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Digitalisierte Kirche? Ein Roboter segnet die Kirchgänger in Rickenbach ZH

In der reformierten Kirche Rickenbach ZH steht seit kurzem ein Roboter. Er segnet die Besucherinnen und Besucher und druckt einen Bibelspruch aus. Dahinter steckt ein Experiment.

In der reformierten Kirche im zürcherischen Rickenbach bietet sich ein ungewöhnliches Bild. Statt ein Pfarrer steht vorne neben dem grossen Holzkreuz ein Roboter. Der blinkende Metallkasten lächelt einen mit seinem digitalen Mund von weitem an. Wenn man sich vor ihn hinstellt, beginnt er zu sprechen: «Guten Tag, kann ich Sie segnen?»

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Ein Roboter segnet die Kirchgänger in Rickenbach ZH
aus Audio SRF 1 vom 30.10.2020.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 24 Sekunden.

Auf dem Bildschirm auf der Brust des Roboters kann man zwischen vier Kategorien auswählen – «Ermutigung», «Erneuerung», «Begleitung» oder «Traditionell». Der Roboter hebt dann seine starren Arme und streckt einem seine leuchtenden Hände entgegen. Er spricht einen Bibelspruch und senkt seine Arme wieder. «Amen», beendet der Roboter seinen Segen.

Wieso ein Roboter?

Pfarrer Jürgen Terdenge steht daneben und schmunzelt. Auch er hat sich schon segnen lassen. Wieso braucht es dafür einen Roboter? «Der Roboter ist ein Experiment», sagt Terdenge. Die Maschine soll die Besucherinnen und Besucher dazu anregen, über die Kirche und den eigenen Glauben nachzudenken. «Es haben sich schon einige interessante Diskussionen ergeben», sagt der Pfarrer.

Eigentlich kommt der Segnungsroboter «BlessU-2» aus Deutschland. Anlässlich des 500-Jahr-Jubiläum der Reformation liess die evangelische Kirche Hessen und Nassau den Roboter bauen. Der Roboter wechselt seitdem regelmässig seinen Standort. Er war bereits in verschiedenen Kirchen in ganz Deutschland – und nun in Rickenbach. Danach geht seine Reise weiter in die Stadtkirche Winterthur und anschliessend in die evangelische Kirche Wülflingen. Dann soll der Roboter wieder zurück nach Deutschland. In einem Museum in Bonn soll seine Reise enden.

Am Roboter scheiden sich die Geister

Ein Mann hat ihn vor ein paar Tagen gefragt, ob der Robotersegen denn wirkt, erzählt Jürgen Terdenge. Das könne jeder für sich entscheiden. Der Pfarrer kann sich jedoch nicht vorstellen, dass der Robotersegen viele Leute berührt. «Ich glaube, die meisten Leute bevorzugen einen Segen von einem Menschen», sagt er. Das zeigen die verschiedenen Reaktionen der Kirchengänger: «Es gibt Leute, die den Roboter interessant finden, andere finden ihn unheimlich.» Besonders Kinder zeigen sich vom Roboter beeindruckt.

Der Roboter soll auch die Diskussion anstossen, inwiefern sich Kirche und Digitalisierung kombinieren lassen. Dass ein Roboter in naher Zukunft nicht nur segnet, sondern auch predigt, glaubt Terdenge nicht: «Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein Roboter einen Gottesdienst leitet.»

Spenden per Handy im Gottesdienst

In der Seelsorge sieht Jürgen Terdenge kaum Möglichkeiten neue Technologien einzubauen, in der Organisation jedoch schon. Seit kurzem können Besucherinnen und Besucher nach dem Gottesdienst auch per Twint etwas zur Kollekte beitragen. Anfangs hätten besonders die jüngeren Leute geschmunzelt. Das Experiment hat sich gemäss dem Pfarrer jedoch gelohnt: «So gut war die Kollekte schon lange nicht mehr.»

Radio SRF 1, 29.10.2020, 16.15 Uhr

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