«Rechtsrutsch», «Triumph der SVP», «Bürgerliche legen deutlich zu»: So lauteten die klaren Schlagzeilen am Tag nach den eidgenössichen Wahlen. Genau ein Jahr ist inzwischen vergangen.
Doch mal angenommen, es würde erst heute gewählt: Sähe dann das Parlament genau gleich aus? Nicht ganz, sagt Politologe Claude Longchamp vom Forschungsinstitut gfs.bern. Dieses hat seit Oktober 2015 insgesamt 19 Umfragen zum Thema ausgewertet.
GLP als Siegerin, CVP als Verliererin
Die grundsätzlichen Tendenzen hätten sich dabei bestätigt, so Longchamp. «Aber würde jetzt gewählt, wäre das Parlament sogar noch leicht rechter.»
So würde sich das Parlament heute präsentieren
SVP: 29,9 Prozent (+0,5 Prozent) | |
SP: 18,7 Prozent (-0,1 Prozent) | |
FDP: 16,7 Prozent (+0,3 Prozent) | |
CVP: 10,5 Prozent (-1,1 Prozent) | |
Grüne: 7,6 Prozent (+0,5 Prozent) | |
GLP: 5,6 Prozent (+1,0 Prozent) | |
BDP: 3,5 Prozent (-0,6 Prozent) |
Ausserdem frappant: Grund zur Freude hätte heute genau die Partei, die bei den letzten Wahlen zu den grossen Verlierern zählte. «Die GLP hat ihr Zwischentief von 2015 – selbst verschuldet durch eine verlorene Volksabstimmung – eigentlich überwinden können», sagt Longchamp.
Umgekehrt sehe es bei der CVP aus. «Ihre Basis, das katholisch-konservative Milieu, erodiert seit langem und bringt der Partei fortgesetzt Wahlmisserfolge.» Stoppen soll diese Abwärtsspirale der neue Präsident Gerhard Pfister – eine diffizile Aufgabe. Zwar habe Pfister die Medienpräsenz der CVP klar erhöhen und auch ihr konservatives Profil stärken können, urteilt der Politologe. «Ich bin aber skeptisch, dass das in den urbanen Gebieten gut ankommt.»
Bürgerlicher Schulterschluss? Nicht wirklich.
Bliebe noch die Frage nach dem bürgerlichen Schulterschluss, der nach den Wahlen so vielbeschworen wurde. Ein Jahr danach ist die Bilanz eher dürftig.
Zwar fanden sich die Bürgerlichen bei Themen wie Finanzen und Landwirtschaftspolitik ziemlich problemlos. Kein Konsens besteht allerdings weiterhin bei einem äusserst zentralen Dossier: Bei der Beziehung zwischen der Schweiz und der EU. Für Claude Longchamp ist das nicht weiter erstaunlich. «Die Europafrage hat das bürgerliche Lager in den 1990er Jahren gespalten – und diese Spaltung besteht noch immer.»
Eine konservativere Schweiz
Das Fazit des Experten: Gesellschaftspolitisch sei die Schweiz im letzten Jahr wohl konservativer geworden. Unter anderem zeige sich das daran, «dass man den Vaterschaftsurlaub von der Agenda genommen hat und dass man für börsenkotierte Unternehmen keine Frauenquote mehr will».