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Sommaruga fordert Verteilschlüssel für Flüchtlinge
Aus Echo der Zeit vom 24.05.2017. Bild: Keystone
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Sommaruga besucht Lesbos «Die Situation in Europa ist immer noch ungenügend»

Bundesrätin Sommaruga hat ein Flüchtlingscamp auf Lesbos besucht. Im Interview erklärt sie, wieso gerade jetzt.

SRF News: Im vorletzten Jahr sind rund 800‘000 Menschen über Griechenland nach Zentraleuropa geflüchtet. Seit dem Abkommen der EU mit der Türkei gibt es die Balkanroute praktisch nicht mehr. Wieso sind Sie jetzt nach Griechenland gereist?

Simonetta Sommaruga: Es ging darum, mir vor Ort ein Bild über die aktuelle Situation zu machen. Ich war auf Lesbos, einer Insel, die ungefähr so gross ist wie der Kanton Freiburg. Dort sind im Jahr 2015 500‘000 Menschen angekommen. Das hatte Folgen für die Insel und die Bevölkerung, die bis heute noch spürbar sind. Griechenland hat gezeigt, dass ein Land mit einer solchen Flüchtlingskrise alleine überfordert ist.

Man hatte eigentlich europäisch abgemacht, die Flüchtlinge zu verteilen und aufzunehmen. Das funktioniert offensichtlich nicht.

Europa war auf diese Krise sehr schlecht vorbereitet. Man hat dann mitten in der Krise versucht, einen Verteilschlüssel aufzubauen. In der Schweiz haben wir so einen Verteilschlüssel unter den Kantonen seit Jahren. Die Schweiz hat gesagt, wir sind solidarisch und nehmen auch einen Teil dieser Flüchtlinge aus Griechenland auf – insgesamt 600. Wir erwarten dann aber auch Solidarität von anderen europäischen Staaten. Gestern haben der griechische Minister und ich gemeinsam festgestellt, dass diese Solidarität in Europa immer noch ungenügend ist.

Eine europäische Solidarität soll auch in der Krise funktionieren.
Autor: Simonetta Sommaruga Justizministerin

Die Situation ist sehr labil. Es kann sein, dass die Türkei sagt, das Abkommen mit der EU halten wir nicht mehr ein. Befürchten Sie das auch?

Niemand kann das garantieren. Im Moment kann man sagen, dass der Türkei-Deal der EU sichtbare Auswirkungen hat. Es kommen praktisch keine Menschen aus der Türkei mehr in Griechenland an. Gleichzeitig hat man mit dem Deal abgemacht, dass syrische Flüchtlinge direkt und legal aus der Türkei nach Europa kommen können. Das funktioniert. Ein Jahr nach dem Deal gibt es immer noch eine ganze Reihe von rechtlichen Fragen. Deshalb ist eine ganze Reihe von Menschen auf den griechischen Inseln gestrandet. Sie können nicht weiter, sie können nicht zurück, die rechtliche Situation ist unklar. Das schafft natürlich grosse Spannungen. Für mich ist etwas klar: Das Dublin-System muss krisenfest gemacht und gestärkt werden. Das funktioniert sonst nicht. Dafür engagiere ich mich zusammen mit Deutschland oder auch mit Griechenland sehr stark. Eine europäische Solidarität soll auch in der Krise funktionieren.

Gestärkt im Sinne von, dass es überhaupt funktioniert?

In einer solchen Situation ist jedes Land überfordert. Wir wären es auch gewesen. Wenn man sich an die Flüchtlingstrecks auf den Autobahnen durch halb Europa erinnert, ist klar: Das wollen und dürfen wir nicht noch einmal haben. Deshalb kämpfe ich jetzt mit allen Staaten, die auch dabei sind, für ein krisenfestes Dublin-System. Dafür, dass es in solchen Situationen nicht mehr zu diesen menschlichen Dramen kommt.

Ich treffe meinen deutschen Amtskollegen regelmässig. Er bestätigt mir, dass sich die Situation verbessert hat.
Autor: Simonetta Sommaruga Justizministerin

Die Flüchtlingsbewegung gibt es immer noch. Die Menschen kommen jetzt vor allem über das zentrale Mittelmeer, via Italien. Sie kommen dabei auch in die Schweiz, reisen aber meist weiter nach Deutschland. Das stört unsere nördlichen Nachbarn, sie fordern bessere Grenzkontrollen. Sind Sie bereit, da etwas zu tun?

Ja, das haben wir schon gemacht. Wir haben im letzten Oktober einen Aktionsplan mit Deutschland vereinbart, damit die Zusammenarbeit gut funktioniert. Ich treffe meinen deutschen Amtskollegen regelmässig. Er bestätigt mir, dass sich die Situation verbessert hat. Spannend ist, dass Italien im letzten Jahr seine Dublin-Aufgaben viel besser wahrgenommen hat. Sie registrieren die Ankommenden. Das Dublin-System hat viele Vorteile. Gerade die Registrierung von Flüchtlingen ist wichtig. Gleichzeitig können wir den Italienern nicht sagen: Ihr seid jetzt zufällig in dieser geografischen Position. Ihr müsst sämtliche Flüchtlinge aufnehmen und für sie aufkommen. Das kann nicht funktionieren.

Das Gespräch führte Philipp Burkhardt.

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