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Games Review: «Uncharted 4: A Thief’s End»

Das vierte und letzte Abenteuer des Schatzsuchers Nathan Drake hat uns tief berührt. Es ist ebenso eine Piraten-Geschichte wie ein Kletter-Spiel. Und mehr als ein würdiger Abgang: «Uncharted 4» ist ein Meisterwerk.

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Der Game-Tipp zu «Uncharted 4» (SRF 3)
05:14 min
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 14 Sekunden.

Ich neige eigentlich nicht zu wilden Verschwörungstheorien. Doch in diesem Fall bin ich überzeugt: Entwickler Naughty Dog liest alles, was ich je im Internet geschrieben habe. Kennt meine Search History. Weiss, welche Bücher ich als Bub gelesen habe, wohin ich schon gereist bin. Und hat das nun alles verdichtet in «Uncharted 4: A Thief’s End» – dem perfekten Game für mich.

Zwei Schauplätze im Spiel (Schottland und Madagaskar) habe ich bereits im richtigen Leben bereist. Auch Nepal schon, einem Schauplatz von «Uncharted 2». Im Review damals forderte ich, statt den üblichen Bösewichten (Russen, Nordkoreaner, Zombie-Nazis) auch mal andere bekämpfen zu dürfen, beispielsweise südafrikanische Söldner. Zack, «Uncharted 4» erfüllt diesen Wunsch.

Ich liebe Piraten-Geschichten!

Vor allem aber ist «Uncharted 4» nicht nur eine Schatzsucher-, sondern eine Piraten-Geschichte. Dieses Mal geht es nicht um El Dorado wie im ersten Teil, nicht um Shangri-La, nicht um eine versunkene Wüstenstadt. Sondern darum, den grössten Piraten-Schatz aller Zeiten zu finden.

Vor einem versteckten Höhleneingang.
Legende: Die besten feucht-verwitterten Felsen. Screenshot SRF

Als ich das zu Beginn des Spiels begriff, machte mein Herz einen Sprung. Ich liebe Piraten-Geschichten! Schon von klein auf, seit mir meine Mutter «Die Schatzinsel» von Robert Louis Stevenson vorlas – die Erzählung, die wie keine andere unsere Vorstellung von Piraten prägte. Das Playmobil-Piratenschiff, ein Geschenk meines Grossvaters, war lange mein wertvollster Besitz. «The Goonies» ist eine meiner Lieblings-Abenteuer-Komödien für Kinder. Piraten-Geschichten haben einen besonderen Platz in meinem Herzen.

Und was ist das für eine! In «Uncharted 4» geht es um den Schatz des Henry Avery. Der «König der Piraten» soll auf Madagaskar das sagenumwobene Piraten-Utopia Libertalia gegründet haben. Nathan Drake macht sich zusammen mit seinem Bruder Sam auf, diesen grössten aller Schätze zu finden – um sich dann ein für alle mal zur Ruhe zu setzen.

Reuige Diebe und besessene Schatzsucher

Diese Geschichte holt mich mit allem ab, was Piraten-Geschichten so toll macht: eine Schnitzeljagd mit historischen Hinweisen und Karten, mit uralten Fallen und mystischen Maschinen im tropischen Insel-Urwald, im Wettlauf gegen fiese Rivalen. Doch die Geschichte enthält auch ungewöhnlich Elemente, Anspielungen auf «Heart of Darkness» beispielsweise. Oder den immer wiederkehrenden Heiligen Dismas – den Dieb, der neben Jesus gekreuzigt wurde und Reue zeigte.

Nate vor drei Statuen der Kreuzigung.
Legende: Links der reuige Dieb Sankt Dismas. Screenshot SRF

Reuige Diebe und besessene Schatzsucher – das ist das Kernthema dieser letzten Ausgabe der «Uncharted»-Serie. Naughty Dog hat unmissverständlich klar gemacht, kein weiteres Spiel mit Nathan Drake mehr folgen zu lassen. Deshalb war ich besonders gespannt, wie sie diese Serie zu Ende erzählen.

Gelungen ist dabei nicht weniger als ein Meisterwerk. Nicht nur, weil die Geschichte grossartig ist. Wegen des ominösen Untertitels «A Thief’s End» sitzt uns die Angst um die geliebte Figur Nathan Drake ständig im Nacken. Das Ende verrate ich natürlich nicht, nur dies: Ich halte es für einen der befriedigendsten Abschlüsse einer Serie überhaupt.

Technische Meisterleistung

Ausserdem ist «Uncharted 4» eine technische Meisterleistung. Insbesondere das Schauspiel der Figuren ist grossartig, das sonst in Games übliche «Uncanny Valley» tut sich hier nie auf.

Das Ehepaar auf dem Sofa. Er hat verloren, sie feixt.
Legende: Nathan und Elena spielen «Crash Bandicoot». Screenshot SRF

Ich habe schlicht noch nie so gutes Voice Acting gehört. Und vor allem noch nie so gutes Motion Capturing gesehen – natürlich wieder Nolan North in seiner wichtigsten Rolle, mit «The Last of Us»-Star Troy Baker als Bruder Sam. Wir sehen feinste Nuancen in den Gesichtern und Augen, die mit Leben gefüllt scheinen.

Im Gegensatz zu früheren «Uncharted»-Titeln sind die Zwischensequenzen nicht vorgerenderte Filmchen, sondern werden in Echtzeit von der selben Engine gerendert wie das Spiel auch. Das erlaubt dem Game einen absolut nahtlosen Übergang zwischen Abschnitten, in denen wir Kontrolle über Hauptfigur und Kamera haben, und solchen, in denen uns das Spiel diese entzieht. Was eine meisterhafte Dramaturgie ermöglicht, nie von Ladezeiten oder abrupten Sprüngen unterbrochen.

Schnee! Fahles Licht! Feuchtes Gestrüpp!
Legende: Atemberaubendes Schottland. Screenshot SRF

Wir können das Spiel jederzeit anhalten und in den Photomodus wechseln. Dort an Schärfe oder Sättigung des Standbildes herumschrauben und den Blickwinkel frei wählen. Praktisch für mich, um die Screenshots für dieses Review anzufertigen. Aber auch für euch, denn der Modus will, dass wir innehalten und die grossartige technische Leistung geniessen. Unglaublich dichte Vegetation, toll verwitterte Felsen, Regen, fahles Gegenlicht – das übertrifft alles, was je aus einer Konsole herausgekitzelt wurde.

Untermalt ist die Action von richtiger Piraten-Musik. Komponist Henry Jackman ist ein Zögling von Hans Zimmer, der ja für «Pirates of the Caribbean» definiert hat, was richtige Piraten-Film-Musik ist. Jackman hat beim zweiten und dritten Film mitgearbeitet und dort gelernt, wie so ein Soundtrack tönen muss: aufgeregte Violinen, Dschungel-Trommeln, anschwellend scharfe Bläser, mysteriöse Flöten. So hören wir nun das «Uncharted»-Thema von Greg Edmonson im neuen Piraten-Gewand (besonders schön zu hören in «A Thief’s End» oder «The Twelve Towers»).

Ein Kletter-Spiel

Besonders gefallen hat mir, dass «Uncharted 4» den Action-Teil von «Action-Adventure» recht zurückhaltend einsetzt. Director Neil Druckmann weiss seit «The Last of Us», dass spärlich gesetzte Action stärker wirkt als pausenlose Achterbahnfahrt.

Nate schwingt sich über schwindelerregende Abgründe.
Legende: Keine Höhenangst, der junge Mann. Screenshot SRF

So verbringen wir die meiste Zeit damit, unmögliche Türme oder Felswände hochzuklettern. Das Klettern funktioniert angenehm. Meist reicht es, mit dem linken Stick des Kontrollers eine Richtung vorzugeben – wir müssen also nicht endlos auf den «Springen»-Knopf drücken wie in anderen Spielen. Und es sieht grossartig aus, dank hervorragender Animationen des gestählten Körpers von Nathan. Und weil die Kamera immer automatisch einen möglichst spektakulären Blickwinkel findet, verspürte ich regelmässig meine Höhenangst im Bauch kribbeln.

Ebenfalls viel Zeit verbringen wir damit, Rätsel zu lösen; uralte Maschinen dazu zu bringen, eine Türe zu öffnen oder einen weiteren Hinweis auf den Schatz preiszugeben. Ob wir unter einem Friedhof in Schottland oder in einem Glockenturm auf Madagaskar sind: Jede Maschine hat eine neue Logik und ihren eigenen Stil. Wirklich schwierig sind die Rätsel nie, das im Game eingebaute Notizbuch von Nathan Drake und auch automatisch eingespielte Bemerkungen der Spielfiguren helfen uns meist schnell auf die Sprünge. Doch weil die Maschinen so toll gestaltet sind, haben wir immer das Gefühl, ganz alleine das Geheimnis einer Jahrhunderte alten Maschine zu lüften.

Der würdige Abschied von Nathan Drake

Und schliesslich werden diese zwar oft angespannten, aber doch eher leisen Abschnitte des Games von knalliger Action unterbrochen. Die zu Beginn erwähnten südafrikanischen Söldner stellen sich uns immer wieder in den Weg. Die Action ist dabei die abwechslungsreichste der ganzen «Uncharted»-Serie. Es gibt stark lineare, geskriptete Sequenzen wie eine wilde Auto-Verfolgungsjagd. Oder sehr offene Scharmützel. Dort können wir frei entscheiden, ob wir durch das hohe Gras schleichen und still und leise einen Bösewicht nach dem anderen unschädlich machen wollen – oder gleich lautstark mit Gewalt. Manchmal können wir gar dem Konflikt ganz ausweichen.

Nate und Sam vor einer verfallenen Stadt im Dschungel.
Legende: Bestaunt die Vegetation! Screenshot SRF

Diese Rhythmus-Wechsel zwischen Klettern, Rätseln und Schiessen geben «Uncharted 4» eine hervorragende Dramaturgie: Das Game ist ein Action-Abenteuer, das seine Geschichte zwar streng linear erzählt, sie aber so aufregend inszeniert, dass wir nie bemerken, wie stark uns das Spiel an der Hand nimmt.

Das ist die Perfektion der Formel von Naughty Dog, ein würdiger Abschied von Nathan Drake, ein Meisterwerk, das man ebenso spielen wie die «Schatzinsel» lesen muss. Als nach knapp 20 Stunden der Abspann lief, war ich tief berührt. Ich glaube gar, dass sich «Uncharted 4» in meinem Herzen einen ähnlichen Platz gesichert hat wie das Buch von Robert Louis Stevenson.

«Uncharted 4: A Thief’s End» ist für die Playstation 4. Es ist ab 16. Das Haikiew ist hier.

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