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Wirtschaft Das Geschäft mit dem Recht

Im Kanton Zürich gibt es heute rund 20 Prozent weniger Gerichtsfälle als noch vor wenigen Jahren. Der Grund: Wer einen Prozess führen will, muss die Kosten meist vorschiessen. Was für Professor Isaak Meier ein «Defizit des Rechtsstaats» ist, wird für Prozess-Finanzierer zum grossen Geschäft.

Seit Einführung der bundesweiten Zivilprozessordnung 2011 erlaubt der Gesetzgeber den Gerichten, einen Vorschuss auf die Kosten der Prozesse zu verlangen. In der Praxis gilt heute für den Kanton Zürich: Wer klagen will, muss erst einmal zahlen.

Das hat dazu geführt, dass im Kanton Zürich rund 20 Prozent weniger Gerichtsfälle verhandelt werden, wie Isaak Meier, Lehrstuhl-Inhaber für Zivilrecht an der Universität Zürich, im Interview mit «ECO» sagt. Bei einem Streitwert von 100‘000 Franken betrage der Vorschuss rasch einmal 10‘000 Franken. Das schreckt ab.

Zudem muss der Kläger, falls er denn den Rechtsstreit gewinnt, das Geld selber beim Beklagten eintreiben: die eigenen Anwaltskosten ebenso wie die Gerichtskosten, die er dem Staat vorgeschossen hat. Sollte der Beklagte insolvent sein, bleibt der Kläger auf den Kosten sitzen. Der Staat selbst hält sich finanziell schadlos und verlagert das ganze Risiko auf den Kläger.

Prozess-Finanzierer sollen helfen

Der Gang vor das Gericht wird zu einem finanziellen Abenteuer, das gut überlegt sein sollte. Offenbar ist das Problem auch Bundesbern bewusst. In seinem Bericht zum kollektiven Rechtsschutz begrüsst der Bundesrat, wenn Prozess-Finanzierer einspringen. Prozess-Finanzierer sind Unternehmen, die für den Kläger die Prozesskosten übernehmen, dafür aber im Erfolgsfall eine Beteiligung von etwa 30 Prozent der Streitsumme erhalten.

Da die Branche in der Schweiz noch nicht sehr bekannt ist, überlegt der Bundesrat sogar für die Gerichte eine Informationspflicht. Sie sollen Kläger über die mögliche Risikoabwälzung auf Dritte informieren.

Schweizer Kläger gehen nach England

In England floriert das Geschäft der Fremdfinanzierung von Prozessen bereits. Dort bieten Prozess-Finanzierer ihre Dienste ab einer Streitsumme von umgerechnet einer Million Franken an.

Video
Susan Dunn über ihr Geschäft (engl.)
Aus ECO vom 05.12.2014.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 40 Sekunden.

Auch Schweizer gehören zu ihren Kunden: So hat die Luzerner Stiftung «Salle Modulable» mit der Unterstützung von Harbour Litigation Funding Ltd. gerade eine Summe von 120 Millionen Franken erstritten. Allerdings dürften geschätzte 40 Millionen Franken an den Londoner Prozess-Finanzierer gehen, sobald das Urteil rechtskräftig ist. Das entspricht dem branchenüblichen Drittel der Streitsumme.

Für Susan Dunn, Geschäftsführerin von Harbour Litigation Funding, ein weiterer Erfolg in ihrer langen Karriere: 120 Fälle mit einem Streitwert von umgerechnet 4,5 Milliarden Franken hat sie in den letzten 12 Jahren durchgefochten.

Das rechtsstaatliche Problem bleibt ungelöst

Video
Isaak Meier über Schräglage bei Prozesskosten
Aus ECO vom 05.12.2014.
abspielen. Laufzeit 52 Sekunden.

Doch auch wenn Prozess-Finanzierer eine praktische Lösung für Kläger wären: Sie helfen nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Die Aussichten, den Prozess zu gewinnen, sollten gut sein, die Prozesssumme sollte hoch genug sein, und der Beklagte sollte in der Lage sein zu zahlen.

Die Hürde ist hoch: Susan Dunn übernimmt kaum 5 Prozent der ihr angetragenen Fälle. Diese Zahlen decken sich mit den Zusagen von Schweizer Prozess-Finanzierern. 95 Prozent müssen also weiterhin selber zahlen oder auf den Gang zum Gericht verzichten. Das rechtsstaatliche Defizit lösen auch die Prozess-Finanzierer nicht.

Interviews: Daniela Seiler, Urs Gredig

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