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Schweiz Diese Baustellen warten auf den neuen Chefunterhändler

Jakob Kellenberger, Chefunterhändler bei den Bilateralen I und Georg Kreis, emeritierter Professor des Europainstituts der Universität Basel, analysieren die Rolle von Jacques de Watteville in den wichtigsten EU-Dossiers.

Der Bundesrat erhofft sich von Jacques de Watteville frischen Wind in den harzigen Verhandlungen mit der EU. Statt über einzelne Dossiers soll der Chefunterhändler über alle Themen gleichzeitig Gespräche mit Brüssel führen.

Das Problem: Die EU beharrt bisher auf ihrer Reihenfolge für die Verhandlungen mit der Schweiz: einvernehmliche Lösung bei der Personenfreizügigkeit zuerst, institutionelles Abkommen als nächstes, mögliche zusätzliche Abkommen danach. Zwei Experten analysieren in diesem Spannungsfeld die neue Rolle des Chefunterhändlers.

Die drei grössten Baustellen:

  • Personenfreizügigkeit

Die im Februar 2014 vom Volk angenommene SVP-Initiative verlangt, dass die Schweiz die Zuwanderung begrenzt. Die EU hingegen will die Personenfreizügigkeit als Prinzip hochhalten. Sie hat deshalb alle Gespräche mit der Schweiz in den verschiedensten Dossiers auf Eis gelegt, bis eine Lösung gefunden ist.

Zur Person

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Jakob Kellenberger ist langjähriger Spitzendiplomat, von 2000 bis 2012 war er Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), heute Gastprofessor in Genf und Salamanca.

«Wir sind noch weit weg von einer Annäherung, denn es sind noch keine formellen Verhandlungen mit der EU geplant», sagt Jakob Kellenberger zu SRF News. «Das Gesetz zur Masseneinwanderungsinitiative kommt erst 2016 ins Parlament. Bis dann zeichnet sich keine Bewegung seitens der EU ab.» Es erscheine deshalb zweifelhaft, dass es bis am 9. Februar 2017 (so verlangt es der Verfassungsartikel Anm.d.R.) eine beidseitig akzeptierte Lösung gibt. «Der Beschluss, einen Chefunterhändler zu bestimmen, darf man deshalb als einen vorausschauenden Akt werten.»

«Der neue Chefunterhändler soll mit der Maximalforderung vom 9. Februar 2014 in Brüssel antreten», rät Georg Kreis. «Wünschenswert wäre eine Begleitung durch einen SVP-Exponenten, zum Beispiel National- und Europarat Alfred Heer, damit die Transparenz gewährleistet ist.» Alles Weitere werde sich zu gegebener Zeit zeigen. Kommt es zu keiner Einigung, sei eine neuerliche Abstimmung unvermeidbar: «Wollen wir die Masseneinwanderungsinitiative wortgetreu umsetzen und Nachteile in den bilateralen Beziehungen in Kauf nehmen? Diese Frage wurde bislang noch nicht in der nötigen Deutlichkeit gestellt.»

  • Abkommen über institutionelle Fragen

Die EU hat die Spielregeln klar aufgestellt: Zuerst muss die Personenfreizügigkeit geregelt werden, erst dann wird über das institutionelle Rahmenabkommen verhandelt (also die Mechanismen, wie die Schweiz künftig neues EU-Recht übernimmt und wie Streitigkeiten beigelegt werden).

Zur Person

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Georg Kreis ist emeritierter Professor am Europainstitut der Universität Basel. Der Historiker verfasste zahlreiche Publikationen über die Beziehung der Schweiz zum Ausland.

In der Schnittstelle von Personenfreizügigkeit und institutionellen Fragen sieht Kreis eine grosse Chance für den neuen Chefunterhändler. «Gibt es bei der Personenfreizügigkeit keine Lösung, sind auch die institutionellen Fragen überflüssig. Doch nebenbei, beispielsweise in einer Kaffeepause, kann man durchaus den institutionellen Rahmen ansprechen und wer weiss: Gibt die Schweiz bei den institutionellen Fragen leicht nach, kommt uns die EU vielleicht bei der Einschränkung der Personenfreizügigkeit entgegen», so Kreis gegenüber SRF News.

Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigte sich letzthin erstmals bereit, verschiedene Optionen zum Problem der Personenfreizügigkeit zu vertiefen. Kellenberger: «Die Kunst des Chefunterhändlers ist es dann, die Zugskompositionen zwischen den verschiedenen Verhandlungsgegenständen richtig zusammenzusetzen. Es ist grundsätzlich gut, einen Chefunterhändler zu haben, der sich für den Gesamtüberblick der Gespräche zwischen der EU und der Schweiz verantwortlich fühlt.»

  • Stromabkommen

Das provisorische Stromabkommen mit der EU war bereits in Griffnähe. Doch Brüssel hat es sich mit Verweis auf die ungeklärten institutionellen Fragen nochmals anders überlegt. Der Bundesrat befürchtet seither, dass die Schweiz den Anschluss vom europäischen Strombinnenmarkt verliert.

Der Weg zur Aushandlung von weiteren bilateralen Abkommen wie dem Stromabkommen ist laut Kellenberger noch lang. Erst wenn die Verhandlungen über ein institutionelles Abkommen abgeschlossen seien, kann darüber diskutiert werden. «Die Umrisse lassen sich aus den bereits geführten Verhandlungen zwar erkennen, eine umfassende Einigung gibt es aber noch nicht.»

Kreis hofft, dass der neue Unterhändler bei den Verhandlungen mit der EU zum Stromabkommen die Gegenseitigkeit der Interessen aufzeigen wird. «Er muss erklären, dass Laufenburg als Schaltzentrum im europäischen Strommarkt eine wichtige Rolle spielt.» Das könne die Schweiz bei den Verhandlungen als starkes Argument in die Waagschale werfen.

Kellenberger verweist auf die grosse Bedeutung der internen Rolle von de Watteville. «Wichtig bleibt vorläufig vor allem die gegenseitige Information zwischen den Departementen, die in informelle Gespräche mit der EU-Kommission oder einzelnen Mitgliedstaaten verwickelt sind.»

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