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Wirtschaft Schweizer Schoggi könnte bald nicht mehr «Swiss made» sein

Weil die Welthandelsorganisation die Exportsubventionen aus dem «Schoggi-Gesetz» endgültig abschaffen will, prüfen jetzt auch kleine und mittelgrosse Nahrungsmittelhersteller ihre Produktion ins Ausland zu verlagern. Schweizer Bauern könnten wichtige Abnehmer verlieren.

Die Schweizer Nahrungsmittel-Produzenten beziehen dank dem «Schoggi-Gesetz» seit Jahren Exportsubventionen vom Bund – 96 Millionen Franken dieses Jahr. Nur deshalb können sie sich die vergleichsweise teuren Rohstoffe aus der abgeschotteten Schweizer Landwirtschaft leisten. Die Welthandelsorganisation WTO will nun solche handelsverzerrenden Ausfuhr-Beihilfen abschaffen, womöglich bereits an der WTO-Ministerkonferenz in Nairobi diesen Dezember.

Markus Vettiger in Produktion.
Legende: Glückskäfer bald aus Deutschland? Markus Vettiger sieht eine Verlegung der Produktion als «Möglichkeit». SRF

Das KMU Maestrani aus Flawil SG stellt unter anderem die Schokoladen-Marken Munz und Minor her, 37 Prozent des Umsatzes erzielt es im Export. Geschäftsleiter Markus Vettiger erhält zwar nur 150 000 Franken pro Jahr aus dem «Schoggi-Gesetz» – ein Klacks verglichen mit den 19 Mio., die Nestlé kassiert. Doch Vettiger sagt: «Ohne ‹Schoggi-Gesetz› wären die Rohstoffe, die wir in der Schweiz beziehen müssen, so teuer, dass wir nicht mehr konkurrenzfähig wären im Ausland.» Das Traditionsunternehmen wolle zwar soviel Rohstoffe wie möglich in der Schweiz beziehen. Doch wenn das Schoggi-Gesetz wegfällt, ist eine Produktionsverlagerung nach Deutschland eine «Möglichkeit, die wir uns überlegen müssen», sagt Vettiger.

WTO hält Export-Subventionen für Sündenfall

Bei der Welthandelsorganisation in Genf gelten Export-Subventionen als handelspolitischer Sündenfall. Gemäss WTO-Informationschef Keith Rockwell stehen die Exportsubventionen derzeit im Rampenlicht, weil sie viele Länder nervös machen. Nur reiche Länder könnten sich das leisten. Rockwell sagt zu «ECO»: «Exportsubventionen verschaffen dem Bauern einen Anreiz, seine Überschüsse in andere Märkte zu pumpen. Ein Export aus der Schweiz ist anderswo ein Import – vielleicht in Ghana, Kambodscha oder Paraguay – alle diese Länder sind viel ärmer als die Schweiz. Und ihre Bauern haben keine solchen Regierungshilfen.»

«Schoggi-Gesetz»

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Das so genannte «Schoggi-Gesetz» soll das Handicap der schweizerischen Nahrungsmittel-Industrie beim Export mildern. Dieses entsteht, weil die Hersteller Rohstoffe wie Milchpulver oder Getreide in der Schweiz zu viel höheren Preisen einkaufen als sie dies im Ausland könnten. Für 2015 betragen die Subventionen 95,5 Millionen Franken (Mehr).

Würde die Schweiz den Bauern mehr Direktzahlungen geben statt Export-Subventionen, wäre das aus Sicht der WTO eher akzeptabel. Rockwell: «Unterstützungen, die nicht direkt Produktion und Export fördern, gelten als nicht marktverzerrend, und diese Art von Unterstützung wird viel lieber gesehen als solche, die den Markt verzerrt und zum Anstieg von billigen Importen führt.»

«Swissness»-Vorlage als weitere Erschwerung

Für die Schweizer Nahrungsmittel-Industrie sind solche Subventionen wichtig, solange die hiesige Landwirtschaft abgeschottet ist. Der Verband der Nahrungsmittelindustrie Fial sieht zwar die Probleme, die die Schweizer Ausfuhrbeiträge der WTO bescheren. Fial-Co-Direktor Urs Furrer sagt aber: «Solange die Schweizer Agrarpolitik einen so starken Schutz vorsieht, solange ist die verarbeitende und produzierende Nahrungsmittelindustrie der Schweiz darauf angewiesen, dass solche Ausgleichsysteme funktionieren.» Wenn sie nicht mehr da wären und kein Ersatz vorhanden wäre, würde das die Exportfähigkeit massiv einschränken.

Bei den Lebensmittel-Verarbeitern stehen die Zeichen auf Sturm, weil ihnen die «Swissness»-Vorlage den Export weiter erschweren wird. Bisher durften sie zollgünstig ausländische Rohstoffe importieren, wenn sie sie veredelt wieder exportieren. Weil die «Swissness»-Vorlage ab 2017 80 Prozent Schweizer Rohstoffe erfordert, verlieren die Firmen beim Veredeln künftig das «Swiss made»-Label. Die Fial-Firmen wollen Produktionsverlagerungen vermeiden. «Doch die neue ‹Swissness›-Regulierung setzt aus Kostengründen Anreize, um die Produktion zu verlagern», sagt Furrer.

Export Landwirtschaft

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Von der Schweizer Milch gehen 8,3 Prozent und vom Weizenmehl 8,5 Prozent in den Export. Vom «Schoggi-Gesetz» direkt abhängig sind 4000 Arbeitsplätze in der Industrie und indirekt 1800 Landwirtschaftsbetriebe. Quelle: Bauernverband

Er rechnet mit einer Zweiteilung des Marktes: Auf der einen Seite würden grosse Unternehmen mit sehr starken Marken wie Lindt&Sprüngli vermehrt die Produktion ins Ausland verlegen und auf das «Swiss made» Label verzichten. Das passiert bereits mit den Schoggihasen von Lindt, die mit deutscher Milch in Deutschland produziert werden. Auf der anderen Seite sieht Furrer kleinere Unternehmen, die auf das Schweizer Kreuz und das Qualitätsversprechen von «Swiss made» angewiesen seien. «Die sind in einer relativ schwierigen Situation fast gefangen.»

Bundesrat sucht Ersatz für «Schoggi-Gesetz»

Die Migros-Tochter Chocolat Frey entschied letzte Woche, auf den Export ihrer Marken zu verzichten – sie baut 50 Stellen ab. Ein Fokussieren auf die Schweiz liegt für Maestrani nicht drin. CEO-Vettiger sagt: «Da der Binnenmarkt bereits gesättigt ist, bleibt nur der Export, um zu wachsen.»

Dem Bundesrat ist an einem WTO-konformen Ersatz für das «Schoggi-Gesetz» gelegen. «Wir suchen eine Lösung, mit der man der produzierenden Landwirtschaft etwas bieten kann, den Verarbeitern etwas bieten kann und mit der man sich der allfälligen WTO-Diskussion rechtzeitig entziehen kann», sagt Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann. Wie er dabei vorzugehen gedenkt, lässt er offen: «Lassen sie mich in Ruhe Anfang Dezember nach Nairobi gehen und dort die Schweizer Interessen vertreten»

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