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Session NDB darf künftig Telefone abhören und Computer knacken

Das neue Nachrichtendienstgesetz ist unter Dach und Fach. Der Nationalrat hat die letzte Differenz zum Ständerat ausgeräumt. Das letzte Wort könnte allerdings das Stimmvolk haben, die Gegner wollen das Referendum ergreifen.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) darf künftig Telefone abhören, Privaträume verwanzen und in Computer eindringen
  • Um Missbräuche zu verhindern, müssen Überwachungsmassnahmen durch den Verteidigungsminister und das Bundesverwaltungsgericht genehmigt werden
  • Eine unabhängige Verwaltungsbehörde soll prüfen, ob der NDB recht- und zweckmässig handelt
  • Gegner aus dem links-grünen Lager streben das Referendum an
Hand mit Handschuhen auf einer Computer-Tastatur.
Legende: Mit Erlaubnis darf der NDB künftig auch Computer hacken. Colourbox

Der Nationalrat und der Ständerat sind sich letztlich doch einig: Das neue Nachrichtendienstgesetz soll in Kraft treten. Mit dem Gesetz dürfte der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) Telefone abhören, Privaträume verwanzen und in Computer eindringen. All das stand vor sechs Jahren schon einmal zur Diskussion. Damals scheiterte der Bundesrat am Widerstand von SVP, SP und Grünen. Inzwischen hat der Wind gedreht.

Die SVP befürwortet nun die neuen Überwachungsmöglichkeiten. Ihre Kehrtwende erklärt sie mit der veränderten Bedrohungslage. Der Nachrichtendienst brauche mehr Kompetenzen und zeitgemässe Mittel, um Terroranschläge verhindern zu können. Ohne Sicherheit gebe es keine Freiheit.

Maurer verspricht gezieltes Einsetzen

Die Gegner – allen voran die Grünen – warnen vor Lauschangriff und Totalüberwachung. Verdächtige könnten heute schon überwacht werden, auf Anordnung der Strafverfolgungsbehörden, argumentieren sie. Überwachung ohne Verdacht auf eine Straftat sei unhaltbar. Die Grundrechte dürften nicht zugunsten vermeintlicher Sicherheit eingeschränkt werden.

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Mehr Kompetenzen für den Nachrichtendienst
aus Rendez-vous vom 22.09.2015. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 32 Sekunden.

Verteidigungsminister Ueli Maurer räumte in der parlamentarischen Beratung ein, es gehe um heikle Fragen. Er versicherte gleichzeitig, die neuen Überwachungsmöglichkeiten würden gezielt eingesetzt, nur in etwa zehn Fällen pro Jahr. Der Nachrichtendienst brauche den Heuhaufen nicht, um die Nadel zu finden.

Dass der Nachrichtendienst seine neuen Kompetenzen nicht missbraucht, gewährleisten aus Sicht der Befürworter die gesetzlichen Regeln. Massnahmen wie das Verwanzen von Privaträumen oder das Eindringen in Computer wären genehmigungspflichtig: Zustimmen müsste jeweils neben dem Verteidigungsminister ein Richter des Bundesverwaltungsgerichts.

Richter haben keine Entscheidungsbefugnis fürs Ausland

Die Gegner befürchten, dass die Zustimmung zur Routine würde. Ein Dorn im Auge ist ihnen auch die Kabelaufklärung. Diese ermöglicht es dem Nachrichtendienst, grenzüberschreitende Signale aus Internetkabeln zu erfassen. Damit könnte ins Visier des Nachrichtendienstes geraten, wer bestimmte Begriffe googelt oder in E-Mails erwähnt. Die Gegner monierten, der Nachrichtendienst könne damit «Mini-NSA spielen».

Mit dem Versuch, die neuen Überwachungsmöglichkeiten aus dem Gesetz zu streichen, blieben die Gegner chancenlos. Das Parlament beschloss jedoch, dass der Nachrichtendienst im Gegenzug stärker kontrolliert werden soll. Eine neue unabhängige Aufsichtsbehörde soll prüfen, ob der NDB rechtmässig, zweckmässig und wirksam handelt.

Wie heikel es ist, gesetzliche Grundlagen für den Nachrichtendienst zu formulieren, zeigten die Diskussionen zur Frage, wessen Erlaubnis der NDB braucht, um zur Informationsbeschaffung Computer im Ausland zu hacken. Der Ständerat wollte zunächst, dass – wie bei Massnahmen im Inland – ein Richter des Bundesverwaltungsgerichts entscheidet. Mit dieser Regelung hätte der Nachrichtendienst aber faktisch nie eine Erlaubnis erhalten, da kein Richter eine solche Massnahme auf fremdem Territorium bewilligen könnte. Das Bundesverwaltungsgericht selbst machte darauf aufmerksam.

Maurer zufrieden – Gegner kündigen Referendum an

Am Ende einigten sich die Räte auf eine politische Instanz: Der Verteidigungsminister müsste den Aussenminister und die Justizministerin konsultieren. Der Nationalrat sagte jetzt Ja dazu. Will der Nachrichtendienst nicht bloss Informationen beschaffen, sondern Computer im Ausland hacken, um Informationen zu stören, zu verhindern oder zu verlangsamen, soll stets der Gesamtbundesrat entscheiden. Hier blieben die Räte beim Vorschlag der Regierung.

Verteidigungsminister Ueli Maurer zeigte sich zufrieden mit dem Ausgang der Beratungen. Das Gesetz bilde eine seriöse Basis für die Arbeit des Nachrichtendienstes, sagte er am Ende der Beratungen. Auch für die Gegner hat sich indes nichts geändert. Sie wollen das Referendum ergreifen.

Bundeshaus-Redaktor Dominik Meier: «Der Wind hat gedreht»

«Noch vor sechs Jahren ist der Bundesrat mit einem ähnlichen Kompetenzausbau für den Nachrichtendienst am Widerstand von SP, Grünen und SVP gescheitert. Unterdessen hat der Wind nach rechts gedreht. Die SVP ist jetzt an Bord und unterstützt ihren Verteidigungsminister Ueli Maurer. Sie argumentiert hauptsächlich mit der aktuellen Sicherheitslage. Mit dieser politischen Veränderung reicht es nun für eine solide Mehrheit im Parlament. Im Übrigen ist auch die SP nicht mehr kategorisch gegen die neuen Befugnisse des Nachrichtendienstes, sie ist gespalten. Am Schluss wird aber wahrscheinlich das Stimmvolk das letzte Wort haben. Die Grünen wollen das Referendum lancieren, ebenso die Jungsozialisten. Sie sehen die Grundrechte trotz der Vorkehrungen gefährdet. Wir können uns auf eine Abstimmung im nächsten Frühling oder Frühsommer einstellen.»

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