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Nachhaltiger Kleiderschrank «Nach der Trennung von Zara hatte ich ein gebrochenes Herz»

Im Schrank stecken viele Emotionen und geplatzte Träume, sagt Stylistin Tanja Stöcklin-Erskine, die Menschen auf dem Weg zum nachhaltigen Kleiderschrank begleitet. Sie selbst hat der Black Friday weg von schneller, hin zur fairer Mode gebracht. Diese muss Norm werden, ist sie heute überzeugt.

Tanja Stöcklin-Erskine

Tanja Stöcklin-Erskine

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Tanja Stöcklin-Erskine ist Stylistin und möchte nachhaltige Mode zur Norm machen. Früher war sie Regionalleiterin für Visual Merchandising bei Zara. Heute will sie Menschen helfen ihren Kleiderschrank nachhaltiger zu gestalten und hat vor bald zwei Jahren ihren eigenen Secondhand-Laden in Lenzburg eröffnet.

Tanjas Schrankberatungen beginnen immer mit der Frage «Wer bin ich?». Ohne zu schummeln sollen sich ihre Kund:innen überlegen, welche Umstände ihres Lebens ihre Kleidung beeinflussen, worin sie sich wohl fühlen, was wirklich zu ihnen passt. Und doch schummeln viele.

Wenn man zu viel im Schrank hat, das einem nichts bedeutet, kauft man nur zusätzliche Dinge, die einem nichts bedeuten.
Autor: Tanja Stöcklin-Erskine Stylistin für nachhaltige Kleider

Sie erzählen ihr nicht wer sie sind, sondern wer sie gerne wären. Ziehen Kleider aus dem Schrank, die sie gerne tragen würden, es aber doch nie tun. Einen geplatzten Business-Traum in Form eines Armani-Anzugs zum Beispiel. Wer sich nicht kennt riskiert Fehlkäufe, hat Mühe nachhaltig einzukaufen.

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Detailansicht einer jungen Frau mit Hund im Arm.
Legende: Tanja legt Wert auf Details. Ob Inneneinrichtung, Hundehalsband oder Lippenstift, Tanja liebt Ästhetik und Details. Am liebsten in Kombination mit Nachhaltigkeit. Tanja Stöcklin

Tanja schaut vom Hundehalsband zur Inneneinrichtung überall auf Ästhetik. Das war schon als Kind so. «Ich habe ein sehr gutes Verständnis davon, wer ich bin und was zu mir passt ». Minimalismus, der im Zusammenhang mit nachhaltiger Mode häufig propagiert wird, ist nichts für sie - sie sei ein Style-Chamäleon. Vielfalt und Nachhaltigkeit schliesse sich jedoch nicht aus.

Ich habe Mühe mit Ausmisten. Weil ich dann denke: Was, wenn das Kleid kein Zuhause mehr findet?
Autor: Tanja Stöcklin-Erskine Stylistin für nachhaltige Kleider

Die 31-jährige kauft heute praktisch nur noch secondhand ein, sucht manchmal wochenlang nach dem gewünschten Teil. Das steigert auch die Wertschätzung, die Beziehung zu den Kleidern, die sie heute hegt und pflegt, repariert und umfunktioniert. Das war nicht immer so.

Tanjas Tipps für einen nachhaltigeren Kleiderschrank

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  • Frage dich selbst (ehrlich!): Wer bin ich wirklich im Moment und welche Umstände beeinflussen meine Garderobe?
  • Stelle 20 Kleidungsstücke zusammen, in denen du dich IMMER wohl fühlst, auf die du zurückgreifst, wenn es schnell gehen muss. Diese Basis hilft dir, um passende neue Kleider auszuwählen.
  • Frage weiter: Wann und warum kaufe ich ein? Wer sich immer bei Stress ein neues Kleidungsstück gönnt, sollte diese Gewohnheit überdenken.
  • WARTEN vor dem Ausmisten. Wenn du aus Frust ausmistest, kaufst du womöglich gleich wieder dasselbe.
  • Gib deinem alten Kleidungsstück eine zweite Chance. Hänge es z.B. zuvorderst in den Schrank! Wenn du es nach einer Weile immernoch ignorierst, darf es raus.
  • WARTEN vor dem Einkaufen. Widerstehe dem Kaufreflex. Die Glückshormone halten nicht lange an. Wenn du das Stück nach 3 Tagen schon vergessen hast, brauchst du es sicher nicht.
  • Probiere Secondhand-Läden oder lass deine Lieblingsteile reparieren. Vielleicht mit einer originellen Ergänzung?
  • Lass dich beraten und finde raus, welche Farben, welcher Stil wirklich zu dir passt. So weisst du auch, warum du die orange Bluse nie trägst.

Wer Tanja früher traf, traf immer auch ein neues Outfit. Immer standen Zuhause Säcke mit Ware rum, die sie noch nicht getragen hatte. Vielleicht falle es manchen auch deshalb noch schwer, ihr die 'neue' Tanja abzunehmen: «Das Umfeld braucht lange, bis es seine Meinung von dir ändert. Damit hatte ich zu kämpfen».

Junge Frau steht auf Platz
Legende: Jedes Stück in Szene gesetzt Heute kauft Tanja fast nur noch Secondhand Tanja Stöcklin

Mit 19 flog Tanja aus. Nach Brighton, wo sie bei Zara an der Kasse begann. Die Verkaufsstrategien des Konzerns faszinierten sie. Regnete es am Nachmittag wurden die Sommerblüsli ruckzuck durch Regenschirme ersetzt. Zurück in der Schweiz war sie für das Visual Merchandising der Damenabteilung von über 10 Zara-Filialen verantwortlich. Erst hier wurde ihr das Ausmass des Konsums über die ganze Industrie bewusst. Als Regionalleiterin analysierte sie täglich Zahlen, das Unternehmen wollte jeden Tag eine Steigerung. Manche Produkte verschwanden nach vier Tagen im Lager - bis zum Sale, wo sie sofort ihren ganzen Wert verloren. Der Clinch in der jungen Frau wuchs.

Mein Jobwechsel war ein Identitätswechsel. Ich hatte mich völlig in die Firma investiert, war das Zara-Vorzeigekind.
Autor: Tanja Stöcklin-Erskine Stylistin für nachhaltige Kleider

Es war der Black Friday 2017. Die Verkaufszahlen hatten alles übertroffen, was je erreicht wurde. Alle jubelten, feierten, doch Tanja fühlte sich nur noch traurig. Niemand braucht so viele Kleider, dachte sie. Was folgte war hart, fühlte sich an wie eine Trennung. Ihr Partner, die Firma passte nicht mehr zu ihr. Nach einem radikalen Schnitt und einer Auszeit, entschied sie ihre alte Liebe zu Fashion und die neugewonnene zu Nachhaltigkeit zu kombinieren. Diesen Weg gedenkt sie nicht mehr zu verlassen.

Mehr zu Tanja und ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit im Kleiderschrank erfährst du jetzt im «Input».

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