiet Kompetenz besitzen. Die Glaubwürdigkeit der Grünen Partei in ökologischen Fragen ist sehr stark. Und das ist anderen Parteien viel weniger gelungen, auch wenn sie gewisse ökologische Anliegen vertreten.

In neun Kantonen haben die Grünen Sitze in der Regierung. Auch in zahlreichen Städten sind Grüne Mitglieder der Exekutive. Wann werden die Grünen den ersten Bundesratssitz erobern?

Audio
Dilemma der Grünen in Sachen Bundesratswahl. (Roland Wermelinger)
aus Info 3 vom 27.04.2013.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 31 Sekunden.

Jede Zeitangabe hierzu wäre spekulativ. Das Schweizer System wird als konkordantes Regierungssystem bezeichnet, weil es alle massgeblichen Kräfte in die Regierungsverantwortung einbindet. Die Konkordanz war lange Zeit durch die Zauberformel bestimmt. Die grossen Parteien einigten sich auf eine Sitzverteilung im Bundesrat und haben gewisse Ziele gemeinsam mitgetragen.

Seit 2003 ist diese konkordante Politik aufgebrochen worden. Man möchte nicht zu einem Konkurrenzsystem mit Regierung und Opposition wechseln und hält an der Zielsetzung der Konkordanz fest, ist sich aber hinsichtlich der Regierungszusammensetzung nicht einig. Ich spreche deshalb von einer Phase der Diskordanz. Diese labile Situation eröffnet Möglichkeiten für neue Lösungen, auch für einen Sitz der Grünen Partei im Bundesrat.

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Porträt von Thomas Widmer

Thomas Widmer, Jahrgang 1963,  ist Leiter des Forschungsbereichs Policy-Analyse & Evaluation am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich.

Geschichte der Grünen

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Geschichte der Grünen

Die wichtigsten Etappen der Grünen Partei Schweiz >Zeitstrahl

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