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Öltropfen in Nahaufnahme
Legende: Ein gnadenloser Verteilkampf lässt die Preise auf dem Welt-Ölmarkt erstmals seit Jahrzehnten dauerhaft fallen. Colourbox
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Wirtschaft Der tiefe Öl-Preis verändert die Welt

Saudi-Arabien flutet die Welt mit Öl. Der Preissturz des Öls ist erstmals nicht auf eine Wirtschaftskrise, sondern auf einen Verdrängungs-Wettbewerb zurückzuführen. Eine Entwicklung mit vielen Verlierern – und der Schweiz als eine der Gewinnerinnen.

Weltweit sind die Öl-Lager randvoll. Dennoch pumpt vor allem Saudi-Arabien mehr Öl denn je aus dem Boden. Pro Tag fördert das Land 10 Mio. Barrel. Eine direkte Folge dieser Ölschwemme: Der Ölpreis ist innerhalb des letzten Jahres fast um die Hälfte gefallen: von knapp 100 auf 53 US-Dollar pro Barrel.

Das Königreich wird seine eingeschlagene Richtung vorerst nicht ändern. Daran lässt die Aussage des saudischen Ölministers Ali Al-Naimi keinen Zweifel. «Egal, ob der Preis auf 20, 40, 50 oder 60 Dollar fällt», lauteten seine Worte diesbezüglich im vergangenen Herbst.

«Saudi-Arabien hat einen langen Atem»

Saudi-Arabien nimmt einen tiefen Ölpreis aus drei Gründen in Kauf, die alle miteinander in Verbindung stehen:

  • Die Förderkosten des Landes liegen im Vergleich sehr tief: bei durchschnittlich 25 US-Dollar pro Barrel (Im Vergleich: Russland fördert für 45 US-Dollar, das vor allem in den USA betriebene Fracking kostet 75 US-Dollar pro Barrel). Damit ist der Verdienst ohnehin überdurchschnittlich hoch.
  • Die zur ernstzunehmenden Konkurrenz aufgestiegenen USA sollen Marktanteile abgeben müssen. Heute fördern die USA fast genauso viel Öl wie Saudi-Arabien. Der Nahe Osten wehrt sich mit einem Verdrängungswettbewerb.
  • Mit Staatsreserven von 750 Mrd. US-Dollar kann der Wüstenstaat problemlos über Jahre geringere Einnahmen aus dem Ölgeschäft verkraften.

Video
Cornelia Meyer über Saudi-Arabien und geopolitische Risiken
Aus ECO vom 18.05.2015.
abspielen. Laufzeit 56 Sekunden.

«Saudi Arabien hat einen sehr langen Atem», sagt Cornelia Meyer im Interview mit «ECO». Die Ökonomin berät internationale Erdöl-Unternehmen, Regierungen und die Opec.

Entscheidend für die weitere Entwicklung des Ölpreises sei die Weltkonjunktur. «Gegenwärtig produzieren wir im Quartal zwei Millionen Barrel mehr als wir brauchen. Aber wenn sich die Wirtschaft ankurbelt, wird diese Nachfrage schnell wieder steigen. Dann geht der Öl-Preis hoch.»

Entlassungen und Stilllegungen in der Öl-Branche

Fast die gesamte Öl-Branche ist längst unter Druck. Es trifft vor allem die Grossen wie Exxon, Shell, BP und Transocean. Letzteres Unternehmen etwa, mit Sitz in der Schweiz, ist Weltmarktführer für Ölplattformen und Förderschiffe. Transocean erlitt im letzten Jahr einen Verlust von 1,9 Milliarden US-Dollar. Das Unternehmen will mehrere Bohrinseln ausser Betrieb nehmen und Schiffe seiner Flotte verschrotten.

Service-Dienstleister im Bereich Ölfelder bauen massiv Stellen ab. Schlumberger etwa entlässt 9000 Mitarbeiter, Konkurrent Halliburton will 6000 Stellen streichen. Das entspricht in beiden Fällen 8 Prozent der Belegschaft.

Investoren wenden sich ab. Der Aktienkurs ist von rund 40 auf knapp 16 Franken gefallen. So ist Warren Buffett etwa beim weltgrössten Erdölkonzern ExxonMobil ausgestiegen und hat sein Aktienpaket im Wert von 3,7 Milliarden Dollar abgestossen.

Schweizer Händler profitieren

Es gibt einen Branchen-Zweig, der profitiert. Und dieser ist vor allem in der Schweiz beheimatet: der Öl-Handel. Genf ist der weltweit grösste Handelsplatz für Erdöl. Ein Drittel der Volumen werden von der Rhône-Stadt aus gehandelt – von internationalen Konzernen wie Vitol, Trafigura, Mercuria und Gunvor.

Vitol ist international der grösste unabhängige Öl-Händler. Mit 252 Milliarden Franken erzielt das Unternehmen mehr Umsatz als Roche, Novartis und Nestlé zusammen. Als erstes Fernsehteam überhaupt erhielt «ECO» Zutritt zu Vitol.

Video
David Fransen über das Geschäft von Vitol (eng.)
Aus ECO vom 18.05.2015.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 21 Sekunden.

«Der Ölpreis ist nicht entscheidend für unser Geschäft», sagt David Fransen, Geschäftsführer von Vitol Schweiz. «Für uns läuft das Geschäft dann gut, wenn möglichst viel Öl umgeschlagen wird, unabhängig vom Preis.» Der tiefe Öl-Preis erleichtere sogar die Arbeit in gewisser Weise – wenn es um das Abwickeln der 100 bis 200 Supertanker gehe, die sich im Auftrag Vitols jederzeit auf dem Meer befänden. «Je tiefer der Preis, desto weniger Kapital müssen wir in das Geschäft stecken», sagt Fransen. Der Konzern verdiene, indem er die Preisdifferenzen zwischen den Weltregionen ausnutze.

Der tiefe Öl-Preis spaltet die Branche in Gewinner und Verlierer. Was die Akteure in Förderung und Dienstleitung massiv ausbremst, verleiht der Öl-Drehscheibe Genf zusätzlichen Anstoss.

(bacu, siem, gnec, lint, korb)

Sachter Anstieg

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Zwischenzeitlich ist der Öl-Preis wieder auf bis zu 70 US-Dollar geklettert. Öl-Expertin Cornelia Meyer sieht darin ein Indiz dafür, dass geopolitische Risiken in ölfördernden Ländern wie Irak, Iran und Nigeria zunehmend in den Preis einfliessen.

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