Selten hat der Finanzdirektor der Stadt Bern so viel Freude am Schuldenmachen gehabt: «Tatsächlich profitieren wir stark von der aktuellen Situation. Sie wirkt sich auch positiv auf unser Budget aus», sagt Alexandre Schmidt.
Die Stadt Bern hat sich seit dem vergangenen Jahr mehrere kurzfristige Kredite zu einem Negativzins bei Banken und Pensionskassen gesichert, im Gesamtumfang von 80 Millionen Franken.
Dafür gabs von den Kreditgebern sogar noch Geld dazu: «Wir haben zwischen 0,4-0,7 Prozent Negativzins erhalten», so der Berner Finanzdirektor. Bislang hat die Stadt Bern damit knapp eine halbe Million Franken eingestrichen.
Negativ-Zinsen werden zu «Positiv-Zinsen»
Nicht nur die Stadt Bern weiss den Effekt zu schätzen: Auch andere Städte wie Zürich, St. Gallen und Basel haben mit kurzfristigen Krediten schon Geld verdient, ergab eine Umfrage. Der Kanton Basel-Stadt müsse Anleihen erneuern, schildert Kaspar Sutter, Generalsekretär im Finanzdepartement der Stadt Basel: «Das war auch gestern wieder der Fall – wir haben das im Markt platziert und konnten Negativzinsen abschliessen.»
Für ihn und seine Kollegen ist der Negativzins also eigentlich ein Positiv-Zins geworden. Die Geldgeber sind Banken, Pensionskassen oder Versicherungen. Einzelne Banken und der Unfallversicherer Suva haben das auf Anfrage bestätigt. Die meisten wollten sich allerdings nicht äussern. Geld auszuleihen und dem Gläubiger dafür noch eine Prämie hinterher zu schiessen – das hält man in der Branche lieber unter der Decke.
Ein schöner Effekt.
Auch wenn zumindest das kurzfristige Schuldenmachen für die öffentliche Hand zurzeit so ertragreich ist wie selten: Schulden auf Vorrat zu machen, weil sie gerade so billig sind, sei für Städte wie Basel eher keine Option, sagt Finanzexperte Sutter: «Das ist nicht unser primäres Ziel. Wir schauen, wieviel Geld wir für unsere Investitionen und die Ablösung alter Anleihen brauchen». Natürlich sei es aber ein «schöner Effekt», wenn daraus Negativzinsen für die Kantone entspringen würden.
Würde die Stadt aber deutlich mehr Geld aufnehmen, als sie aktuell braucht, dann müsste sie das Geld wieder bei einer Bank parkieren – und dafür selbst Strafzinsen zahlen. Aus dem Vorteil würde dann schnell wieder ein Nachteil.
Kredit aufnehmen und sparen: bald auch bei Privaten?
SRF-Wirtschaftsredaktorin Barbara Widmer: «In den Genuss von solchen vorteilhaften Krediten kommen bislang nur Städte oder besonders sichere Schuldner, etwa auch Kantone, die besonders gute Noten von einer Rating-Agentur bekommen und als besonders sicher gelten. Die Banken wissen: Das Verlustrisiko ist sehr klein. Es ist bislang nicht bekannt, ob auch Privatfirmen Negativzinsen erhalten – aber im aktuellen Zinsumfeld nicht ganz auszuschliessen. Das müsste aber sicher ein top-seriöses Unternehmen sein. Dass uns die Banken bald bezahlen, damit wir eine Hypothek aufnehmen, ist im Moment sicher noch kein Thema. Bei einer Privatperson ist das Risiko für die Banken viel höher als etwa bei einer Stadt: Krankheit, Arbeitslosigkeit, Scheidung – solche Unsicherheitsfaktoren spielen hier eine Rolle. Aber: Bis vor kurzem konnte ich mir auch nicht vorstellen, dass Banken Städte belohnen, wenn sie Geld aufnehmen. |