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Herbert Scheidt über Uneinigkeit innerhalb der Bankiervereinigung
Aus ECO vom 10.09.2018.
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Alleingänge statt Zusammenhalt Banken-Präsident warnt vor Bedeutungsverlust

In schwierigen Zeiten ist sich jeder selbst der nächste. Der Verband der Schweizer Banken schwächt sich damit selbst.

«Wenn wir nicht mit einer Stimme sprechen, dann verlieren wir an Einfluss, dann verlieren wir an Kraft. Und das ist nicht im Interesse vom Schweizer Finanzplatz», sagt Herbert Scheidt.

Der Präsident der Bankiervereinigung hat es mit einer Bankenbranche zu tun, die immer mehr auseinanderdriftet.

  • Die Grossbanken UBS und Credit Suisse wollen vor allem einen unkomplizierten Marktzugang, um ihre ausländischen Kunden ohne Hürden zu bedienen.
  • Die Privatbanken beklagen, dass die Grossbanken alles dominierten. Sie kämpfen mit dem Verlust an Geldern und den Kosten von Regulierung und Digitalisierung. Der Marktzugang ist für sie ebenfalls zentral.
  • Die Regionalbanken wollen nicht für Regulierungen bezahlen, die sie nicht betreffen. Sie fokussieren auf Schweizer Sparer.

Früher standen die Einzelinteressen weniger im Vordergrund. Früher, das waren die Zeiten eines mächtigen Bankenverbands. 1912 formierte sich in Basel die «Vereinigung von Vertretern des schweizerischen Bankgewerbes», die einige Jahre später als «Schweizerische Bankiervereinigung» in den Sprachgebrauch überging.

Männer und Anzügen, schwarz-weiss.
Legende: Gemeinsam für die Schweizer Interessen: Die obersten Bank-Chefs an der Generalversammlung 1967 in Bern. SRF

Sébastien Guex, Professor für Zeitgeschichte, beschäftigt sich an der Universität Lausanne mit der Vergangenheit dieses Verbands. Ihm liegen historische Protokolle vor.

Sébastien Guex

Sébastien Guex

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Der Professor für Zeitgeschichte an der Universität Lausanne hat als Forschungsschwerpunkt den Schweizer Finanzplatz. Über die Schweizerische Bankiervereinigung hat er mehrere wissenschaftliche Aufsätze verfasst und ist Co-Autor des Kapitels «Finanzplatz Schweiz» im Nachschlagewerk «Wirtschaftsgeschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert». Aktuell arbeitet er an einem Buch über die Geschichte der Steueroasen.

SRF News: Sébastien Guex, wie ist die Bankiervereinigung so einflussreich geworden?

Sébastien Guex: Es ist ihr gelungen, innerhalb eines Verbands den kleinen Direktor einer Spar- und Leihkasse Lenzburg und den Chef einer riesigen Bank, die in 80 oder 100 Ländern aktiv ist, zu vereinen. Und das hat sie dazu legitimiert, vor den Bundesbehörden und in der Öffentlichkeit für den gesamten Finanzplatz aufzutreten.

Was hat sie in der Politik erreicht?

Sie hat unter anderem den berühmten Artikel 47 ins Bankengesetz gebracht: das Bankgeheimnis. Ab 1934 war die Schweiz jahrzehntelang das Land mit dem stärksten Bankgeheimnis, zementiert wie nirgendwo sonst in der Welt – und das auch noch mit der Garantie des Staates!

Zudem hat sie es geschafft, dass das Bankengesetz höchst liberal ist und breit ausgelegt werden kann. Es gab praktisch keine Kontrolle von Seiten des Staates – wie man am Fall UBS im Jahr 2008 feststellen konnte.

Und wie hat die Bankiervereinigung die Gesellschaft beeinflusst?

Ab den 1930er-Jahren hat die Bankiervereinigung grosse PR-Kampagnen gefahren. Die Botschaft lautete: Die Banken und die Schweizer Wirtschaft sind eins. Ohne Banken verschwindet die Wirtschaft vom Erdboden.

Jahrzehntelang setzte sie der Bevölkerung in den Kopf: Die Schweiz, das sind die Banken – und das ist gut so.

Das Bankgeheimnis gehört aber nun der Vergangenheit an.

Da stimme ich nicht unbedingt zu. Es ist zwar offensichtlich, dass die Schweizer Banken seit 2009 einen Rückzug antreten mussten. Aber wer sagt, wie die Kräfteverhältnisse 2025 aussehen? Gibt es zum Beispiel die EU in einigen Jahren noch?

Entscheidend ist, dass die Legitimität des Bankgeheimnisses innerhalb der Schweiz aufrecht erhalten wird. Und bei den Behörden und der Gesellschaft ist es immer noch ein hoher Wert.

Glauben Sie mir: Die Bankiervereinigung wird in den nächsten Jahrzehnten alles dafür tun, in Sachen Bankgeheimnis wieder Boden gut zu machen.

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Sébastien Guex: «Die Bankiervereinigung setzte der Bevölkerung in den Kopf: Die Schweiz, das sind die Banken – und das ist gut so.» (frz.)
Aus ECO vom 10.09.2018.
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Sébastien Guex hält die Bankiervereinigung heute immer noch für überaus mächtig. Aber ein Blick auf die Verbandsbranche zeigt: Sie spricht heute mit vielen Stimmen.

Neben der Bankiervereinigung gibt es unter anderem zwei Verbände der Privatbanken, einen Verband der Auslandsbanken und mehrere Regionalbanken-Verbände. Die neusten Gründungen sind:

  • Im Mai 2018 haben sich 58 Regionalbanken zum Regionalbanken-Verband zusammengeschlossen.
  • 2013 haben UBS und Credit Suisse ein Lobby-Büro namens «Swiss Finance Council» direkt in Brüssel eröffnet.
  • Seit 2008 haben sich Regionalbanken, Kantonalbanken, die Raiffeisen-Gruppe und die Migros Bank zur Plattform Koordination Inlandbanken zusammengeschlossen.

Alle drei geben an, dass sie die Aktivitäten der Bankiervereinigung «ergänzen», also eigenes Lobbying betreiben.

Jürg Gutzwiller, Präsident der Entris-Bankengruppe, der den Regionalbanken-Verband ins Leben gerufen hat, wehrt sich aber, das als ein Misstrauensvotum gegen die Bankiervereinigung deuten zu lassen.

Im Gegenteil: Er wolle dort Veränderungen bewirken: «Man hat immer versucht, eine Meinung durchzubringen oder sich zu einer Meinung zu finden. Das ist auch immer noch das Ziel, und das ist auch gut so. Aber manchmal kann man das Ziel nicht erreichen. Und ich glaube, dann ist es besser, ehrlich zu sein und zu sagen, man hat unterschiedliche Interessen.»

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Jürg Gutzwiller: «Wir wollen natürlich keine Kosten aufbauen für etwas, aus dem wir keinen Nutzen ziehen.»
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Die Bankiervereinigung hat vor drei Jahren eine Beratungsfirma engagiert, die ihr unter anderem geraten hatte, sie solle ihr Dissonanz-Management verbessern und abweichende Meinungen offener kommunizieren.

Wie Lobbying ohne Einigkeit gehen soll, erklärt Bankiervereinigungs-Präsident Herbert Scheidt.

Herbert Scheidt

Herbert Scheidt

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Herbert Scheidt ist seit September 2016 Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung. Sein Vorgänger in der Bankiervereingung war Patrick Odier von der Genfer Privatbank Lombard Odier. Herbert Scheidt präsidiert die Zürcher Bank Vontobel. Er gibt an, für beide Posten gleich viel Zeit aufzuwenden, und zwar jeweils «60 bis 70 Prozent».

SRF News: Herr Scheidt, welchen Sinn hat Dissonanz-Management?

Herbert Scheidt: Ich gehe mit einer Position nach Bern und sage dann aber: ‹Der Verein so und so hat da eine andere Meinung dazu›. Und dann weiss Bern, dass es einen Verband gibt, der sich nicht der Meinung der Mehrheit in der Bankiervereinigung anschliessen kann.

Das ist fair gegenüber dem Verband, dann erhält dieser Verband vielleicht die Gelegenheit, seine eigene Meinung in Bern noch zu präsentieren. Und dann liegt die finale Entscheidung dann bei den Bundesbehörden in Bern, inwieweit sie diese Minderheitsmeinung berücksichtigen.

Aber ist das nicht schlecht für den Finanzplatz, wenn er es nicht schafft, mit einer Stimme zu sprechen?

Wir treten dafür ein, dass wir immer mit einer Stimme sprechen, und das ist auch in den allermeisten Fällen der Fall. Wenn es nicht möglich ist, dann gibt es eben zur Beruhigung derjenigen, die nicht übereinstimmen, die Möglichkeit zu sagen: Nein, ich stimme nicht überein. Aber das ist keine gute Lösung, und in den meisten Fällen führt das auch nicht viel weiter.

Mir haben verschiedene Bundesräte gesagt: Wenn ihr nicht mit einer Meinung ankommt, dann legen wir das Dossier einfach zur Seite. Und deshalb ist es im Interesse von uns allen, und das haben auch die Unterverbände verstanden, dass wir zu einer Meinung finden.

Mir haben Bundesräte gesagt: Wenn ihr nicht mit einer Meinung ankommt, dann legen wir das Dossier einfach zur Seite.
Autor: Herbert Scheidt Präsident Schweizerische Bankiervereinigung

Der Schweizer Bankenplatz hat sich verändert, seitdem das Bankgeheimnis ihn gegen aussen nicht mehr zusammenhält. Institute sind verschwunden, Gelder abgeflossen, die Kosten gestiegen.

Wenn der Druck zunimmt und nur noch wenig verbindet, schaut jeder zuerst nach sich. Allerdings: Ohne gemeinsame Stimme schwächt sich der Finanzplatz selbst.

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