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Wirtschaftlichkeit von Klimaanlagen umstritten
Aus Tagesschau vom 21.06.2017.
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Klimaanlage verändert die Welt Die kühle Revolution

In diesen heissen Tagen erscheint die Klimaanlage vielen vor allem als Segen. Die Soziologin Marlyne Sahakian hat ein ganzes Buch über die einflussreiche Erfindung des frühen 20. Jahrhunderts geschrieben und erkennt in der zunehmenden Klimatisierung ganzer Regionen auch Probleme.

SRF News: Oft sprechen wir von der Klimaerwärmung. Doch gab es für den Einzelnen dank der Erfindung der Klimaanlage von 1902 in den letzten hundert Jahren eigentlich eher eine Abkühlung?

Marlyne Sahakian: Ja, während sich das Klima über den ganzen Planeten hin betrachtet erwärmt, kühlen immer mehr Städte ihre Raumtemperaturen runter. Wir sehen weltweit eine Tendenz zu gekühlten Räumen in den urbanen Zentren.

Wie verbreitet sind Klimaanlagen heute und wie haben sie unser Leben verändert?

Wir müssen uns daran erinnern, dass es lange ging, bis die Klimaanlage wirklich eine hohe Verbreitung erreichte. Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurde sie zum Massenprodukt. Während in den USA heute 80 Prozent der Haushalte über eine Klimaanlage verfügen, sind es in den Philippinen bloss zehn Prozent. Für viele bleibt die Klimaanlage also ein Luxus, dennoch trägt sie zu einer verbreiteten Normvorstellung von Komfort in Innenräumen bei. Klimaanlagen haben ein Standard-Raumklima geschaffen und daraus folgte auch eine Standardisierung der Arbeitskleidung und des Gebäudebaus.

Schon oft wurde die Frage diskutiert, ob klimatische Bedingungen einen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung haben. Verdankt etwa das tropische Singapur seinen Reichtum der Klimaanlage?

Die Regierung von Singapur sagt, dass die Einführung der Klimaanlage die Arbeitsproduktivität erhöht hat. Einige Wissenschaftler in den USA sagen dasselbe über den amerikanischen Süden. Ich bin nicht einverstanden, ich glaube nicht an einen geografischen oder klimatischen Determinismus. Es gibt so viele andere Einflussfaktoren wie Handelsbeziehungen, Machtverhältnisse oder die Religion. Der soziokulturelle Kontext scheint mir viel entscheidender als das Klima.

Hatten die nördlichen Länder durch das kältere Klima also keinen Vorteil hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung?

Nicht unbedingt. Die nördlichen Länder haben etwa den Nachteil, dass die Menschen ihre Häuser heizen müssen. Die Menschen in den südlichen Ländern hingegen konnten für Jahrhunderte gut ohne künstliche gekühlte Luft leben. In den kälteren Ländern ist man viel abhängiger von den Heizsystemen.

Dennoch: Klimaanlagen sind heute gerade in den tropischen Ländern sehr begehrt. Indien etwa wächst in rasantem Tempo. Was bedeutet das für die Zukunft der Klimaanlage?

Klimaanlagen verbrauchen sehr viel Energie und geben auch Wärme ab. Paradoxerweise machen Klimaanlagen die Städte heisser und tragen so nicht nur zur globalen Klimaerwärmung bei, sondern auch zur lokalen Erwärmung.

Haben Klimaanlagen in wärmeren Ländern auch einen Einfluss auf die Architektur?

Tatsächlich prägen Klimaanlagen auch die Architektur. Es gibt viele Gebäude im feuchtheissen Tropenklima, die nur wegen der Klimaanlage so gebaut werden. Etwa Glastürme in Manila oder in indischen Städten, die westliche Vorbilder imitieren. Ohne Klimatisierung wäre es unmöglich, dort zu wohnen. Und mit diesen Gebäuden wird der Energiebedarf langfristig auf hohem Niveau festgefahren. Stattdessen sollten wir dem Klima angepasst bauen.

Doch ist es nicht schlicht ungesund, bei hohen Temperaturen zu arbeiten?

Grundsätzlich haben sich die Menschen immer dem lokalen Klima angepasst, haben ihre Häuser entsprechend gebaut und auch die Arbeitszeit entsprechend gestaltet, man denke nur an die Siesta. Doch mit der Klimaanlage werden wir weltweit immer einheitlicher.

Das Gespräch führte Caspar Pfrunder

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