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«Cum-Ex»: Gewinne auf Kosten der Steuerzahler
Aus ECO vom 11.02.2019.
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Lukratives Steuerschlupfloch Millionen-Deals auf Kosten der Steuerzahler

«Cum-Ex»-Aktiengeschäfte entzogen dem Fiskus Milliarden. Involviert war auch die Schweizer Privatbank Safra Sarasin.

Als hätte man die Formel gefunden, um Gold zu produzieren. So beschreibt ein Banker in einem Polizeibericht die ausgeklügelten Aktiendeals rund um den Dividenden-Stichtag, «Cum-Ex» genannt.

Dahinter verbirgt sich einer der grössten Steuer-Skandale der vergangenen Jahre. Rund drei Jahrzehnte lang praktizierten Banken, Broker und Investoren weltweit diese Geschäfte.

So funktionierten die Tricks:

  • Investoren handelten vor dem Dividenden-Stichtag Titel über Zwischenhändler – so genannte Broker.
  • Dadurch generierten die Investoren mehrfach Steuergutschriften. Das Steueramt konnte dann nicht sicher feststellen, welche Investoren tatsächlich berechtigt waren, Steuern zurückzufordern.
  • «Cum-Ex»-Deals sind sehr kostenintensiv, bescherten aber satte Gewinne, die der Fiskus bezahlte. Die Leidtragenden waren die Steuerzahler.

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So funktionieren «Cum-Ex»-Geschäfte
Aus ECO vom 11.02.2019.
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Das sind die Personen in der Geschichte, die nun folgt:

  • Hanno Berger. Ermittler gehen davon aus, dass der Rechtsanwalt und Steuerberater Banken geholfen hat, milliardenschwere Cum-Ex-Deals durchzuziehen.
  • Eric Sarasin. Der Spross einer der reichsten Banquier-Familien der Schweiz war Chef des Private Bankings der Bank Safra Sarasin, die zu dieser Zeit noch Bank Sarasin hiess. Er wurde 2015 drei Tage lang von deutschen Vermittlern verhört. Der Verdacht war Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Betrug. Das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt.
  • Eckart Seith. Der Rechtsanwalt beschaffte sich Dokumente, welche aufzeigten, wie die Bank Sarasin Fonds mit «Cum-Ex»-Strukturen aufsetzte. Die Bank zeigte ihn an wegen Wirtschaftsspionage.

Die Geschichte:

Die Basler Bank Sarasin hat im grossen Stil mit Kundengeldern in «Cum-Ex» investiert. Das geht aus Ermittlungsakten hervor, die dem Wirtschaftsmagazin «ECO» erstmals vorliegen.

Um 2011 vertrieb Sarasin drei «Sheridan Fonds», die von Bergers Team strukturiert wurden. Reines Cum-Ex. Rendite 12 bis 20 Prozent. Für qualifizierte Kunden, die über eine gewisse Risikofähigkeit verfügten.

Gemäss den Akten seien die Risiken nicht für die Bank, aber für die Kunden astronomisch gewesen. Es drohte ein Kapitalverlust von bis zu 70 Prozent.

Ein Insider bringt die Deals zum Platzen

Ein Mitarbeiter der am Deal beteiligten neuseeländischen Investmentbank Macquarie erpresste Sarasin und informierte trotz geleisteter Zahlung von 1,5 Mio. Euro der Bank die deutschen Finanzbehörden. Diese hat die Auszahlung des Fonds gestoppt.

Als der Fonds kein Geld mehr auszahlte, klagten Investoren, unter ihnen der deutsche Drogisten-König Erwin Müller. Er investierte 50 Millionen Euro in den Fonds, bis dann kein Geld mehr kam. Müller klagte. Sarasin musste ihm 56 Millionen Euro Schadenersatz zahlen.

Sein Anwalt Eckard Seith sagt: «Den Kunden war versprochen worden, dass sie nach einem halben Jahr ihre Investitionen wieder zurückerhalten mit zehn Prozent Ertrag, was für sich ja ganz schön ist, aber tatsächlich nur fünf Prozent des Profits ausmachte, den die Transaktionsbeteiligten, also die Banken, Börsenhändler usw., mit diesen Geschäften erzielen wollten.»

Im Falle eines der «Sheridan-Fonds», den er untersucht habe, seien es 192 Millionen gewesen, die als Vergütungen, Provisionen oder ähnliches in die Taschen der Beteiligten flossen, «während die Anleger meinten, mit ihrem Geld würden Blue-Chip-Aktien gekauft, und die Anlage sei sicher.»

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Eckart Seith: «Die Anleger meinten, die Anlage sei sicher»
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In die «Sheridan-Fonds» investiert hatte auch der ehemalige AWD-Chef Carsten Maschmeyer. Er sorgte sich um sein Geld und schrieb laut den Ermittlungsakten an Eric Sarasin. Dieser antwortete: «Klar werde ich dafür sorgen, dass die Summen bis Ende April zurückkommen. Es gibt immer noch 12 % Rendite. Herzlich Eric.»

Bekannter Steueranwalt unter Druck

Angefangen hatten die «Cum-Ex»-Avancen von Sarasin etwa Mitte der Nullerjahre – das geht aus den Akten hervor. Eric Sarasin traf damals auf Hanno Berger. Dieser erklärte dem Banker: Im deutschen Steuerrecht gäbe es «69'000 Artikel» – viele verfügten über sogenannte «Loopholes». Steuerschlupflöcher. Damit lasse sich «gut verdienen!»

Verbote der «Cum-Ex»-Deals

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Diese Aktiengeschäfte um den Dividendenstichtag praktizierten Banken weltweit rund drei Jahrzehnte lang.

2006 reagierte erstmals der deutsche Gesetzgeber, schloss die Lücke aber nicht ganz.

2012 hat der deutsche Gesetzgeber «Cum-Ex» verboten, nachdem der Sarasin-Fall das Ausmass ans Licht brachte.

In der Schweiz hat die eidgenössische Steuerverwaltung Cum Ex im Kreisschreiben 21 2008 untersagt.

Die gesetzliche Grundlage in der Schweiz ist allerdings umstritten.

Ermittler gehen davon aus, dass Berger auch anderen Banken geholfen hat, milliardenschwere «Cum-Ex»-Deals durchzuziehen. Er wurde im vergangenen Jahr in Frankfurt wegen Steuerhinterziehung angeklagt. Der Ausgang des Verfahrens ist offen.

Er wehrt sich: «‹Cum-Ex›-Geschäfte gibt es seit 30, 40 Jahren, ‹Cum-Ex›-Geschäfte sind durch den Bundesfinanzhof, durch das höchste Steuergerichtabgesegnet worden. Der Gesetzgeber hat das für Recht befunden. Und 400 Banken haben das mit ihren Beratern gemacht. Seit vielen Jahren. Und der Fiskus hat um die Lücken gewusst und sie nicht geschlossen, über Jahrzehnte hin.»

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Hanno Berger: «In einem liberalen Rechtsstaat ist alles erlaubt, was nicht verboten ist»
Aus ECO vom 11.02.2019.
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Ob das nicht unmoralisch sei, wollte das Wirtschaftsmagazin «ECO» wissen.

Hanno Berger: «Wenn man Moral so definiert, dass der Bürger mit vorauseilendem Gehorsam dem Staat gegenüber treten muss und antizipieren muss, was der Gesetzgeber hätte regeln sollen und müssen, dann war es unmoralisch. Nur, das ist nicht meine Auffassung – das ist nämlich nicht die Auffassung eines Vertreters eines liberalen Rechtstaats. Im liberalen Rechtsstaat ist alles erlaubt, was nicht verboten ist.»

An diesem Punkt steht die Geschichte heute:

  • Die Staatsanwaltschaft in Köln wird in Kürze Anklage gegen erste Beschuldigte erheben. Viele Beteiligte auf beiden Seiten dürften noch lange Rechtstreitigkeiten vor sich haben.
  • Die Bank Sarasin hat Eckart Seith wegen Spionage und Geheimnisverrat angezeigt. Er muss sich im März in Zürich vor Gericht verantworten.
  • Hanno Berger wartet auf einen möglichen Prozess. Er hat Eric Sarasin wegen Bankgeheimnisverletzung angezeigt, weil dieser Geschäftsunterlagen nach Köln geliefert hatte.
  • Das Verfahren gegen Eric Sarasin wurde nach Zahlung einer Geldauflage von 200'000 Euro eingestellt. Eric Sarasin hat die Bank verlassen und wendet sich nun vermehrt philanthropischen Aktivitäten zu.

srf; schp, siem, koha

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