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Games Review: «Hearthstone: Heroes of Warcraft»

Das Sammelkarten-Spiel mit dem sperrigen Titel ist ein sehr gut ausbalanciertes, vereinfachtes Sammelkarten-Spiel, angesiedelt in der «World of Warcraft». Es ist «free to play», aber im Gegensatz zu anderen Vertretern dieses Genres nervt das Businessmodell nicht.

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Der Game-Tipp zu «Hearthstone» (SRF 3)
06:58 min
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 58 Sekunden.

Es hat eine Weile gedauert, bis mich «Hearthstone» in seinen Bann gezogen hat.

Denn nach meinen ersten Kontakten mit dem Spiel liess es mich recht gleichgültig zurück.

Es schien sich ein Berg Arbeit aufzutürmen. Viele Karten waren freizuschalten und zu sammeln. Und das immer in der Gewissheit, dass jemand anders mehr Zeit investiert, dann die besseren Karten in der Hand hat und so immer etwas überlegen bleiben wird. Das machte keine Lust.

Doch ich kehrte trotzdem immer wieder zurück für ein Spielchen, insbesondere als die iPad-Version erschien. Und nach einer Weile stellten sich erste Erfolgserlebnisse ein: Ich fand seltene Karten, die neue Strategien eröffneten. Ich begann, Karten geschickter zu kombinieren und ihre Eigenheiten besser zu verstehen. Ich errang erste knappe Siege in spektakulären Kämpfen.

Und so senkte «Hearthstone» seine Krallen in mein Fleisch.

Zweikämpfe und Karten sammeln

«Hearthstone» ist ein Sammelkarten-Spiel. Wir haben dreissig Karten im Deck, einige davon in der Hand. Wir spielen sie aus, um Zauber zu sprechen oder Wölfe und Ritter (sog. «Diener») zu beschwören, die für uns kämpfen. Ziel ist es, die dreissig Lebenspunkte des gegnerischen Helden (online verbundene Spieler) zu entfernen, bevor er oder sie das gleiche mit unseren tut.

Jäger, Krieger oder Magier auswählen, um zu kämpfen.
Legende: Die Auswahl des Helden und des passenden Decks. Screenshot

Unser Held gehört zu einer von neun «Klassen», die man aus «World of Warcraft» kennt, Priester, Jäger oder Magier beispielsweise. Je nach Klasse haben wir ganz andere Karten im Deck und dadurch eine völlig unterschiedliche Spielweise. Magier können mit einzelnen Zaubersprüchen viel Schaden anrichten und so dem Helden hart zusetzen oder gleich mehrere Diener auf einen Schlag wegfegen. Priester heilen oder klauen sich gar ein starkes Monster des Gegners.

Wie üblich bei solchen Spielen ist der eigentliche Wettkampf nur die Hälfte des Spiels. Das Zusammenstellen des Decks, also das Zurechtlegen einer Strategie, ist ebenso wichtig. Welche der Klassen-spezifischen Karten passen zu meiner Spielweise? Wie ergänze ich die gewinnbringend mit allgemeinen Karten? Habe ich genug günstige Karten, um gut in ein Spiel zu kommen? Habe ich dann auch genug starke Karten, um es zu Ende zu bringen?

Vereinfachte Ressourcen-Mechanik

Was «Hearthstone» von anderen Sammelkarten-Spielen unterschiedet, ist die Konzentration auf das Wesentliche. Das zeigt sich am klarsten im Mechanismus, mit dem Ressourcen aufgebaut werden. Wenn auf einer Karte steht, dass sie neun «Mana» kostet, müssen wir diese erst haben, um sie ausspielen zu können. Wenn wir also nur zwei Mana haben, können wir die starke Karte noch nicht ausspielen.

Links die gesammelten Karten, rechts die Auswahl für ein Jäger-Deck.
Legende: Ein Deck aus dreissig Karten zusammenstellen. Screenshot

In den meisten Sammelkarten-Spielen ist das Beschaffen der Ressourcen komplex. In der Grossmutter des Genres, «Magic: The Gathering», muss man dafür zunächst Länder-Karten ausspielen. Diese können dann gedreht werden, um Mana zu erhalten und damit neue Karten auszuspielen. Ob Spieler genug Ressourcen zur Verfügung haben, hängt hier also auch davon ab, ob sie genug Länder-Karten in ihrem Deck haben und ob sie diese dann auch ziehen.

«Hearthstone» vereinfacht dieses Prinzip stark: Im ersten Zug haben wir einen Mana-Kristall zur Verfügung, im zweiten zwei und im zehnten ist das Maximum von zehn erreicht. Die Folge davon ist, dass Spiele gleich schön los gehen, weil wir nicht zuerst langsam Ressourcen aufbauen müssen.

Kurze Partien

Zudem sind einzelne Partien recht kurz, zwischen zehn und zwanzig Minuten. Das ist nicht nur gut für Gelegenheitsspieler oder das berühmte «Nur noch eines!»-Spiel morgens um vier.

Service Public: Aussprache

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«Hearth» bedeutet «Herd», die Wörter sind verwandt. Auch präziser: die Steinplatte einer Feuerstelle. Oder übertragen: als Symbol für das Heim. Amerikaner sprechen es «ha:rth» aus, mit hörbarem «r» und kurzem «a», wie auch «heart». Die Briten verschlucken das «r» und verlängern das «a» zu «ha:th». Falsch wäre, es wie «earth» auszusprechen.

Sondern es fördert auch das Zusammenstellen eines guten Decks. Denn um zu wissen, ob die Änderungen mein Deck wirklich verbessert haben, muss ich es ausprobieren. Und das geht besser, wenn die Probe-Partie schnell vorbei ist.

Wenn Hersteller Blizzard etwas kann, dann ist es ausbalancieren. Das ist wichtig für ein Sammelkarten-Spiel, denn wir dürfen eben nicht das Gefühl erhalten, der Gegner habe nur gewonnen, weil er eine seltene Karte besitzt, die viel stärker ist als unsere.

Sehr gute Balance

Und diese Balance ist nach einer langen Beta-Phase sehr gut gelungen. Ich hatte in vielen, vielen Stunden vielleicht in ein, zwei Partien das Gefühl, von einer unfair übermächtigen Karte überwältig worden zu sein. In den allermeisten Partien dagegen war immer Strategie und Kartenglück entscheidend, nicht der Besitz einer einzelnen Karte.

Der Gegner explodiert.
Legende: Auch FrostyWind durfte den Eishauch meiner Magierin spüren. Screenshot

Ich habe sehr viele Partien erlebt, die sehr knapp ausgingen, in denen der Verlierer im nächsten Zug gewonnen hätte. Das zeigt, dass es Blizzard sehr gut gelingt, aufgrund unserer Spielerfahrung gleichwertige Gegner zu finden. Denn wir spielen bis auf ein paar Übungspartien zu Beginn immer online gegen echte Gegner. Wären die immer viel stärker, würde wohl auch den Härtesten bald die Lust vergehen. Dank dem guten «Matchmaking» hatte ich jedoch immer das Gefühl, gefordert zu werden, aber eine Chance zu haben.

Je mehr wir spielen, desto besser kennen wir die verschiedenen Klassen und ihre speziellen Fähigkeiten. Wir lernen, wie wir starke Karten kontern. Von jeder Karte dürfen maximal zwei in einem Deck sein, bei «legendären», also besonders starken nur eine. Deshalb können wir auch versuchen, den Gegner zu verleiten, starke Karten zu früh zu spielen – vergleichbar mit «Trümpfe ziehen» beim Jassen.

Dieses Lernen wird ausserdem unterstützt von einer grossen Community, von Wikis oder Spielern, die ihre Partien live streamen und erläutern. Weil es laut Blizzard in etwas mehr als zwei Monaten schon 10 Millionen registrierte Spieler gibt, ist man mit einer Frage nie allein.

Sanft verführen statt grob zwingen

«Hearthstone» ist ein «Free to play»-Spiel. Wir können es spielen, ohne je Geld auszugeben. Ausserdem haben wir im Spiel die Möglichkeit, Geld auszugeben: Wir können eine Packung mit fünf neuen Karten kaufen, so wie man das auch von nicht-digitalen Sammelkarten-Spielen aus Karton kennt.

Man kauft diese Packungen mit Gold (100 Gold pro Packung), welches man auch im Spiel durch Gewinnen und Erledigen von «Quests» («Gewinne zweimal mit Magier oder Schamane», «Zerstöre 40 Diener») verdienen kann. Oder, wenn man die Geduld nicht hat, direkt für Franken (3.- für zwei Packungen, bis 48.- für vierzig).

Nie zwingt uns das Spiel, das zu tun. Nie stellt es uns künstliche Hürden in den Weg. Stattdessen verführt es uns sanft, doch auch mal eine Packung zu kaufen. Und belohnt uns dann mit einem eigens gestalteten Interface, wo wir die Karten «auspacken», mit viel Spannung und Effekten. Blizzard weiss, was den Reiz von Sammelkarten-Spielen ausmacht.

7 Packungen mit je 5 Karten kosten 10 Franken.
Legende: Haben wir keine Geduld, können wir Karten auch für echtes Geld kaufen. Screenshot

Natürlich ist der klassische Vorwurf von «Pay to win» auch hier nicht völlig zu entkräften. Wer sehr viel Geld ausgibt, wird früher stärkere Karten in der Sammlung haben. Doch in den Partien habe ich davon nie etwas gemerkt. Ich wurde meist in Kämpfe gegen Gleichstarke geschickt. Und eine einzelne Karte entscheidet keine Partie.

Bereits angekündigt ist eine Erweiterung, wo wir in der aus «World of Warcraft» bekannten Pyramide Naxxramas nicht nur gegen Online-Spieler, sondern auch gegen vom Computer gesteuerte Monster antreten können. Die Belohnung dafür sind neue Karten. Den Zugang zu diesen Monstern wird man ebenfalls entweder mit Gold oder Geld bezahlen können.

Im Gegensatz zu vielen anderen «Free to play»-Spielen scheint mir dieses System fair zu sein. Es basiert nicht auf Zwängerei. Wir erhalten einen fairen Gegenwert für unser Geld. Und die Menge Geld, die jemand in das Spiel steckt, beeinflusst das Spielgefühl für die anderen nicht wesentlich.

«Hearthstone» ist ein wirklich hervorragendes Sammelkarten-Spiel. Umso besser, dass es vom Businessmodell dahinter nicht geschmälert wird.

«Hearthstone: Heroes of Warcraft» ist für PC, Mac und iPad (Android soll «später» folgen). Es ist ab 7. Das Haikiew ist hier.

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