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Games Review: «Overwatch»

«Overwatch» ist ein knallbuntes, taktisches Spass-Schiessspiel mit dem Hauptfokus auf gutem Teamwork und 21 grossartig gestalteten Helden. Es erobert im Moment das Herz von Millionen Spielern im Sturm – auch das dieses Game-Kritikers.

Hach, wie lange habe ich auf ein Spiel wie «Overwatch» gewartet!

Endlich dürfen wir mal mit anderen Figuren herumballern als dem bierernsten, graugrünen, völlig austauschbaren Supersoldaten!

Endlich ein Spielsystem, das taktisch und mechanisch komplex ist, aber nicht auf unendliches Freischalten minimaler Vorteile und Waffenzubehör setzt!

Seine Kanone schiesst Schallwellen.
Legende: Support 1: Lúcio Der DJ beschleunigt oder heilt sein Team – mit Musik! Blizzard

Endlich ein taktisches 6-gegen-6-Schiessspiel, bei dem gute Zusammenarbeit im Team wichtiger ist als schnelle Reflexe!

Deshalb spielen, träumen, atmen sieben Millionen und ich zurzeit nur «Overwatch». Deshalb hat das Spiel eingeschlagen wie eine Bombe. Natürlich, könnte man sagen, schliesslich steckt Blizzard dahinter. Doch deren Grosserfolge «World of Warcraft», «Starcraft», «Diablo» oder «Hearthstone» haben wenig bis nichts mit Schiessspielen zu tun – dass «Overwatch» so gut ist, ist also trotzdem überraschend.

So viele unterschiedliche Spielstile

Das Beste des Spiels sind die Helden. Ganze 21 gibt es, knallbunt fantasievoll sind sie – und alle kämpfen auf eine ganze eigene Art und Weise. Nur Soldier 76 tut ungefähr das, was man auch aus anderen Schiessspielen kennt. Neben ihm kämpfen Tracer, eine junge Dame, die sich per Knopfdruck einige Meter in Laufrichtung teleportieren oder gar ihre Zeit einige Sekunden zurückspulen kann; sie ist schnell, unberechenbar, schwer zu treffen. Oder der Gorilla Winston, der Brille trägt, Ingenieur ist, mit einer Teslakanone Blitze wirft und seine Teamgefährten per Schutzschild vor gegnerischen Angriffen abschirmt.

Cyber-Ninja Genji schwingt sein Schwert.
Legende: Offensiv 1: Genji Wurfsterne, Kugeln reflektieren, mit Doppel- und Wandsprung sehr mobil: Kontert und flankiert Distanz-Schützen. Blizzard

Oder Junkrat, der Granaten wirft und Minen legt und mit einem explodierenden Reifen im gegnerischen Team Panik auslöst. Oder die gut eingemümmelte Mei, die mit ihrem Eisstrahl Gegner an Ort und Stelle einfriert oder ihrem Team hinter einer Eismauer Schutz bietet. Oder der Rollschuh-DJ Lúcio, der mit seiner Musikkanone die Teammitglieder entweder heilt oder schneller laufen lässt. Und auch mal fies einen Gegner mit einer besonders wuchtigen Schallwelle in einen Abgrund schubst.

Damit sind noch nicht einmal ein Drittel aller verfügbaren Heldinnen und Helden aufgezählt. Und es ist schlicht grandios, wie abwechslungsreich sie sich spielen. Einige liegen mir persönlich nicht, weil ich entweder nicht schnell genug oder zu wenig präzise bin; doch langweilig fand ich keine einzige Figur.

Gutes Teamwork ist zentral

Sechs Spieler in einem Team wählen je einen Helden aus. Dabei ist eine gute Zusammensetzung entscheidend. Jemand sollte vorne hinstehen können und Angriffe der Gegner abwehren, ohne gleich umzufallen. Jemand sollte schnell über die Flanken Überraschungsangriffe fahren können. Jemand sollte aus dem Hintergrund die anderen unterstützen, sie heilen oder per Fernangriff Feuerschutz geben.

Audio
Der Game-Tipp zu «Overwatch» (SRF 3)
06:21 min
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 21 Sekunden.

Wie in einem hochkomplexen «Schere Stein Papier» hat jeder Held und jede Heldin gewisse Stärken, die von einem oder einer anderen gekontert werden. Zum Beispiel kann der Geschützturm des Kampfroboters Bastion, geschickt platziert, ein ganzes gegnerisches Team vernichten – doch der Cyber-Ninja Genji kann mit seiner Klinge die Kugeln reflektieren und Bastion mit seinen eigenen Waffen schlagen.

Das bedeutet auch, dass ein gutes Team nicht nur stur auf einer gut harmonierenden Zusammensetzung beharren darf – sondern flexibel auf Herausforderungen reagieren muss. Dazu können wir im laufenden Kampf jederzeit unseren Helden austauschen – und stattdessen einen wählen, der den Gegner überrascht und auskontert.

Das ist alles taktisch hochinteressant, denn auch die konkreten Aufgaben (bestimmte Punkte erobern oder verteidigen, ein Gefährt eskortieren oder angreifen) erfordern unterschiedliche Strategien.

Kein zähes Hocharbeiten

Durchgeknallter Blondschopf mit selbstgebastelter Beinprothese.
Legende: Defensiv 3: Junkrat Wirft Granaten, platziert Fallen und Minen. Kann aus der hinteren Reihe im gegnerischen Team Panik anrichten. Blizzard

Weil das genug Tiefe bringt, traut sich «Overwatch» etwas, das komplett aktuellen Gepflogenheiten widerspricht: Die Fähigkeiten der Helden bleiben immer gleich. Sie werden also im Gegensatz zu den meisten anderen Schiessspielen nicht stärker, je länger wir spielen. Zwar können wir in «Overwatch» auch Levels aufsteigen. Dafür erhalten wir aber nur kosmetische Verbesserungen: ein neues Kostüm, einen lustigen Satz, den die Figur spricht, eine Siegespose oder ein Graffiti, das wir im Spiel an Wände sprayen können.

Das unterstreicht die Design-Philosophie von «Overwatch»: Am wichtigsten ist gutes Teamwork. Und wer mehr Zeit in das Spiel steckt, wird dank dieses Trainings besser. Wir verbessern also uns, statt zusätzlich auch noch die Spielfigur. Das zähe «Hocharbeiten» der Helden kann uns gestohlen bleiben.

Anleihen bei «Team Fortress 2» und «World of Warcraft»

Grafisch fällt eine gewisse Nähe zum Valve-Klassiker «Team Fortress 2» auf. Nicht nur die knallig bunten Farben, die hellen Schlachtfelder und die Comic-Helden gefallen mir ausserordentlich. Auch das Sound-Design ist vom feinsten – wer gut hinhört, wird nicht von hinterrücks angreifenden Feinden oder besonders starken Spezialfähigkeiten überrascht.

Gut eingemümmelte Mei.
Legende: Defensiv 4: Mei Dank Eisblock kaum totzukriegen; verlangsamt per Eiskanone Gegner oder blockiert sie hinter einer Eiswand. Blizzard

Als langjähriger «World of Warcraft»-Spieler gefällt mir ausserdem, dass Blizzard einige Helden mit Fähigkeiten ausgestattet hat, die direkt aus dem Rollenspiel übernommen sind. So sind der oben erwähnte Eisblock von Mei oder das Teleportieren von Tracer Magier-Fähigkeiten in «World of Warcraft», die Tempo-Beschleunigung von Lúcio kennen wir von der Jäger-Klasse.

Es ist zu hoffen, dass sich Blizzard noch etwas mehr bei «World of Warcraft» bedient: Denn aktuell sind die Maps und Spielmodi von «Overwatch» zwar gelungen und bieten grossartige Unterhaltung, doch es geht immer um das gleiche: etwas erobern oder etwas eskortieren. Und auch die Schlachtfelder sind statisch, wir können allenfalls von Kanten geschubst werden. Hier muss Blizzard auf längere Sicht dringend neue Karten und Modi mit mehr Abwechslung und Fantasie nachliefern.

Und schliesslich sei noch erwähnt, dass «Overwatch» auf meinem PC alles andere als stabil läuft – zwischenzeitlich hatte ich in jedem Spiel einen Absturz. Mittlerweile konnte ich das Problem zwar minimieren, aber noch nicht beheben. Schaut man in die Foren, scheine ich zwar in der Minderheit, aber durchaus nicht allein zu sein.

Bei den meisten anderen Spielen hätte mir das den Spass verdorben. Doch nicht hier – so grossartig ist «Overwatch».

Memes! Cosplay! Fan-Art! Porn!

So zeigt nicht allein die beeindruckende Zahl von sieben Millionen Spielern eine Woche nach Verkaufsstart, wie gut «Overwatch» ankommt. Auch das Internet quillt über mit Memes, Cosplay, Fan-Art – und jeder Menge Porno.

Shiniest ass in video gaming.
Legende: Defensiv 6: Widowmaker Die tödliche Scharfschützin mit französischem Akzent. Kann durch Wände sehen und ein gegnerisches Team komplett exponieren. Blizzard

«Overwatch» enthält mehrere Elemente, die sich für Parodien und fantasievolle Weiterentwicklungen besonders gut eignen. So hat jeder Held eine «Ultimate»-Fähigkeit. Die lädt sich im Verlauf der Runde auf und kann, wird sie im genau richtigen Moment am richtigen Ort gezündet, verheerende Auswirkungen für das gegnerische Team haben. Und vielleicht gar das «Play of the Game» werden: Das ist ein Replay am Ende einer Runde, vom Spiel automatisch ausgewählt, das die spektakulärste Aktion eines Spielers zeigen soll. Wer es erhält, geniesst Glücksgefühl; wer nicht, ist enttäuscht oder neidisch. Grosse Emotionen, die dann Witz und Parodie gebären.

Und auch da sind die 21 Heldinnen und Helden wieder zentral. Schon während der ersten Beta (die noch nicht mal für alle offen war) stürzten sich die Fans massenhaft auf die phänomenal gut gestalteten Charaktere und bastelten, zeichneten, posierten drauflos – in einem Ausmass, wie ich das noch nie erlebt habe.

Es gibt Anzeichen, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen, dass Blizzard zumindest versucht, die von «Overwatch»-Figuren inspirierte Pornografie einzudämmen (ein zwar nachvollziehbarer, aber wohl aussichtsloser Kampf). Doch selbst die muss man als Kompliment sehen: Blizzard ist es gelungen, Charaktere zu gestalten, welche die Fantasie beflügeln.

«Overwatch» ist für Windows PC, Playstation 4 und Xbox One. Es ist ab 12.

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