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«No Billag»-Initiative In der Abstimmungs-Debatte mischten «Cyborgs» mit

Eine Untersuchung zeigt: Gegner und Befürworter von «No Billag» tricksten bei Twitter mit technischen Hilfsmitteln.

  • Eine Studie hat zum ersten Mal untersucht, ob Bots in sozialen Netzwerken auch die politische Diskussion in der Schweiz zu beeinflussen versuchen.
  • Während der «No Billag»-Debatte haben Gegner und Befürworter bei der Meinungsmache auf Twitter zu technischen Hilfsmitteln gegriffen.
  • Insgesamt wurden rund 200'000 Tweets zur Initiative veröffentlicht, von 26'000 verschiedenen Nutzern. Aber nur 50 davon waren für die Hälfte aller Tweets verantwortlich.
  • Von den 50 aktivsten Konten gehörten 31 den Gegnern und 19 den Befürwortern.

50'258 Konten hat Twitter nach den US-Wahlen 2016 gelöscht. Konten, hinter denen anscheinend nicht Menschen standen, sondern Bots – Programme, die automatisiert Links und Inhalte zu bestimmten Themen verbreiten oder auf andere Tweets reagieren. Die Vermutung besteht, dass die Bots von Russland aus kontrolliert wurden, um den Wahlkampf zu beeinflussen.

Später war dasselbe auch aus Frankreich oder Deutschland zu hören. Auch dort sollen sogenannte «Social Bots» in den sozialen Medien – vornehmlich bei Twitter – Stimmungsmache betrieben haben. Auch dort wurden wieder russische Kräfte im Hintergrund vermutet.

Wie sieht es in der Schweiz aus? Treiben solche Social Bots auch hier ihr Unwesen?

Stefan Gürtler ist Dozent für Kommunikationswissenschaft an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Er hat die heisse Phase des Abstimmungskampfes um die «No Billag»-Initiative vom 7. Januar bis zum 4. März untersucht (ein ausführlicher Bericht ist für Juli 2018 angekündigt).

Ein Portrait von Stefan Gürtler
Legende: Stefan Gürtler ist Dozent für Kommunikationswissenschaft an der Fachhochschule Nordwestschweiz und hat die Rolle von Meinungs-Robotern bei der No-Billag-Abstimmung untersucht. FHNW

«Einen massiven Einsatz von Social Bots wie bei Abstimmungen und Wahlen im Ausland haben wir in der Schweiz nicht feststellen können», erklärt Gürtler. Aber: «Dafür waren bei der ‹No Billag›-Debatte einige ‹Cyborgs› auf Twitter aktiv.»

Unter «Cyborgs» versteht Gürtler Menschen, die dank technischen Hilfsmitteln viel mehr Tweets absetzen und viel schneller auf andere Tweets reagieren können, als sie alleine dazu fähig wären.

Audio
«Cyborgs» bei «No Billag» (Rendez vous)
03:02 min Bild: Imago
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 2 Sekunden.

In den untersuchten acht Wochen gab es bei Twitter laut Gürtler rund 200'000 Meldungen, die sich auf die Abstimmung bezogen. Sie stammten von 26'000 verschiedenen Nutzern. Aber 50 davon waren für gut die Hälfte aller Meldungen verantwortlich. Das heisst: Diese 50 Nutzer haben rund 100'000 Meldungen getweetet.

«Gemessen an der Menge der Tweets, welche diese Accounts abgesetzt haben, muss es sich dabei um ‹Cyborgs› handeln», sagt Stefan Gürtler. Einzelne Nutzer setzten bis zu 1000 Meldungen am Tag ab. 19 der 50 aktivsten Accounts seien den Befürwortern der Initiative zuzuordnen. 31 gehörten zu den Gegnern, so die Untersuchung.

Allerdings waren die Accounts der Befürworter die aktiveren: Jeder von ihnen setzte im untersuchten Zeitraum durchschnittlich 1800 Meldungen ab – allein zur «No Billag»-Initiative. Bei den Gegnern waren es nur 1650 pro Account.

Ob und in welchem Ausmass diese Tweets die Debatte manipulieren konnten lässt sich aber nicht sagen. Denn um Wirkung zu haben, mussten sie erstens auch wirklich gelesen werden und zweitens tatsächlich Einfluss auf die Meinung der Empfänger haben. Zu beidem kann die Untersuchung keine Aussage machen.

Dank dem Einsatz von technischen Hilfsmitteln konnten einige Twitter-Nutzer bei der «No Billag»-Debatte andere Nutzer und Inhalte verdrängen.
Autor: Stefan Gürtler Dozent für Kommunikation an der Fachhochschule Nordwestschweiz

Doch für Stefan Gürtler steht fest, dass die «Cyborgs» zumindest in einem Punkt die Debatte mitbestimmten: «Diese 50 aktivsten Nutzer waren auf Twitter sehr präsent und konnten allein durch die Menge der abgesetzten Meldungen andere Inhalte und Nutzer verdrängen.» Umgerechnet auf die Reichweite der Accounts entspreche das etwa dem Einfluss einer grösseren Tageszeitung, schätzt Gürtler.

Eine Frage bleibt offen: Wer steckt hinter diesen Accounts? «Wir haben keine Personen-Analysen gemacht», erklärt Stefan Gürtler, «uns ging es nur um das Ausmass der Manipulationsversuche und um das technische Vorgehen. Ob sich die Personen hinter den hyperaktiven Accounts aus eigener Initiative an der Debatte beteiligt haben oder nicht, müssen wir offen lassen.»

Was ist ein «Social Bot»? Was ist ein «Cyborg»?

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Ein «Social Bot» ist ein Chatprogramm, das in sozialen Medien automatisch Nachrichten veröffentlichen und auf bestimmte Stichworte reagieren kann. So ein Bot kann eingesetzt werden, um Werbung zu verbreiten. Er kann aber auch versuchen, während Wahlkämpfen oder vor Abstimmungen Meinungen zu beeinflussen.

In der Untersuchung zur Rolle von Meinungs-Robotern bei der «No Billag»-Abstimmung ist dagegen vor allem von «Cyborgs» die Rede. Darunter werden Programme verstanden, die nicht wie ein Roboter von ganz alleine funktionieren, sondern hinter denen immer noch ein Mensch steht. Dank technischen Hilfsmitteln – ebenfalls kleine Programme – können sie viel mehr Tweets absetzen oder viel schneller auf andere Tweets reagieren, als ein Mensch alleine in der Lage ist.

Einen Social Bot zu programmieren oder sich zum «Cyborg» aufzurüsten ist nicht besonders schwer. Im Internet gibt es dazu kostenlose Software, die den eigenen Bedürfnissen angepasst werden kann. Die meisten Bots suchen bei Twitter oder Facebook nach bestimmten Stichworten und regieren nach einem festen Muster mit vorgegebenen Inhalten darauf. Bei den «Cyborgs» läuft das ähnlich, bloss gibt der Mensch dort die Verhaltensweise vor und kann die getwitterten Inhalte der jeweiligen Situation anpassen.

Raffiniertere Bots können auch von sich aus neue Beiträge und Antworten verfassen. Dazu dienen oft Texte, die sie auf bestimmten Internetseiten finden oder Aussagen in solchen Texten, die sie gleich ganz übernehmen.

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