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8x15. «8x15.»: Die Schweizer Musikszene feiert eine Orgie

Die Schweiz wird laut: Am 17. März 2017 findet unser Konzertabend «8x15.» während dem BScene-Festival in Basel statt und zeigt dir acht Schweizer Bands zum Verlieben. Der Höhepunkt? Jede Band hat nur 15 Minuten Zeit, dich herumzukriegen. Scrolle oder klicke dich hier schon mal durch das Line-Up.

  • Wer: Sänger und Rapper aus Zürich und Kolumbien
  • Stil: Fröhlicher Latino-Pop
  • Für Fans von: Aventura, Drake

Er könnte der Charmeur mit den verführerischen Augen sein, der die Tochter des Drogenbarons in eine bessere Welt voller Lebensfreude entführt: Loco Escrito.

Der Latino-Sänger und Rapper ist in Medellín, der «Hauptstadt der Blumen», geboren – die zwar im korrupten und von Kokain geprägten Kolumbien liegt, ihm aber trotzdem nur Vernunft und Glückseligkeit in die Wiege legte:

Wer nicht begreift, dass die Verantwortung über sein Leben in den eigenen Händen liegt, wird es schwer haben, sein Lebensglück zu finden.

Genauer gesagt, ist der zufriedene Zürcher, der als halbjähriges Baby in die Schweiz kam, ein äusserst reflektierter Gutmensch und überrascht nicht selten mit Weisheiten: «In der Schweiz lebt man, um zu arbeiten. In Kolumbien arbeitet man, um zu leben. Ich glaube, die kolumbianische Lösung macht glücklicher.»

Weil sich Kolumbien vom hartnäckigen Gangster-Image lösen will, verzichtet der gelernte Buchhalter auch immer mehr auf das Rappen – und packt seinen unmissverständlichen Seelenfrieden in tanzbare Latino-Gesänge.

Diese Jungs sind definitiv zu spät geboren: Pablo Infernal sind im Schnitt 20 Jahre jung, sehen aus wie eine Boygroup-Band, klingen aber wie die damaligen Sex-, Drugs- und Rock’n’Roll-Götter:

«Das Beste an den 70ern ist, dass die Experimentierfreudigkeit damals den Zenit erreichte und einfach perfekt war. Später ist es in Virtuosität ausgeartet», schwärmt das Quartett glaubhaft von ihren Vorbildern namens Deep Purple und co.

Selbst wenn die Zürcher aber schon als Vorband von AC/DC auf der Bühne standen, streben sie nicht primär ausverkaufte Hallen an: «Wir wollen nicht in grossen Stadien auftreten, sondern jeden Spunten einmal bespielen.»

Eigentlich klar, dass ihnen auch Hochglanz-Mainstream nicht in die Tüte kommt: «Vieles was im Radio läuft, ist zu sauber produziert und hat keinerlei Kanten.»

Fehlt nur noch der Stammtisch-Bart.

Long Tall Jefferson ist ein reisender Träumer mit einem Faible für Vergangenes: Sein Herz hat er einst in einem Berliner Ramschladen an einen alten 4-Spur-Kassettenrekorder verloren, welchen er noch heute mit Worten liebkost:

Dieses Gerät hat eine Story. Ich kenne sie zwar nicht, aber sie ist da. Es ist so schön, die Lichter und die Anzeige, da wird mir warm ums Herz.

Mit dem Kauf ging ein Deal mit sich selbst einher: 300 Franken ausgeben, dafür das erste Album mit dem Rekorder produzieren. Gesagt, getan.

Das Booklet dazu gestaltete er aus alten italienischen Kleinformat-Postkarten, die er auf einem Basler Flohmarkt aufstöberte und lange wie einen Glücksbringer mit sich herumtrug: «Ich war so fasziniert von der Kolorierung!»

Alles in allem braucht der Berufsmusiker jedoch nur sich und seine Gitarre. So tourt er solo durch Europa, verarbeitet das Erlebte direkt in den Songs und macht damit dem Folk-Lebensstil alle Ehre. Wie seine Musik klingt, liegt dann wohl auf der Hand.

  • Wer: Quintett aus Baden
  • Stil: Reggae und Ska mit elektronischen Einflüssen
  • Für Fans von: Reggae an sich, Paolo Nutini

Pedestrians können in musikalischer Hinsicht einfach alles:

Aus dem Nichts eine Karriere steiler als die Eiger-Nordwand zurücklegen, mit ihrer EP so beeindrucken, dass sie sie nochmals nachpressen müssen oder ihren Mitstreitern an Bandcontests kontinuierlich die Preise vor der Nase wegschnappen.

Nur eines können die Badener nicht: sich gesund ernähren. «Wenn wir auf Tour sind, essen wir immer im Burger King oder im McDonald’s. Die kennen uns schon», gibt der mittlerweile vier Kilogramm schwerere Schlagzeuger Sascha kleinlaut zu. «Sogar ich als Bandleichtester habe zugenommen», stimmt ihm Gitarrist Davis zu.

Nun denn. Solange sie weiterhin nach Paolo Nutini auf Ska klingen (nebenbei bemerkt hat die Stimme des Sängers einen 50-jährigen Konzertbesucher aber auch schon an eine dicke, schwarze Frau erinnert) und so bodenständig wie ihr Name bleiben, verzeihen wir den «Fussgängern» noch so einige überschüssige Pfunde.

Hätte ein Unterweltsgott einen Soundtrack, dann wäre er von L’ARBRE BIZARRE: Er würde immer dann erklingen, wenn der Herrscher der Schatten fies röchelnd sein aufziehendes Gewitter dirigiert, alles zertrümmert und sich im nächsten Moment wieder des Besseren besinnt:

Irgendwie verstörend, irgendwie düster, irgendwie mitreissend! «Diese Musik gefällt nicht, diese Musik bewegt», so die fünf Köpfe zu Recht.

Auch wenn sich die Basler ebenfalls in einem finsteren, muffigen Loch (so beschreiben sie ihren Bandraum) herumtreiben, sind sie aber weder bizarr, noch braucht man sie zu fürchten.

Selbst ihre Marotten sind menschlich und harmlos: Der Sänger ist die Band-Diva, sein Bruder und Bassist nervt morgens alle 15 Minuten mit einem klingelnden Wecker und der Mann an der Geige ist ein riesiger Pessimist.

Warum der französische Bandname? Sie wollten kein «The» drin.

  • Wer: Sängerin aus Lausanne
  • Stil: mystischer, 80er-Synth-Pop auf Französisch
  • Für Fans von: Niagara, Etienne Daho

Aus dem Westen nichts Neues? Denkste. SANDOR ist die (!) musikalische Hoffnung jenseits des Röstigrabens und überzeugt selbst eingefleischte Französisch-Gegner.

Bei der Sprache kennt Virginie Florey, der Kopf von SANDOR, denn auch kein Pardon: «Französisch ist meine Sprache», insistiert sie.

Fast alle meine Songs sind autobiografisch und ich sehe keinen Grund dazu, mich in einer anderen Sprache auszudrücken.

Apropos Autobiografie: SANDOR ist eine Anlehnung und eine Hommage an Sarolta / Sándor Vay, eine der ersten Transsexuellen in der Geschichte. «Diese ritterliche und romantische Erzählung hat mich echt berührt», sinniert Florey.

Heute berührt die Lausannerin erfolgreich mit ihren eigenen Geschichten. Ein Talent, das sie aber genauso gerne besitzen würde: sich in die Köpfe der Menschen einzunisten und sie so an ihre Konzerte zu locken. Ihr wisst, was ihr zu tun habt!

Sherry-ou könnte als Springball auf einer «amphetaminischen Substanz» durchgehen: Sobald seine Musik erklingt, hüpft er wie wild umher und lässt sein Umfeld im Ungewissen, ob er es überhaupt noch bewusst wahrnimmt:

Wegen dieser Euphorie nannten mich meine Freunde ja Freak – womit auch mein Album-Titel erklärt ist!

Bereits mit zwölf Jahren entschied der Basler, auf die Karte «Musik» zu setzen:

Angefangen mit Schlagzeug, weiter mit Gitarre und Klavier bis hin zu einer vierjährigen Karriere als Sänger und Gitarrist einer Band, arbeitet der heutige Rapper nur noch 50% und versteckt sich ansonsten in seinem Aufnahmestudio.

Dabei konzentriert er sich voll und ganz auf den Trap-Rap: Eine zeitgenössische Rap-Form, die im Hip-Hop-Kuchen wegen unzähligen «Stiernacken-Rappern», die ausschliesslich die klassische Art zelebrieren, nicht immer Anklang findet.

Wir finden: Gescheiter wird man durch die Musik zwar nicht, dafür kommen Swag, Attitüde, und Emotionen umso mehr an. Mitbounce-Faktor in höchster Vollendung!

  • Wer: Trio aus Basel
  • Stil: Sphärischer Electro-Pop
  • Für Fans von: Daughter, Warpaint

Die Zeit steht still, dein Herz dagegen rast: Wenn St. Augustine loslegen, dann fragst du dich, ob diese Band tatsächlich vom selben Planeten stammt – so schwerelos dein Gefühl, so zukunftsorientiert die Musik.

Trommelwirbel und Überraschung: Ja, die Band kommt tatsächlich von dieser Welt! Das Trio schlüpfte in Basel und kann dich ausserdem nicht nur abheben lassen, sondern auch Gravitation spielen: Immer dann, wenn Sängerin Amy Zuber mit ihrer Stimme einsetzt, haut sie dich gnadenlos um. Immer. Überall.

Will man St. Augustine googeln, stösst man übrigens lediglich auf die erste, im 16. Jahrhundert von Europäern gegründete Siedlung in Florida. Anno dato ein Daheim für Menschen, die sich auf den Weg ins Unbekannte gemacht haben, auf der Suche nach dem «gewissen Etwas» im Leben.

Ob die Leute damals fündig wurden – wer weiss! Bei «St. Augustine» in der Schweiz ist man jedenfalls definitiv an der richtigen Adresse.

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