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Wirtschaft Wohin führt der «Schlussverkauf» im Print?

Immer öfter geraten Traditionszeitungen in die Hände von Konzernen und Besitzern, bei denen Journalismus möglicherweise nur noch eine Nebelrolle spielt. Jüngstes Beispiel ist die «Washington Post», bei der nun der Amazon-Gründer herrscht. Erst letzte Woche war bei Springer in Deutschland Ausverkauf.

Sie gehörten zu den Flaggschiffen des amerikanischen Journalismus, der «Boston Globe» und die «Washington Post». Letztere erlangte gar Weltruhm mit der Aufdeckung des Watergate-Skandals, der US-Präsident Richard Nixon zum Rücktritt zwang.

Inzwischen sind beide Titel nur noch Schatten ihres einstigen Selbsts: Schmalbrüstig, ohne ernstzunehmende Auslandberichterstattung und verlustbringend. Der «Boston Globe» wurde von John Henry, dem Besitzer der Baseballmannschaft Boston Red Sox, übernommen. Die «Washington-Post» vom Chef des Internet-Händlers Amazon, Jeff Bezos.

Hoffen auf aufgeklärte Besitzer

Das sei nicht zwingend schlecht, sagt Penny Abernathy, Journalismus-Professorin an der Universität von North Carolina und zuvor Verlagsmanagerin bei der «New York Times» und dem «Wall Street Journal»: Jeff Bezos etwa sei ein höchst kreativer Unternehmer.

Vielleicht schaffe er für die «Washington Post» eine neue Zukunftsperspektive. Womöglich gehöre er ja zum Typus des aufgeklärten Besitzers, der mit einer Zeitung mehr wolle als bloss Geld verdienen. Jemand, der auch die Bedeutung des Journalismus für die Demokratie erkenne.

Nur Schönfärberei bei Springer?

Eine noch viel grössere Medientransaktion fand dieser Tage aber in Deutschland statt. Europas grösster Verlag, der Springer-Konzern, verkaufte auf einen Schlag zwei traditionsreiche Regionalzeitungen, sämtliche Frauentitel und weitere Zeitschriften.

Springer-Chef Mathias Döpfner, früher selber ein guter Journalist, betonte zwar im Fernsehsender Phoenix: «Der Geist bestimmt die Materie und nicht die Materie den Geist. Und wir leben nun mal vom geistigen Produkt und das ist der Journalismus.» Die Sehnsucht, mit der Sprache umzugehen und zu schreiben, bleibe seine grosse Leidenschaft. Er habe dieses erotische Verhältnis zur Sprache. Dies könne man nicht abstellen, das bleibe.

Aber im Geschäftsbericht zählen eben nicht Worte, sondern Zahlen. Deshalb trennte sich Springer von einem guten Teil seines Zeitungsimperiums. Was Döpfner nun den Vorwurf des «Schönredners» einträgt.

Dringend gesucht: neue Geschäftsmodelle

Das alte Geschäftsmodell für Zeitungen trägt nicht mehr. Das neue, die Verbreitung journalistischer Inhalte im Internet, funktioniert noch nicht. Das sagt Professor George Brock, Leiter der Journalismus-Fakultät an der City University London. Er schrieb eben das Buch «Out of Print» über Journalismus und das Nachrichtengeschäft im digitalen Zeitalter.

Philip L. Graham (l) mit dem kalifornischen Bankier Eugene Meyer, der die «Post» 20 Jahre zuvor ersteigert hatte.
Legende: Wechselvolle Story: Philip L.Graham (l) mit Bankier Eugene Meyer 1954. Meyer hatte die «Post» 20 Jahre zuvor ersteigert. Keystone

Klassische Verlagshäuser, bei denen Zeitungen das A und O waren, werden laut Brock zu Auslaufmodellen. Immer mehr Titel gehörten Konzernen oder Besitzern, für die sie bloss noch ein Nebengeschäft darstellten. So sei etwa die Pearson-Gruppe als Besitzerin der «Financial Times» hauptsächlich im amerikanischen Bildungswesen tätig und gebe bloss nebenbei die führende Finanzzeitung der Welt heraus.

Quersubventionieren?

Die britische Nachrichtenagentur Reuters ist heute ein Wurmfortsatz des kanadischen Thomson-Konzerns, der das meiste Geld mit Software für die Finanzindustrie und Informatiklösungen für Steuerberater oder Anwälte verdient. Serge Dassault, der Besitzer des französischen «Figaro», ist primär Rüstungsfabrikant. In all diesen Konzernen spielt der Journalismus bloss noch eine Nebenrolle.

Das sei dann ein Problem, so Journalismus-Professorin Abernathy, wenn die Konzernchefs nicht willens seien, Gewinne aus andern Geschäftssparten in den Journalismus zu stecken. Realität sei wohl, dass der Journalismus weit unten auf der Prioritätenliste stehe.

In solchen medienfernen Unternehmen hätten Chefredaktoren und Verleger, die mehr Mittel für guten Journalismus einforderten, einen schweren Stand, weiss auch Brock. Gross sei zudem die Gefahr, dass Journalisten Rücksicht auf andere Geschäftsaktivitäten im Konzern nehmen müssten.

Enormer Druck von oben

Wie frei also können etwa die «Washington-Post»-Reporter künftig noch über Amazon berichten? Oder über China, wenn dieses Land zum Schlüsselmarkt für Amazon wird? Wie frei können sich «Figaro»-Journalisten zu Rüstungsfragen äussern? Enorm gefordert seien da der einzelne Journalist und dessen Integrität.

Doch sich massivem Druck von ganz oben zu widersetzen, fordert viel Rückgrat – und dürfte auf Dauer dennoch aussichtslos sein.

(brut;buev)

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