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50 Jahre «Dr. Sommer» Dieser Mann hat Generationen in drei Nationen aufgeklärt

Martin Goldstein war der Erfinder von «Dr. Sommer». Er selber war jedoch nie wirklich aufgeklärt worden.

Audio
Martin Goldstein zu Gast im «Tagesgespräch» 2006
aus Audio SRF 1 vom 01.10.2019.
abspielen. Laufzeit 23 Minuten 25 Sekunden.

Onanieren verursacht Rückenmarkschwindsucht

Lust ist böse. Sexualität? Inexistent. Bis 1969 sahen sich viele Jugendliche mit einem grossen Tabu konfrontiert und fanden kaum Antworten für ihre Fragen rund um die Sexualität. Mit der ersten Ausgabe von «Dr. Sommer» am 20. Oktober 1969 änderte sich alles. Martin Goldstein übernahm die Aufklärungsseite in der deutschen Zeitschrift «Bravo».

Da war plötzlich jemand, der die Sexualität nicht als Sünde bezeichnete. Einer, der die Selbstbefriedigung als «normal» beschrieb und nicht als Auslöser von Rückenmarkschwindsucht, wie das damals durchaus vorkam.

Dr. Sommer und die ersten Briefe

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Seit 1969 hat das Dr. Sommer-Team rund 12'500 Fragen öffentlich beantwortet. Die Fragen in der ersten «Dr. Sommer»-Ausgabe waren:

-Sieglinde K. (16): «Ich sitze in der Patsche! Ich habe sechs Freunde, und alle denken, ich sei mit ihnen zusammen.»

-Benno (13): «Meine Eltern wollen sich scheiden lassen, aber ich will das nicht!»

-Rita M.(15): «Ich habe noch keine Periode, und einen Busen habe ich auch noch nicht. Meine Freunde lachen mich deswegen aus.»

-Karin M.: «Ich bin 14 und mein Freund ist 21.»

«Sexualaufklärer der Nation»

Martin Goldstein hatte mehrere Schriften zum Thema Aufklärung publiziert. «Mit vielen Illustrationen» wie er sagte, ohne Schnickschnack. Sein Buch hiess «Anders als bei Schmetterlingen» und wurde auch vom damaligen Chefredaktoren gelesen. Das öffnete Martin Goldstein die Türen zur «Bravo» und machte ihn zum «Sexualaufklärer der Nation».

Die 'Bravo' mochte ich nie. Der Personenkult ging mir gegen den Strich
Autor: Martin Goldstein

Seinetwegen wurden zwei Ausgaben der «Bravo» 1972 von der deutschen Bundesprüfstelle als «jugendgefährdend» und «sozialethisch verwirrend» klassifiziert. Martin Goldstein wurde zweimal ermahnt, nicht mehr darüber zu schreiben. Mit der Begründung: «Die Geschlechtsreifung alleine berechtigt nicht zur Inbetriebnahme der Geschlechtsorgane.»

Auch das Wort «Kondom» durfte damals nicht gebraucht werden. «Ich habe es trotzdem getan», sagte Martin Goldstein. Irgendwann hätte die Prüfstelle das Interesse an der «Bravo» verloren.

Video
Bravo-Verbot (1980)
Aus Archivperlen vom 28.12.2016.
abspielen. Laufzeit 7 Minuten 2 Sekunden.

Selber war er nie aufgeklärt worden

Goldstein war zur Zeit des Nationalsolzialismus in Deutschland aufgewachsen, wo Aufklärung kein Thema war. Er musste sich selber schlau machen. Mit 23 Jahren hatte er das erste Mal näheren Kontakt zu einer Frau. Das war im Präparierkurs an der Universität, wo er Medizin studierte. «Sie hatte keinen Kopf und schwamm in einer giftigen Lauge» zitierte ihn «Der Spiegel».

Im Jahr 2000 ging Martin Goldstein in den Ruhestand. Die «Bravo» selber mochte er nie. «Der Personenkult ging mir gegen den Strich» sagte er im «Tagesgespräch».

Martin Goldstein starb 2012 mit 85 Jahren.

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