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Das Terminal als Schlafzimmer
Aus 10 vor 10 vom 18.12.2012.
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Schweiz Obdachlose wohnen am Flughafen Zürich

Sie sind so gut integriert, dass sie gar nicht auffallen: die rund 20 Obdachlosen, die am Flughafen Zürich ein Zuhause gefunden haben. Dort werden sie toleriert, weil sie fast nie Probleme bereiten – und sich gegenseitig kontrollieren. Der Flughafen als Wohnzimmer – in der Reportage von «10vor10».

Die meisten schlafen auf unbequemste Art und Weise regelmässig am Flughafen Zürich: am Boden, auf Metallbänken – wer Glück hat, ergattert sich einen «guten» Platz: auf einem Sofa in einem der Flughafen-Cafés im öffentlich zugänglichen Bereich.

Zwei Nächte haben Zürich-Korrespondent Stephan Rathgeb und Kameramann Jonas Furrer für «10vor10» am Flughafen Zürich verbracht. Rund 20 Obdachlose sind sie in dieser Zeit begegnet, in jeder Nacht.

«Die meisten wollten verständlicherweise weder angesprochen werden, noch über ihr Leben erzählen», sagt Rathgeb. «Doch rasch wird klar: Diese Menschen wohnen hier, wenn von ‚wohnen‘ überhaupt die Rede sein kann. Zwar sagten uns Mehrere, sie würden hier bloss auf den ersten Zug warten – in der darauffolgenden Nacht haben wir sie dann jedoch wieder angetroffen.»

Zum Duschen fährt Kostas in die Stadt

Nur Kostas ist bereit, vor der Kamera zu reden. Die Reporter treffen ihn um 1 Uhr früh in der Abflughalle. Er sieht aus wie ein Passagier. Doch er bekennt unverblümt: «Ich wohne da. Ich habe keine Wohnung, nichts. Ich bin obdachlos und wohne schon viele Jahre hier am Flughafen.»

Wie lange er schon hier sei, wisse er selbst nicht mehr genau, sagt Kostas, vielleicht seit 6 Jahren, vielleicht aber auch schon seit 9 Jahren. Kostas zeigt den Reportern, wie er es sich auf der harten Metallbank etwas ‚bequemer‘ macht und er berichtet, wie er am Flughafen lebt. Zum Duschen fährt er extra in die Stadt, weil es dort nur 10 Franken kostet – am Flughafen würde es 15 Franken kosten.

Geduldet, solange alles gut geht

Flughafen-Sprecherin Sonja Zöchling bestätigt, dass man die Obdachlosen im öffentlich zugänglichen Bereich toleriere, solange alles gut gehe – und solange sie sich an die ungeschriebenen Regeln halten würden. Und die Regeln, die der Terminal-Manager des Flughafens den Obdachlosen regelmässig zu verstehen gibt, sind: nicht negativ auffallen, keine Passagiere belästigen und nicht stinken.

In 90 Prozent der Fälle funktioniere das gut, sagt Zöchling. Nur selten müsse man Leute wegweisen. «Es funktioniert natürlich auch durch die Selbstkontrolle unter den Leuten, die hier schlafen. Die wissen, sie sind auf Zusehen hin hier geduldet und sie wissen, dass sie weg müssten, wenn sie die Regeln nicht befolgten. Es gibt eine Art Revierverteilung der Leute, die teilweise Wochen oder Monate am gleichen Ort sind. Ihr Plätzchen verteidigen sie und das wird respektiert untereinander.»

Ein Niemandsland mit «Platz zum Atmen»

Flughafen-Seelsorger Claudio Cimaschi hat schon mehrfach versucht, den Obdachlosen, die sich am Flughafen Zürich zu Hause fühlen, eine feste Bleibe zu vermitteln; etwa, indem er Kontakt mit dem Sozialamt der früheren Wohngemeinde aufnahm.

Die meisten Obdachlosen zögen es jedoch vor, am Flughafen zu bleiben. Inzwischen versteht der Seelsorger, weshalb: «Dieser Ort hier wird zum Niemandsland. Sie bekommen das Gefühl, dass sie hier richtig atmen können, weil es hier so viel Platz gibt, eine internationale Atmosphäre. Es ist als könne die Seele wieder atmen. Das suchen diese Menschen hier, das Anonyme und gleichzeitig Bergende des Flughafens.»

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