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«Die Opfer müssen geschützt werden»
Aus SRF 4 News aktuell vom 23.04.2018.
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Razzien gegen Menschenhändler Mit Gewalt und Drohungen zum Sex gezwungen

Letzte Woche führte die deutsche Bundespolizei die grösste Razzia ihrer Geschichte durch: 1500 Polizisten durchsuchten 62 Bordelle in 12 Bundesländern. Ziel war ein Menschenhändlerring, der Frauen aus Thailand nach Deutschland lockte und dort im Sexgewerbe ausbeutete.

Auch in der Schweiz werden Thailänderinnen teils gegen ihren Willen festgehalten und sexuell ausgebeutet, wie Rebecca Angelini von der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration in Zürich betont. Doch manche arbeiteten auch als legale, freiwillige Sexarbeiterinnen. Für diese sei die Situation schwieriger geworden.

Rebecca Angelini

Rebecca Angelini

Sprecherin FIZ

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Rebecca Angelini ist Sprecherin der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration FIZ in Zürich. Hier finden Opfer von Zwangsprostitution und Menschenhandel Hilfe.

SRF News: Wie stark sind in der Schweiz Frauen aus Thailand von Menschenhandel betroffen?

Rebecca Angelini: Thailand ist eines der Haupt-Herkunftsländer von Frauen, die wir in der Opferschutzstelle unterstützen. Das liegt vor allem daran, dass die Polizei in diesem Milieu in letzter Zeit sehr aktiv war. So gab es eine grosse, kantonsübergreifende Ermittlungsaktion, bei der viele Thai-Salons kontrolliert und Fälle von Menschenhandel aufgedeckt wurden. Unsere Schutzstelle hat in der Folge zahlreich Opfer dieser kriminellen Machenschaften betreut. Auch wurden Strafverfahren eingeleitet und Verantwortliche vor Gericht gestellt. Demnächst findet die Hauptverhandlung gegen die Hauptbeschuldigte statt. Es geht dabei um Menschenhandel und Ausbeutung in rund 50 Fällen.

Die Razzia vergangene Woche in Deutschland richtete sich gegen Menschenhändler, die vor allem Transsexuelle aus Thailand ausbeuteten. Haben Sie mit dieser Opfergruppe ebenfalls regelmässig zu tun?

Tatsächlich stellen wir eine Zunahme von Transmenschen fest, die von Frauenhandel betroffen sind. Meist stammen sie aus Thailand. Ihre Situation ist schwierig: Als Migrantinnen, die kaum Deutsch sprechen, sich hier nicht auskennen und bloss über einen prekären Aufenthaltsstatus verfügen, sind sie als Transsexuelle nochmals verletztlicher. Das wird von den Tätern denn auch ausgenutzt.

Mit Gewalt, Drohungen und fiktiven Schulden werden sie in einer Zwangslage gehalten.

Die jüngste Razzia in Deutschland zeigt, dass die meisten Betroffenen schon vor ihrer Abreise aus Thailand wussten, dass sie in Deutschland in der Prostitution arbeiten würden. Ist das auch Ihre Erfahrung aus Fällen in der Schweiz?

Im thailändischen Frauenhandel ist das ein klassisches Muster: Auch wenn die Betroffenen wissen, dass sie im Sexgewerbe arbeiten werden, werden sie über die Arbeitsbedingungen in Europa getäuscht. Häufig waren die Betroffenen schon im Herkunftsland im Sexgewerbe tätig. Ihnen wird versprochen, hier in der Schweiz viel mehr Geld zu verdienen – doch die Realität sieht dann anders aus: Mit Gewalt, Drohungen und fiktiven Schulden, die sie abzuzahlen haben, werden sie in einer Zwangslage gehalten.

Birgt eine Grossrazzia, wie sie vergangene Woche in Deutschland durchgeführt wurde, auch Risiken für die betroffenen Frauen?

Es ist wichtig, dass zwischen legaler, selbstbestimmter Sexarbeit und Frauenhandel unterschieden wird. Wenn es tatsächlich Hinweise auf Menschenhandel und ausbeuterische Verhältnisse gibt, sind Razzien und Kontrollen sicher sinnvoll. Problematisch kann dabei sein, dass die Opfer nicht als solche erkannt und womöglich zusätzlich kriminalisiert werden.

Freiwillige Sexarbeiterinnen leiden unter den Razzien und Salon-Schliessungen.

Auch haben die vielen Razzien im schweizerischen Thai-Milieu dazu geführt, dass viele Salons geschlossen wurden – auch wenn dort nicht ausschliesslich Opfer von Menschenhandel gearbeitet haben. Jene Sexarbeiterinnen, die freiwillig dort waren und so ihr Leben bestritten sowie ihre Familien unterstützt hatten, leiden jetzt unter dieser Entwicklung. Es schadet den Betroffenen also dann, wenn es bloss darum geht, Täter hinter Gitter zu bringen und nicht zugleich die Opfer zu schützen.

Das Gespräch führte Melanie Pfändler.

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