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Geplanter Besuch des Aussenministers
Aus Tagesschau vom 09.03.2017.
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Beziehung Schweiz-Türkei «Eine ziemliche Ohrfeige für die Zürcher Regierung»

Der Bund sieht keine Gefahr in Auftritten türkischer Politiker in der Schweiz. Eine Einschätzung von Philipp Burkhardt.

Bundesrat will kein Verbot

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Der Zürcher Regierungsrat hat den Bundesrat gebeten, den türkischen Abstimmungsanlass aus Sicherheitsgründen zu verbieten. Das Aussendepartement EDA hat der Forderung aus Zürich aber eine Absage erteilt.

SRF News: Wie ist die Absage des Bundes zu interpretieren?

Philipp Burkhardt: Zum einen ist es eine ziemliche Ohrfeige für die Zürcher Regierung. Der Bund gibt damit deutlich zu verstehen, dass das grösste kantonale Polizeikorps in der Schweiz eigentlich in der Lage sein sollte, den Auftritt des türkischen Aussenministers zu gewährleisten.

Und zum anderen ist es auch ein Signal an die Türkei. Die Schweiz wolle damit unterstreichen, wie wichtig der Grundsatz der Meinungsäusserungsfreiheit in unserem Land sei, heisst es in der Medienmitteilung des Aussendepartementes. Man erwarte von der Türkei, dass sie diesem Grundrecht die gleiche Bedeutung beimesse. Das wiederum ist ein deutlicher Wink in Richtung Ankara.

Philipp Burkhardt

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Burkhardt ist Leiter der Bundeshausredaktion von Radio SRF, für das er seit 15 Jahren tätig ist. Davor hatte er unter anderem für «10vor10» und die «SonntagsZeitung» gearbeitet.

Andere europäische Staaten treten da viel markiger auf. Weshalb gibt sich die Schweiz so zurückhaltend gegenüber der Türkei?

Dieses Verhalten ist Teil einer sehr bewussten Strategie gegenüber der Türkei, die man als «verständnisvolle Strenge» bezeichnen könnte. Offiziell spricht man von einem «kritisch-konstruktiven» Dialog. So hat die Schweiz zwar auf der einen Seite den Putschversuch im letzten Sommer klar verurteilt und festgehalten, dass die Türkei das Recht habe, sich gegen Umsturzversuche und terroristische Angriffe zu verteidigen. Gleichzeitig hat der Bundesrat aber das Ausmass der Verhaftungen und Entlassungen in den Monaten nach dem Putsch klar verurteilt und auf die Einhaltung der Menschenrechte gepocht.

Die Beziehung zur Türkei sei schwierig, hat Aussenminister Didier Burkhalter im letzten November nach einem Treffen mit dem türkischen Aussenminister in der Schweiz festgehalten. Aber mit Drohungen erreiche man das Gegenteil von dem, was man wolle. Ein politischer Dialog sei viel erfolgversprechender. Und an dieser Strategie will die Schweiz offensichtlich festhalten.

Nach dem Putschversuch in der Türkei im letzten Sommer haben einige türkische Diplomaten in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt. Das vereinfacht die Beziehung zwischen beiden Ländern nicht. Ist unter diesen Umständen ein Dialog mit der Türkei überhaupt noch möglich?

Die Schweiz kann sich auf den Standpunkt stellen, dass auch das Einreichen eines Asylgesuches ein Menschenrecht darstelle und dass unser Land verpflichtet sei, jeden Einzelfall zu prüfen.

Viel delikater scheint mir, dass es offenbar illegale Aktivitäten türkischer Behörden gegen Oppositionelle in der Schweiz gegeben hat. In einer bisher kaum beachteten Antwort auf eine Frage aus dem Parlament hat der Bundesrat letzten Dezember festgehalten, dass das Aussendepartement EDA die türkischen Behörden daran erinnert habe, dass es für jeden ausländischen Staat verboten sei, auf dem schweizerischen Territorium aktiv zu werden. So etwas sagt man nicht ohne konkrete Verdachtsmomente.

Im gestern veröffentlichten Geschäftsbericht des Bundesrates liest man, die Türkei sei nach dem Putschversuch offen gegen Oppositionelle im Ausland vorgegangen. Dieses Vorgehen sei «mutmasslich nachrichtendienstlich unterstützt» worden. Dies unter dem Kapitel «verbotener Nachrichtendienst», also Spionage. Die Bundesanwaltschaft hält auf Anfrage von Radio SRF fest, dass zurzeit kein Strafverfahren gegen die Türkei in diesem Zusammenhang geführt werde. «Grund-sätzlich» könne aber festgehalten werden, dass die Bundesanwaltschaft Kenntnis habe «von diversen Aktivitäten fremder Staaten in der Schweiz».

Die Vorgeschichte

  • Ein blutiger Umsturzversuch hat im Juli 2016 in der Türkei für Gewalt gesorgt. 247 Menschen kamen ums Leben, mehr als 2100 Menschen wurden verletzt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan beschuldigt die Bewegung des Imams Fethulla Gülen, hinter dem Putschversuch zu stehen. Gülen selbst lebt in den USA und bestreitet jegliche Verantwortung.
  • Im Nachgang des Putschversuchs begann die türkische Regierung, mutmassliche Anhänger von Gülen zu drangsalieren und zu verhaften, unter anderem wurden Tausende Staatsangestellte suspendiert. Zudem ging sie auch gegen kurdische Politiker und unabhängige Medien vor.
  • In der Türkei findet im April ein Referendum über eine neue Verfassung statt. Diese sieht vor, die Macht des Präsidenten deutlich auszubauen. Kritiker sagen, in der Türkei würde mit der neuen Verfassung keine echte Gewaltenteilung mehr herrschen.
  • Es ist umstritten, ob Befürworter der Reform in der Schweiz und in Deutschland Abstimmungspropaganda machen dürfen. In beiden Ländern haben Veranstaltungsorte aus Sicherheitsgründen die Auftritte türkischer Politiker abgesagt.

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