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«Bild»-Chefredaktor Reichelt ist entlassen worden
Aus SRF 4 News aktuell vom 19.10.2021. Bild: Keystone
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Möglicher Machtmissbrauch Deshalb musste der Chefredaktor von «Bild» gehen

Julian Reichelt ist entlassen worden. Er pflegte Beziehungen zu jungen Mitarbeiterinnen und hat darüber gelogen.

Am Montag hat der Der Axel-Springer-Verlag bekannt gegeben, dass «Bild»-Chefredaktor Julian Reichelt mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden werde. Hintergrund dazu bilden neue Erkenntnisse über unangemessenes Verhalten Reichelts.

Finger nicht von jungen Kolleginnen gelassen

Als Folge von Medienrecherchen habe das Unternehmen jetzt neue Erkenntnisse über Reichelts Verhalten gewonnen, hiess es vom Springer-Verlag. Diesen Informationen sei man nachgegangen und habe erfahren, dass Reichelt auch nach Abschluss des «Compliance»-Verfahrens im Frühjahr 2021 «Privates und Berufliches» nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt habe.

Auflagenstärkste Zeitung Deutschlands

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Die «Bild»-Zeitung ist Deutschlands auflagenstärkste Tageszeitung. Seit kurzem gibt es auch BILD TV. Beide Titel gehören dem Axel-Springer-Konzern, der vor allem für das Boulevard-Blatt sowie die «Welt» bekannt ist. Neuer Vorsitzender der «Bild»-Chefredaktion nach der Entlassung Reichelts wird Johannes Boie. Der 37-Jährige war bislang Chefredaktor der Springer-Zeitung «Welt am Sonntag».

«Er hat die versprochene neue Kultur – also die Finger von jüngeren Kolleginnen zu lassen – nicht eingehalten», sagt dazu der deutsche Medienjournalist Steffen Grimberg. Reichelt habe das Vertrauen der Springer-Unternehmensführung nicht erfüllt und sei deshalb entlassen worden.

Berufliche Vorteile für Sex?

Im vergangenen März waren dem «Bild»-Chefredaktor von der Belegschaft Machtmissbrauch vorgeworfen worden, woraufhin er vorübergehend freigestellt wurde. Nach der internen Untersuchung hiess es, Reichelt habe Fehler gemacht, die aber nicht strafrechtlicher Natur seien. Er durfte seinen Job fortsetzen, bekam aber Alexandra Würzbach – die Chefredaktorin der «Bild am Sonntag» – als Doppelspitze zur Seite gestellt.

Reichelts Leistungen für Diversität

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Über Julian Reichelt weiss Medienjournalist Grimberg auch Positives zu berichten: «Reichelt hat viel für die Durchlässigkeit in der ‹Bild›-Redaktion getan.» So würden dort heute viel mehr Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen arbeiten als das früher der Fall gewesen sei. Reichelt habe auch für junge Menschen und Quereinsteiger viel getan.

Laut dem Springer-Verlag gab es im Rahmen des Compliance-Verfahrens gegen Reichelt nie den Vorwurf sexueller Belästigung oder sexueller Übergriffe. Es habe aber den Vorwurf einvernehmlicher Liebesbeziehungen zu «Bild»-Mitarbeiterinnen und Hinweise auf Machtmissbrauch in diesem Zusammenhang gegeben.

«Mitarbeiterinnen hatten beklagt, dass es Fälle von Begünstigung gab gegen entsprechende Zuneigung zum Chefredaktor», beschreibt Medienjournalist Grimberg die vorgebrachten Klagen.

Laut Springer wurde damals bewiesen und eingeräumt, dass Reichelt früher eine Beziehung zu einer Mitarbeiterin von «Bild» gehabt hatte. Umstritten geblieben sei, so Springer, ob dieser Mitarbeiterin dadurch berufliche Vorteile gewährt worden sind.

«Mächtige, Zigarren rauchende Männer»

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Legende: Reichelt (links) und Springer-Vorstandsvorsitzender Döpfner. Keystone

Gemäss neuen Recherchen der «New York Times» und des deutschen Magazins «Der Spiegels» haben mehrere Frauen erklärt, dass bei «Bild» jene Frauen bessere Jobs erhielten, die mit dem Chef schlafen würden. In der «New York Times» wurden zudem hochrangige Mitarbeiter von «Bild» zitiert, sie seien es leid, in ihren Abteilungen oder Redaktionen die «abgelegten Damen» von Julian Reichelt beschäftigen zu müssen.

«Da wird ein Stil beschrieben, wie man ihn sich vor 40 Jahren in einer Boulevard-Zeitung mit mächtigen, Zigarren rauchenden Männern vorgestellt hätte», sagt der Medienjournalist Steffen Grimberg.

Doch wie ist das im Jahr 2021 – nach «MeToo» – noch möglich? «Der starke Mann im Axel-Springer-Verlag, Mathias Döpfner, hat an Reichelt und dessen rüpelhafter, aber erfolgreichen Art einen Narren gefressen», sagt Grimberg. So habe man bei Reichelt wohl über vieles hinweggesehen. In ihrer Art, Widerstände um jeden Preis zu überwinden und Leute aus dem Weg zu räumen, die ihnen im Weg stehen, seien sich Reichelt und Döpfner wohl sehr ähnlich. «Aber während Döpfner eher mit dem Florett kämpft, benutzt Reichelt eher den Zweihänder», sagt Grimberg.

Reichelt habe während seines jahrelangen Aufstiegs bei «Bild» seit 2002 – vom Volontär über Kriegsreporter, Chefreporter (mit 27 Jahren) zum Chef von bild.de und Mitglied der «Bild»-Chefredaktion bis schliesslich 2017 «Bild»-Chefredaktor – an vielen Schaltstellen seine «Buddies» installiert. Gleichzeitig seien viele gestandene, auch ältere «Bild»-Kolleginnen und Kollegen in die zweite Reihe versetzt worden oder hätten das Unternehmen verlassen. «Es wird deshalb jetzt interessant sein, zu sehen, ob sich die von Reichelt installierten Kräfte auf ihren Posten halten können», sagt der Medienkenner Grimberg. Davon hänge ab, ob bei «Bild» ein Kulturwechsel möglich sei.

SRF 4 News, 19.10.2021, 05:00 Uhr;

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