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SRF 3 Sommer Die Konzert-Tipps vom «Black Music Special»-Macher Pablo Vögtli

«Black Music Special»-Moderator Pablo Vögtli checkt die Auftritte. Und legt euch die Acts bzw. die Konzerte vom Openair Frauenfeld 2019 ans Herz. Oder: Warum du dir hier die Videos von Cardi B, Stormzy, Casper & Marteria, Nativ und KT Gorique reinziehen solltest.

Was macht eine gute Festivalshow aus? Für «Black Music Special»-Moderator Pablo Vögtli sind es drei Faktoren: Klingt der Act stimmlich ähnlich gut wie auf den Aufnahmen? Wie haucht er den Studiosongs auf der Bühne neues Leben ein? Wie interagiert er mit dem Publikum? Der Live-Check vom Openair Frauenfeld 2019.

Cardi B - die Superstar-Rapperin

Cardi B - Konzert vom Openair Frauenfeld 2019
Vom 13.07.2019.

Die US-Amerikanerin hat während ihrer laufenden Tour ihre Gagen auf ihren Social-Media-Kanälen veröffentlicht, machte damit den Veranstaltern die Hölle heiss und postete am Vortag ihres Gigs in Frauenfeld 2019 Instagram-Storys, in denen sie ihre Erkältung monierte und so für Spekulationen sorgte: Kommt sie jetzt überhaupt? Veranstalter und Publikum atmeten kollektiv auf, als die Rapperin aus der Bronx in einer klassisch amerikanischen, sprich überproduzierten, Show die Bühne einnahm. Und sie war gut.

Technisch eine äusserst gewandte Rapperin, liess Cardi grossartige Live-Skills aufblitzen, (dazu gehört auch, dass ihre markante Stimme unverkennbar über das Festivalgelände hallt). Gegen Ende der Show liess sie dann die Playback-Vocals ein wenig den Job machen (was heutzutage gang und gäbe ist, sodass man sich als Rap-Afficionado freut, wenn wenigstens die halbe Show 100% live ist).

Fazit: Die Hits wurden gespielt, die Superstar-Aura aufgefahren und es wurde mit dem Pubikum interagiert: Openair Frauenfeld Headliner-Job solid erledigt.

Stormzy - der Rap-Überflieger aus London

Stormzy - Konzert vom Openair Frauenfeld 2019
Vom 12.07.2019.

Er hat Ed Sheeran auf seinem Speed-Dial und schafft es dennoch, den Respekt der Szene aufrecht zu erhalten. Stormzy balanciert Grime und Pop und treibt den UK-Rap in unerwartete Erfolgshöhen.

Auf der Bühne kommen seine Sozialisierung und Bühnenerfahrung zum Ausdruck: Alleine - ohne Back-Up MC (ausser seinem DJ, der ab und an eine Endung übernimmt), Tänzer oder irgendeine Form von Bühnenshow - liefert er 2019 die wohl beste Einzelleistung am Openair Frauenfeld ab: Schweissüberströmt zeigt Stormzy, was eine «echte» Rapshow sein kann, wenn denn der MC sein Handwerk beherrscht.

Fazit: Ohne Playback-Einsatz in den Strophen, mit viel Interaktion mit einer potentiell nachmittäglich verschlafenen Crowd, die er zu Spitzenleistungen im Moshpit peitschte, alles mit echten Emotionen und massiver Verausgabung: 10/10 Punkte für diese Show.

Casper & Marteria gehören mit Jahrgang 1982 zu den ältesten Acts

Bei «den Jungen» sind die beiden Deutschen sicherlich nicht mehr so gefragt wie eine Cardi B oder ein Gunna. Dieses Handicap machen Casper & Marteria aber locker mehr denn wett, wenn man ihre Live-Skills betrachtet. Beide haben extrem ausgeprägte, ungewöhnliche Stimmen: Casper, der Schreihals und Marteria, die lebende Basswelle.

Solche Stimmen auf einer Festivalbühne live, laut und druckvoll (und über eine ganze Tour hinweg konstant) einzusetzen ist eine beneidenswerte Leistung - beide klingen live fast besser als auf Aufnahmen. So auch an der gemeinsamen Show am Openair Frauenfeld 2019: Auf einem schräg gestellten Bühnenelement, hinter dem unsichtbar ihre Band spielte, übertrafen sich die beiden deutschen MCs gegenseitig an Performance und Publikums-Interaktionen.

Honorable Erwähnung: Nach dem Konzert war für die beiden Stars keinesfalls «Backstage» oder «Hotel-Chillerei» angesagt. Sie schauten sich das letzte Konzert der Festivalausgabe 2019 von Trettmann inmitten des Publikums an. Ganz ohne Berührungsängste. 11/10 Punkten für diese Show.

Nativ - einer der besten Live-Acts des Schweizer Rap!

Der Mann mit der wuchtigen Stimme, die gefühlt doppelt so laut und präsent ist wie die so mancher MCs, weiss sie live gekonnt einzusetzen. Mit ihr treibt er die Masse regelrecht zu sportlich-kollektiven Schweissmomenten an, die es früher wohl nur an Punk- oder HC-Konzerten gab: Moshpits werden bei seinen Konzerten à gogo zelebriert und sein Publikum frisst ihm ab Sekunde eins aus der Hand (obschon erfahrene HC-Konzertgängerinnen und -gänger wohl ein wenig überrascht wären: Ein Rap-Moshpit ist etwas anders. Meist wird ein Kreis gebildet der auf Kommando gefüllt wird).

So ist auch diese Show gekennzeichnet von den animierenden Rufen von «4 ... 3 ... 4, 3, 2, 1». Nativ tanzt in seiner Musik frei zwischen modernen Trap-Produktionen und militant traditionalistischem Oldschool (Boombap Rap), flowt in beiden Stilrichtungen exzellent und transportiert die Energie, die hinter seinen Liedern steht, ohne Umwege in die zentralen Nervensysteme seines Publikums.

Fazit: Nebst den zahlreichen Turn-Up-Situationen lässt Nativ auch ruhige Momente zu, packt seine sanftere Seite aus und beweist auf Tracks wie «Parisienne Vert» oder «Jorja Smith», dass er wirklich ein sehr vielfältiger MC ist. Eine phasenweise leicht schreihalsige aber exzellente Performance.

KT Gorique - ein Geschenk für den Schweizer Rap

Mühelos springt die Walliserin von Old-School-Beats auf Trap- oder Reggaeinstrumentals, wechselt Flows wie ich meine Socken und übertrifft mit ihren Live-Fähigkeiten so manch grosse, internationale Acts, die auf dem Festivalplakat in fünfmal grösserer Schrift stehen.

Gemeinsam mit ihrem Back-Up MC Tutur und ihrer Liveband reisst sie Bühnen von Québec bis Frauenfeld ein und zeigte auch bei der 2019-Show am Openair Frauenfeld, was für eine unglaubliche Bühnenpräsenz und Stimmkontrolle sie hat.

Fazit: KT Gorique wuchs definitiv in der Ära auf, in der Liveskills die wertvollste Währung einer Rapperin waren - das merkt jeder Mensch, der dieses Skill-beladene Energiebündel auf der Bühne sieht. Die Sprachbarriere zwischen dem primär Deutschschweizer Publikum und der französischsprechenden Rapperin wurde mit Energie, Humor und undiskutierbarer Live-Qualität aufgehoben.

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