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Digital am Sonntag Digital am Sonntag, Nr. 64: Langeweile und Neutralität

Das Thema dieses Wochenende: Netzneutralität. Ein kompliziertes und langweiliges Thema und darum bestimmt nicht für Humor geeignet.

Auch John Oliver findet «net neutrality» langweilig.

The only two words that promise more boredom in the English language are «featuring Sting».

In seiner neuen News-Satire-Show «Last Week Tonight» machte der Ex-«Daily Show»-Komiker Netzneutralität zum Thema, obwohl es sich nicht gerade für Komik anbietet.

Er schlägt stattdessen vor, einen anderen Begriff zu wählen, der die Situation in den USA besser beschreibe: «cable company fuckery». Das Stück ist sehenswert:

Netzneutralität ist im Grunde eine einfache Forderung: Jegliche Art von Daten soll gleich behandelt werden. Nichts soll bevorzugt transportiert oder benachteiligt werden.

Zweiklassen-Internet oder Verursacherprinzip

Befürworter dieses Prinzips argumentieren, dass nur so kleine Startups im Internet gegen grosse Unternehmen eine Chance haben: Weil es sich Kleine eben nicht leisten könnten, für bevorzugte, schnellere Behandlung zu bezahlen. Damit ein Zweiklassen-Internet verhindert werden könne, müsse Netzneutralität als Prinzip gesetzlich verankert werden.

Gegner des Prinzips hingegen argumentieren in der Regel, dass jetzt schon Daten unterschiedlich behandelt werden müssen, um einen möglichst guten Service für alle zu gewährleisten. Und dass nicht alle Dienste gleich viel Daten erzeugen und damit die Netze ganz unterschiedlich belasten. Sie wollen die Grossen zur Kasse bitten.

Das Argument sieht zunächst nach fairem Verursacherprinzip aus. Doch im Extrembeispiel zeigt sich schnell die Problematik: Comcast, ein US-amerikanischer Kabelbetreiber, drosselte den Datenstrom des TV-Streaming-Dienstes Netflix solange, bis Netflix sich schliesslich beugte und für bessere Geschwindigkeit bezahlte.

«Cable company fuckery»

In den USA ist solches Verhalten brisant, weil die grossen Kabelbetreiber wie Comcast oder Time Warner Cable vielerorts praktisch ein Monopol halten. Kunden, die wegen schlechter Netflix-Performance unzufrieden waren, hätten also nicht ohne weiteres auf einen anderen Internet-Anbieter ausweichen können.

Ausserdem hat Comcast nach dem Kauf von NBC Universal ein sehr klares Interesse daran, Netflix zu behindern. Denn letztere sind eine starke Konkurrenz für klassisches Network-TV wie eben NBC. Dazu besitzt Comcast einen Anteil am direkten Netflix-Konkurrenten Hulu.

Diese skandalöse Situation in den USA lässt sich allerdings nur bedingt auf die Schweiz oder Deutschland übertragen. Wie komplex die Diskussion schnell wird, beschreibt beispielsweise Stefan Krempl bei Heise, der eine Anhörung von Experten vor dem deutschen Bundestag zusammenfasst:

Bei einer Anhörung im Bundestag zum offenen Internet redeten die Experten viel aneinander vorbei und widersprachen sich grundsätzlich: Für die einen fördern «Spezialdienste» die Demokratie, für die anderen das klassische Netz.

Auch in der Schweiz macht die Politik seit letztem Jahr zaghafte erste Gehversuche im Thema. Stellvertretend sei hier die Forderung der Aktivisten der Digitalen Gesellschaft verlinkt. Auch wenn diese grundsätzlich Netzneutralität fordern, anerkennen sie gewisse Notwendigkeiten:

Gesetzlich verankert werden muss […] der Grundsatz, dass eine Diskriminierung verboten ist. Wo technisch heute noch notwendig – aufgrund schmalbandiger letzter Meile und Überbuchung durch TV & Internet – kann eine Priorisierung noch ausnahmsweise sinnvoll sein.

Aktivismus dank Comedy

Der feurige Aufruf von John Oliver jedenfalls verfing. Nicht nur wurde das obige Video bisher über 2,3 Millionen mal gesehen. Sondern die Behörde FCC erhielt tatsächlich so viele Kommentare, dass ihr System für einen Weile unter der unerwarteten Last zusammenbrach. Aktuell sind es über 46'000.

Ob Oliver damit die Debatte um Netzneutralität in den USA nachhaltig beeinflusst hat, wird sich erst noch zeigen müssen. Zumindest hat er bewiesen, dass man auch aus sehr trockenen Themen gute Unterhaltung machen kann.

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