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SRF 3 Musiksommer Wenn eine ganze Stadt in ein Stadion passt

Aus dem ehemaligen Fussballstadion «Gurzelen» machen kreative Köpfe eine einzigartige Mischung aus Bandraum, Garten, Ateliers, Skate- und Tennisplatz.

Was tun, wenn ein einstiges Fussballstadion nicht mehr fürs Tschutten gebraucht wird? Einfach kreativ Umnützen und das in allen erdenklichen Facetten! «Gurzelen» in Biel ist ein Paradebeispiel, wie man in einer Stadt einen Mikrokosmos gestalten kann, der den Menschen Raum gibt, verschiedenen Faszinationen und Interessen auszuleben.

Wo früher gekickt wurde, wird heute gepflanzt

Verschiedene kreative Menschen machen aus dem alten Stadion ein Biel in Kleinformat. Von einem Fussballplatz hat es sich zu einem Begegnungsort für kreative Tätigkeiten und kulturelle Events entwickelt. Wo früher gekickt wurde, wird heute beispielsweise gekocht, geskatet, gerutscht, geprobt und auch fleissig gepflanzt.

Hier nur ein paar der wenigen Beispiele, was auf der «Gurzelen» kreiert wird:

Als ich hierhergekommen bin, bin ich aufgeblüht – quasi zusammen mit den Pflanzen.
Autor: Christian Garrard Gärtner auf dem Gurzelen
Gärtner Christian posiert im Beet
Legende: Eine Herzensangelegenheit Beim Gärtnern auf der Gurzelen geht Christian Garrard das Herz auf. SRF / Noelle Guidon

«langSAMEr» steht für solidarische Landwirtschaft und ist ein Betätigungsfeld für Menschen in belastenden Lebenssituationen. Christian Garrard ist einer der Personen hinter dem Projekt. Er ist selber IV-Bezüger und musste lange seinen Alltag in einem Atelier bewältigen. «Als ich hierher kam, da bin ich aufgeblüht – quasi zusammen mit den Pflanzen.»

Tofu aus Biel

Neben regionalem Gemüseanbau gibt es auch Platz für exotischeres. Beispielsweise wird künftig asiatischer Gaumenschmaus auf der «Gurzelen» produziert. «Hier wird in einem Strohhaus – ein nachwachsender Rohstoff mit guten Isolationseigenschaften – Tofu aus Biel produziert», erklärt Mathias Rutishauser, Vorstandsmitglied des Vereins «Terrain Gurzelen».

Tofuhäuschen aus Stroh und Beton von aussen
Legende: Vegetarier freuts In Zukunft wird hier Tofu regional angebaut und geerntet. SRF / Noelle Guidon

Eine Zwischennutzung ohne Grenzen

Der Fantasie sind laut Rutishauser keine Grenzen gesetzt. «Hier treffen zwei Welten aufeinander. Einerseits haben wir in der Nachbarschaft Weltmarken die in Millionenhöhe Neubauten errichten, andererseits haben wir die «Gurzelen», ein Do-it-Yourself-Zwischennutzungsprojekt. Das ist typisch Biel.»

Mathias Rutishauser posiert im Gurzelen
Legende: Er behält den Überblick Einer der kreativen Köpfe: Matthias Rutishauser ist im Vorstand des Vereins «Terrain Gurzelen». SRF / Noelle Guidon

Viel Bieler Liebe für die «Gurzelen»

Die Zwischennutzung findet grossen Anklang. Das Projekt, welches eigentlich bis 2019 bewilligt war, wurde bereits unbefristet verlängert. Die verschiedenen Projekte und Angebote stossen auf grosses Publikumsinteresse von Jung und Alt. Das zeigt: Die Bielerinnen und Bieler lieben ihre «Gurzelen». Deshalb funktionieren auch Projekte, an welchen sich alle beteiligen müssen. Wie zum Beispiel dieser Kleidertausch-Schrank hier, so Rutishauser.

Kleidertauschbörse im Schrank
Legende: Tauschen statt wegwerfen Die Kleidertausch-Ecke hinter der Tribüne SRF / Noelle Guidon

Gratis skaten und Tennis spielen

Getauscht wird von Schuhen in allen Grössen, über Kleider, Jacken bis hin zu Velohelmen alles. Wer Glück hat, findet auch mal ein altes Skateboard, das gleich nebenan zum Einsatz kommen kann. Denn es wäre ja ein Jammer. Wenn auf dem ehemaligen Fussball-Areal nicht auch ein wenig Sport zum Zug käme. «Wir haben hier die grösste Skate-Rampe im Kanton Bern», sagt Lars Sinniker, einer der drei Initianten der öffentlichen Skate-Anlage Gurzelen.

Wir haben hier die grösste Skate-Rampe im Kanton Bern.
Autor: Lars Sinniker Mitinitiant Skatepark Gurzelen

Neben dem Brett unter den Füssen wird auch der Schläger nicht vergessen. Auf der «Gurzelen» steht der laut Matthias Rutishauser schweizweit einzige öffentliche Tennis-Rasenplatz. Der Tennisplatz ziehe Menschen aus allen Richtungen an. Vom Immobilienmakler, über den Nachwuchs-Tennisstar bis hin zur Kindergärtnerin treffe man hier alle an.

Rasentennisplatz
Legende: Tennis für jedermann Der schweizweit einzige öffentliche Tennis-Rasenplatz steht in Biel. SRF / Noelle Guidon

Ebenso die verschiedenen Bands, die in den Innenräumen des Stadions ihre Proben abhalten. «Stude» von der Band «Studeyeah» findet vor allem die Kombinationsmöglichkeiten auf der «Gurzelen» toll: «Wir spielen hier zuerst Tennis auf dem Rasenplatz und gehen nachher in den Bandraum unter der Bühne um zu proben.» In vier Proberäumen üben mindestens zehn Formationen in allen erdenklichen Musikrichtungen.

«Stude» von der Band «Studeyeah»
Legende: «Stude» von der Band «Studeyeah» Zusammen mit seinen Band Kollegen probt er in den Räumlichkeiten der «Gurzelen». SRF / Noelle Guidon

Früh übt sich

Apropos üben und proben: Das Projekt «Kinderbaustelle» ist ein Mitmach-Freizeitangebot für die ganze Familie. Kinder ab der ersten Klasse können auf dem betreuten Bauplatz kostenlos mit unterschiedlichen Baumaterialien bauen und gestalten.

Kinderbaustelle auf dem Gurzelen
Legende: Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt So sieht die Kinderbaustelle aktuell aus. SRF / Noelle Guidon

Politisiert wird ebenfalls

Nicht nur den Kleinen sind kaum Grenzen gesetzt. Auch den Grossen. In Sachen Politik kann die «Gurzelen» nämlich ebenfalls mithalten. Unter dem Projekt «La Bise» wird in Biel, einer der wenigen Schweizer Städte mit einer Frauenmehrheit in der Regierung, dem «Ökofeminismus» nachgegangen. «La Bise» stellt insbesondere Bücher für Interessierte in ihrer «BiblioBise» zur Verfügung. Als «Ökofeminismus» werden soziale und politische Bewegungen und Philosophien bezeichnet, die ökologische Fragen und Anliegen mit feministischer Analyse verbinden. Für Sarah, der Mitgründerin von «La Bise» ist die «Gurzelen» mitunter wegen ihrem Projekt, ein unglaublich lebendiger und wichtiger Ort für Biel.

Politische Aktion
Legende: Mehr Ökofeminismus Sarah kämpft mit ihren Kolleginnen Mathilde und Myriam in den Räumlichkeiten der «Gurzelen» für mehr Ökofeminismus. SRF / Noelle Guidon

So soll es vorerst auch bleiben. Trotzdem: Das 1913 erbaute Stadion «Gurzelen» wird in naher Zukunft einer Überbauung weichen müssen. Bis diese allerdings kommt, ist das altehrwürdige Stadion ganz in Hand der kreativen Bielerinnen und Bielern.

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