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Radio SRF 1 «Unsere Dialekte werden nicht aussterben»

Mundart ist im Trend – auch auf Radio SRF 1. Die Stimme dazu ist SRF-Mundartexperte Markus Gasser. Der 49-jährige Sprachwissenschaftler spricht über seine liebsten Dialektwörter und erklärt, warum unsere Dialekte trotz Globalisierung und Smartphone nicht vom Aussterben bedroht sind.

Mundart auf SRF 1

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  • Neu beantwortet Radio SRF 1 jeden Vormittag um 09.40 Uhr Fragen rund um Familiennamen und Dialektausdrücke.
  • Die Mundartsendung «Schnabelweid» widmet sich künftig einem ausgewählten Sprachthema noch ausführlicher.
  • Im Namenslexikon erfahren Sie mehr über Ihren Namen.

Markus Gasser, was fasziniert Sie an der Mundart?

Die Vielfalt der Klänge und Ausdrucksweisen, die alle mit derselben deutschen Sprache möglich sind. Man kann als Verstärkungswort einfach «sehr» brauchen: «Das ist sehr schön.» Der Luzerner sagt aber «rüdig schön», der Ostschweizer «choge schöö», der Berner «huere schön», der Basler «käibe schön», der Jugendliche «mega schön» oder «voll schön».

Haben Sie ein Lieblings-Dialektwort?

Ich mag bildhafte Wörter wie «Hundsverlochete». Oder Wörter, die nach etwas riechen. Dazu gehören für mich zum Beispiel «ölele», «fischele» oder «säichele». Die Schweizer Dialekte sind hier unglaublich kreativ. Ich kann fast jedes Substantiv nehmen, ein «ele» anhängen und schon steigt es mir in die Nase.

Haben Sie einen Lieblingsdialekt?

Ich höre jedem Dialekt gerne zu. Die Abwechslung macht mir Freude. Besonders toll ist es, wenn ich einen Dialekt entdecke, den ich noch nicht so gekannt habe. Ich mag Dialekte, die für mich exotisch klingen: Wallis, Fribourg oder Bosco Gurin, ein fast ausgestorbener Walserdialekt aus dem einzigen deutschsprachigen Dorf im Tessin.

Es gibt immer wieder Stimmen, die behaupten, unsere Dialektvielfalt sei in Gefahr. Sterben die Schweizer Dialekte aus?

Ganz und gar nicht. Mundart boomt, Mundart ist cool. Im Gegensatz zu Deutschland haftete den Dialekten in der Schweiz nie Stallgeruch und mangelnde Bildung an. Der Dialekt ist die unangefochtene Umgangssprache in der Deutschschweiz. Das gilt auch für Zuzüger. Ausserdem hat sich die Mundart auch neue Domänen erobert: Viele schreiben heute SMS und E-Mails in Dialekt.

Woher kommt denn diese Angst?

Es sieht so aus, als würde die Globalisierung alles Regionale zerstören: die kleinen Wirtschaftsbetriebe, die frühere kleinräumige Struktur der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft. Da befürchtet man, dass auch die Dialekte verloren gehen. Ausserdem machen Veränderungen den Menschen generell Angst. Und unsere Dialekte sind ständig im Wandel. Die Sprache nimmt Neues auf, um weiterhin für jedes Gespräch tauglich zu sein.

Zum Beispiel?

Die ganze Welt des Internets und der neuen Medien ist für die meisten Menschen Alltagswortschatz geworden. Umgekehrt stirbt die Generation, die noch den Wortschatz der Landwirtschaft und des Handwerks kannte, langsam aus. Das ist der Preis, den wir für eine lebendige Sprache bezahlen, mit der wir die Gegenwart beschreiben können.

Werden Sie als Mundart-Liebhaber nie wehmütig, wenn Sie sehen, wie Dialektwörter aus der Mode geraten?

Klar tut es mir leid für all die schönen Wörter, die die Jungen nicht mehr gebrauchen. Meine Kinder sagen auch mal «deshalb» statt «drum» oder «Träppe» statt «Stäge». Dann mache ich sie darauf aufmerksam, dass es hochdeutsche Wörter sind, die sie in den Dialekt einflechten. Prompt kommt dann aber auch die Retourkutsche, wenn ich dem Dialekt mal «untreu» werde. Aber das reicht mir schon: Ich will die Aufmerksamkeit meiner Kinder auf die Sprache lenken, die sie sprechen. Sie sollen die Vielfalt erkennen und schätzen lernen.

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