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Das Smartphone ist die beste Kamera
Aus Digital vom 06.12.2018. Bild: SRF/Marc Allemann
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Computergestützte Fotografie Wie das Smartphone die Fotografie umkrempelt

Heute machen Smartphones oft bessere Bilder als eine Kamera. Sie nutzen dabei die Kraft der Algorithmen.

Das neuste Smartphone von Google besitzt Superkräfte. So beschreibt es wenigstens Marc Levoy, der Mann, dank dem das Pixel 3 im Dunkeln sehen kann. Levoy ist einer der Pioniere im Gebiet der Computational Photography, der computergestützten Fotografie. Dank ihm und seinen Mitstreiterinnen können Smartphones heute bessere Fotos machen als so manche Kompaktkamera – und das, obwohl sie wegen der Grösse, deutlich im Nachteil sind.

Denn in den ultraflachen Gehäusen der heutigen Smartphones ist der Platz beschränkt. Grössere Sensoren und eine bessere Optik lassen sich da nur schwer hineinquetschen. Um diesen Nachteil wettzumachen, setzen Smartphones beim Fotografieren immer mehr auf den Computer. Und immer weniger auf das Objektiv und den Sensor.

Um etwa im Dunkeln sehen zu können, schiesst das neuste Google-Handy 15 Bilder innerhalb von sechs Sekunden. Ein Algorithmus analysiert die Bilder, schneidet sie auseinander, und setzt die besten Teile zu einem neuen Einzelbild zusammen. Das Gerät macht eine Art intelligente Langzeitbelichtung, bei der das Bildrauschen und Verwackelungen herausgerechnet sind. Auf diese Weise kann das Pixel 3 selbst bei Kerzenlicht in die dunkelsten Ecken sehen.

Das Einzelbild hat ausgedient

Auch die Geräte anderer Hersteller wie Apple oder Huawei greifen auf den gleichen Trick zurück. Sobald die Kamera-App geöffnet wird, beginnt das Smartphone Fotos zu machen. Wenn ein Nutzer auf den Auslöser drückt, werden einfach noch die letzten fünf bis 10 Aufnahmen zu einem Einzelbild zusammengesetzt.

Diese Technik kommt auch beim sogenannten Porträtmodus zum Zug, um die Tiefenunschärfe einer Kamera mit viel grösserem Sensor und Objektiv simulieren zu können. Neuere iPhone-Modelle schiessen beispielsweise gleichzeitig Bilder aus zwei verschiedenen Objektiven. Anschliessend wird ein 3D-Modell des fotografierten Gesichts erstellt, damit der Hintergrund unscharf gemacht und die Beleuchtung des Gesichts frei gewählt werden kann. Das neuste Handy von Huawei setzt gar auf drei Objektive. Und die Firma LG hat bereits ein Patent für ein Smartphone mit 16 Objektiven angemeldet. Auch die Selfie-Kamera auf der Vorderseite des Smartphones bekommt immer öfter Gesellschaft durch zusätzliche Objektive.

Egal wie viele Objektive eingesetzt werden: Smartphones arbeiten heute fast ausschliesslich mit mehreren Aufnahmen, um ein Einzelbild zu berechenen. «Das Einzelbild wird immer mehr zur Ausnahme», sagt Sabine Süsstrunk von der EPFL in Lausanne. Sie hat sich auf die computergestützte Fotografie spezialisiert. Seit der Verbreitung des Smartphones habe es riesige Fortschritte auf ihrem Forschungsgebiet gegeben, so Süsstrunk.

Smartphones nutzen noch weitere Techniken, um Bilder ansprechender zu machen. Sie setzen etwa neurale Netze ein, damit der Computer das Bild im Sucher besser erkennen kann. Wenn der Computer weiss, was fotografiert wird, kann er die Schärfe richtig einstellen, die Beleuchtung optimieren und zahllose weitere Einstellungen vornehmen.

Das Ziel dieser neuen Art von Fotografie sei stets, das Bild «besser» zu machen, sagt Foto-Expertin Süsstrunk. Und «besser» sei in der Fotografie schon immer das gewesen, was der Nutzer als angenehm und schön empfinde.

Losgelöst vom Moment

Bilder aus dem Smartphone halten nicht einen Moment fest, der tatsächlich stattgefunden hat. Sie zeigen ein berechnetes Bild, einen erzeugten Augenblick. Der Algorithmus kann bereits jetzt Objekte entfernen oder unerwünschte Personen entfernen. Gruppenfotos können so zusammengesetzt werden, dass alle Teilnehmer lächelnd in die Kamera blicken, wie ein Experiment von Google zeigt. Bald werde man gar das Wetter auf den Ferienfotos frei auswählen können, prophezeit Süsstrunk.

Zwei Bilder, auf denen ein Korridor und farbige Plakate zu sehen sind, sind nebeneinander abgebildet.
Legende: Auch im Dunkeln kann das Pixel 3 Farben richtig erkennen. Das linke Bild wurde mit einem iPhone X aufgenommen, das rechte Bild mit einem Pixel 3. SRF/Marc Allemann

Auf den ersten Blick mag das schockieren. Doch wirklich neu ist das nicht: «Fotos waren schon immer ein Abbild von einer Realität, wie wir sie uns eigentlich wünschen», so Süsstrunk. Schon Farbfilmhersteller wie Kodak oder Agfa hätten auf Farben gesetzt, welche die Wirklichkeit verblassen liessen. Mit der computergestützten Fotografie wird es aber laut Süsstrunk künftig viel einfacher, Bilder nach Wunsch zu generieren. «Neu genügt ein Knopfdruck», so Süsstrunk. Vorbei sind die Zeiten, wo für ähnliche Bildmanipulationen Fotos am PC bearbeitet werden müssen. Wo Grundkenntnisse der Bildbearbeitung und Software-Kenntnisse nötig sind.

Die Kompaktkamera hat ausgedient

Für die gute alte Kompaktkamera bedeutet computergestützte Fotografie den Todesstoss. «Im billigeren Segment von einigen hundert Franken ist der Markt eingebrochen», bestätigt Andreas Fuchs vom Zürcher Fachgeschäft Fuchs Foto Video. Die Kamerahersteller setzen darum auf grosse Sensoren und Objektive, für Profis und anspruchsvolle Amateure. Doch auch diese teuren Systemkameras werden bald einmal an ihre physikalischen Grenzen gelangen. Die Zukunft der Fotografie gehöre darum dem Computercode, titelte darum jüngst der Technologie-Blog Techcrunch.

SRF 3 vom 6.12.2018.

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