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Nicht für Gotteslohn: Wer Angehörige pflegt, soll etwas verdienen
Aus Regionaljournal Zentralschweiz vom 12.05.2022. Bild: keystone/Symbolbild
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Pilotprojekt der Caritas Ein Lohn für pflegende Angehörige

35 Franken pro Stunde: Wer Angehörige pflegt, soll künftig für die Arbeit entschädigt werden. Nach klaren Kriterien.

Es ist für viele selbstverständlich: Um der dementen Mutter oder dem kranken Ehepartner zu ermöglichen, möglichst lange daheim zu bleiben, pflegt man sie selber. Dies mit grossem Aufwand – und ohne Lohn. Rund 600'000 Personen in der Schweiz pflegen ihre Angehörigen daheim. Eine Zahl, die in Zukunft noch zunehmen dürfte: Einerseits steigt die Lebenserwartung weiter an, die Medizin macht Fortschritte und gleichzeitig wächst auch das Bedürfnis, möglichst lange zu Hause zu bleiben.

«Pflege der Liebsten abgelten»

Dass Angehörige ihre Familienmitglieder pflegen, ohne dafür entschädigt zu werden, will die Caritas ändern. Im Kanton Luzern läuft ein Pilotprojekt, welches später schweizweit eingeführt werden soll.

EIne Schachtel Medikamente steht auf einem Tisch bereit. Beschriftet nach Wochentagen.
Legende: Zusammen mit dem Hausarzt und einer Fachperson wird ein Pflegeplan erstellt und definiert, wie viele Stunden Pflege bezahlt werden. Keystone

Die Caritas stellt pflegende Angehörige aus dem Kanton Luzern zu einem Stundenlohn von 35 Franken an und zahlt auch in die Sozialversicherungen ein. Abgerechnet werden die gemachten Pflegeleistungen hauptsächlich über die zuständige Krankenkasse. Projektleiter bei der Caritas ist Tobias Holzgang. Es gehe darum, die Pflege der Liebsten zu honorieren: «Unsere Grundidee ist, dass ein Teil der unbezahlten Care-Arbeit, die ganz viele in der Schweiz leisten, bezahlt werden kann. So können Menschen in schwierigen Situationen in ihrem Haushalt unterstützt werden.»

Hauptziele: Entlastung und Anerkennung

Konkret angestellt werden können enge Angehörige nach klaren Kriterien. So kann beispielsweise nur beschäftigt werden, wer auch die nötige Zeit hat für die Pflege der Angehörigen. Jemand, der bereits Vollzeit angestellt ist, erfüllt dieses Kriterium nicht. Ebenso müssen die körperlichen Voraussetzungen zum Pflegen gegeben sein. Nicht möglich ist zum Beispiel die bezahlte Pflege des Ehepartners, falls die pflegende Person selbst nicht mehr gut auf den Beinen ist.

Möglich wäre, dass eine Tochter oder ein Sohn einer pflegebedürftigen Person das Pensum reduzieren kann.
Autor: Tobias Holzgang Projektleiter Caritas

Insbesondere soll die Bezahlung der Caritas zur Entlastung und Anerkennung der pflegenden Angehörigen beitragen. Dies finanziell und zeitlich. Tobias Holzgang: «Möglich wäre, dass ein Sohn oder eine Tochter einer pflegebedürftigen Person das Pensum dank dieses Stundenlohnes um 20 Prozent reduzieren kann.»

Mann steht vor dem Caritas Gebäude in Luzern.
Legende: Die Caritas startet das Pilotprojekt diese Woche mit zehn pflegenden Angehörigen, so Projektleiter Tobias Holzgang. srf

Für die Umsetzung des Projekts arbeitet die Caritas intensiv mit Pflegefachpersonen zusammen. Wie viele Stunden Pflege pro Woche aufgeschrieben werden dürfen, wird zusammen mit dem Hausarzt festgestellt. Die Angehörigen dokumentieren die Pflege. Eine diplomierte Pflegefachperson besucht sie regelmässig und erstellt mit ihnen einen Pflegeplan. So ist die Qualität der Pflege sichergestellt.

Ausweitung auf andere Kantone geplant

Auf den ersten Blick klingt das Projekt der Caritas nach einer Konkurrenz zur Spitex. Das sei aber nicht der Fall, sagt Tobias Holzgang. Im Gegenteil, man wolle zusammenarbeiten. «Die Caritas kann mit den Angehörigen nur die Grundpflege machen. Braucht es Wundpflege, Verbände oder eine kompliziertere Behandlung, dann arbeiten wir mit der Spitex zusammen.» Eine Haltung, die auch Pflegeexpertin Iren Bischofberger von der Spitex Schweiz teil.

Pflegeexpertin sieht Projekt positiv

Box aufklappen Box zuklappen

Gesundheitswissenschafterin Iren Bischofberger verfolgt die Entwicklungen in der Pflege schon seit über 20 Jahren. Sie ist im Vorstand der Spitex Schweiz und beobachtet auch ein ähnliches System der Bezahlung der Angehörigen im Kanton Graubünden. Sie beurteilt das Projekt der Caritas positiv. Es sei wichtig, dass die grosse Arbeit der pflegenden Angehörigen mehr Wertschätzung erhalte. Eine Konkurrenz zur Spitex sieht sie nicht: «Bei der Spitex nimmt die Zahl der Pflegefälle jährlich zu. Die Spitex ist sehr gut ausgelastet – im Pflegebereich geht die Arbeit niemandem aus.».

Abgrenzung ist schwierig

Eine Herausforderung sieht sie in der Definition der Anzahl bezahlten Pflegestunden. «Wenn die pflegenden Angehörigen im selben Haushalt leben, kann die Abgrenzung schwierig sein zwischen bezahlten und unbezahlten Stunden.»

Das Projekt der Caritas beschränkt sich aktuell noch auf den Kanton Luzern. Diese Woche wurden die ersten 10 Arbeitsverträge mit pflegenden Angehörigen unterschrieben. Gemäss Tobias Holzgang sei es das Ziel, nun erste Erfahrungen zu sammeln. «Später möchten wir das Projekt ausweiten und die Möglichkeit einer Entlöhnung auch anderen Kantonen anbieten.»

Regionaljournal Zentralschweiz, 12. Mai 17.30 Uhr;

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