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Glättli: «Es ist Zeit für eine neue Zauberformel»
Aus HeuteMorgen vom 21.10.2019. Bild: Keystone SDA
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Experte antwortet Fragen und Sorgen der User zum Grünen-Wahlsieg

Nicht nur die Politikerinnen und Politiker werden im neu gewählten National- und Ständerat viel zu diskutieren haben. Auch bei den Bürgern sorgt die Wahl im Zeichen der Farbe Grün für kontroverse Kommentare. Die Ergebnisse werfen Fragen auf und lösen bei einigen auch Besorgnis aus. Der SRF-Bundeshausredaktor nimmt zu den häufigsten Stellung.

Gaudenz Wacker

Gaudenz Wacker

Bundeshausredaktor, SRF

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Gaudenz Wacker ist SRF-Bundeshausredaktor. Er arbeitete von 2006 bis 2014 beim Regionaljournal Basel, dort zuletzt als Korrespondent für Radio SRF. Er hat in Basel studiert und arbeitete vor seiner Tätigkeit bei SRF an der Universität Basel und für lokale Medien.

Das hängt nicht zuletzt davon ab, ob es die Öko-Kräfte im Parlament (Grüne, Grünliberale, SP) schaffen, mehrheitsfähige Lösungen zu finden. Denn das ökologische Lager hat keine Mehrheit im Parlament. Auch Grünen-Fraktionspräsident Balthasar Glättli ist daher klar: «Wir können dann mehr erreichen, wenn es uns gelingt, die bürgerliche Mitte und die FDP zu überzeugen, dass wir es ernst meinen, wenn wir die Hand ausstrecken.» Kommt hinzu: Am Ende müssten die Vorlagen der erstarkten Öko-Kräfte von Fall zu Fall auch an der Urne bestehen. Rund 80 Prozent haben bei diesen Wahlen nicht grün gewählt, grüne Initiativen scheiterten in der Vergangenheit an der Urne (Atomausstieg, Grüne Wirtschaft, Fair Food).

Benzin, Heizöl oder Flugtickets dürften teurer werden, für schlecht isolierte Gebäude soll es ein Verbot von Ölheizungen geben: Solche Beschlüsse hat der Ständerat im CO2-Gesetz bereits beschlossen, der Nationalrat dürfte nun folgen. Ein Teil der Abgaben soll aber an die Bevölkerung zurückerstattet werden: Damit sollen jene belohnt werden, die nicht fliegen, CO2-neutral heizen oder wenig Auto fahren. Das Umwelt-Lager will allerdings weiter gehen: Die GLP etwa fordert in ihrer Klimastrategie eine Erhöhung des Benzinpreises um 25 Rappen, oder die SP will eine Flugticketabgabe von bis zu 500 Franken auf Interkontinentalflüge in der Business Class. Auch hier gilt: Die Massnahmen müssen im Zweifelsfall den Urnentest bestehen – was nicht immer gelingt: In Solothurn oder Bern etwa lehnte die Stimmbevölkerung kantonale Vorlagen für schärfere Vorschriften im Energiegesetz ab.

Kommt drauf an, welchen Teil der Schweizer Wirtschaft man fragt. Beim Wirtschaftsverband Swisscleantech, der sich für eine nachhaltige Wirtschaft einsetzt, herrscht Freude über den grünen Rutsch – aber auch darüber, dass auch rechts der Mitte ein Umdenken stattfinde. Der Verband möchte, dass die Schweiz bis 2050 CO2-neutral wird. Weniger begeistert reagiert der grösste Dachverband der Schweizer Wirtschaft, Economiesuisse. Auch er möchte zwar ein CO2-Reduktionsziel im Inland – erreichen möchte er es aber mit marktwirtschaftlichen Instrumenten. Die Econonomiesuisse-Direktorin hingegen befürchtet, dass sich das neue Parlament für mehr staatliche Regulierung einsetzt.

Die Grünen selbst gehen da nicht auf Tutti. Zwar sagt Grünen-Präsidentin Regula Rytz, der Bundesrat mit seiner SVP-FDP-Mehrheit passe nicht zur Mitte-Links-Mehrheit im Parlament. Weder sie noch Fraktionschef Balthasar Glättli fordern derzeit aber ultimativ einen Grünen Bundesratssitz. Dafür müssten sie entweder einen FDP-Sitz angreifen. Für ein solches Abwahlmanöver müssten die Grünen aber die Mitte gewinnen, insbesondere die CVP – was unwahrscheinlich erscheint. Oder aber die Grünen greifen den CVP-Sitz an. Dann aber gewännen die Grünen nichts – SVP und FDP behielten ihre Mehrheit im Bundesrat. Die Grünen müssen sich also wohl noch etwas gedulden – mindestens bis sie in vier Jahren erneut zulegen, sagen manche.

Die Annahme ist gar nicht so abwegig. Nach wie vor haben die klassischen bürgerlichen Parteien SVP, FDP und CVP die Mehrheit im Parlament. Die Öko-Kräfte brauchen für ihre Anliegen immer die bürgerliche Mitte – alleine bringen sie keine Mehrheiten hin. Und doch lösen die markant vergrösserten Fraktionen von Grünen und Grünliberalen wohl eine neue Dynamik aus: etwa bei Umweltfragen oder gesellschaftspolitischen Themen (Ehe für alle, Individualbesteuerung). Zwar setzte sich die SVP-FDP-Mehrheit in der vergangenen Legislatur nur in den seltensten Fällen gegen alle anderen durch. Aber sowohl im National- als voraussichtlich auch im Ständerat gibt es jetzt Mitte-Links-Mehrheiten. Blockaden zwischen den Räten wären damit möglicherweise seltener.

Tatsächlich war die Wahlbeteiligung mit 45.1% tiefer als bei den Wahlen 2015 und ging damit erneut zurück. Das ist erstaunlich, denn zwei grosse Bewegungen – die Klima-Demos und der Frauenstreik im Juni – mobilisierten eigentlich Hunderttausende in diesem Wahljahr. Viele Beobachteter vermuteten daher, das könnte einen Einfluss auf die Wahlbeteiligung haben. Möglicherweise wurde nun tatsächlich mobilisiert – aber nur im grünen Lager, während auf der rechten Seite vielleicht der gegenteilige Effekt einsetzte: eine Demobilisierung.

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Am Tag nach den Wahlen: Wie geht es nach dem «Grünrutsch» weiter?
Aus Tagesschau vom 21.10.2019.
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