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Studium Können Studentenverbindungen auch etwas anderes als saufen?

Studenten in Studentenverbindungen sind immer besoffen, machen Blödsinn und ihre Aufnahmerituale enden in Alkohol- und Drogenexzessen. In der Schweiz existieren über 530 Studentenverbindungen. Doch sind Studentenverbindungen wirklich so schlimm wie ihr negativ konnotierter Ruf?

Wird man in eine Studentenverbindung aufgenommen, ist man während einer Probezeit erst einmal ein «Fuchs». Verläuft diese erfolgreich, wird man nach einem Aufnahmeritual zum «Burschen», einem vollberechtigten Mitglied der Verbindung. Wir haben ein Studentenverbindungsmitglied der Universität St. Gallen, das anonym bleiben will, mit Klischees konfrontiert:

Sind Studenten in Studentenverbindungen immer am Saufen?

«Ich würde schon sagen, dass auch Studentenverbindungen mit relativ geringem Bierkonsum immer noch mehr trinken als der Durchschnitt. Und in meiner Verbindung sowieso… Neben diesem geselligen Teil wird bei uns grosser Wert auf die akademische Leistung gelegt. Die Kunst besteht darin, trotz vieler geselliger Stunden und «saufen» seine geistige Leistung abrufen und disziplinieren zu können. Aber ja, wir bechern schon ziemlich.»

Sind Studenten in Studentenverbindungen alles Rich Kids?

«Bei uns ist vom Vollstipendium bis Millionenerbe alles vorhanden. Reflektiert meistens auch ziemlich gut die Uni, zu der die Verbindung gehört. In St. Gallen sind Studenten deshalb schon eher gutbürgerlich.»

Sind Studenten in Studentenverbindungen heimlich gay?

«Wäre bei uns kein Problem. Gab es auch schon, aber nicht heimlich. Rein homosexuelle Verbindungen sind mir allerdings nicht bekannt. Aber auch wenn sich eine Verbindung als weltoffen und überkonfessionell bezeichnet denke ich, dass viele Homosexuelle trotzdem nicht ganz unbefangen eintreten würden.»

Sind Studenten in Studentenverbindungen rassistisch?

«Bei uns würde das allen vertretenen Werten wiedersprechen und somit zur Abweisung/Ausschluss führen. Auch verbindungsintern umfassen bei uns politische Ansichten eine Vielzahl verschiedener Anschauungsweisen, Extrempositionen, ob rechts oder links, haben aber keinen Platz.»

Sind Studenten in Studentenverbindungen Opfer ohne Freunde?

«Es gibt schon Verbindungen, die eher den Anschein eines Zufluchtsortes für gesellschaftlich Ausgeschlossene machen. Meine Verbindung und die beiden anderen in St. Gallen verfolgen jedoch den Grundsatz: Hast du keine Freunde, findest du bei uns auch keine. Wir sind sehr darauf bedacht, unsere Mitglieder sorgfältig auszusuchen. Qualität vor Quantität.»

Wie weit würdest du für deine Studentenverbindungen gehen?

«Ich verstehe die anderen Mitglieder als Brüder. Jeder der Geschwister hat weiss, dass das Fluch und Segen beinhaltet. Natürlich ist das nicht mit Blutsverwandtschaft gleichzusetzen, aber es kommt dem mit der Zeit schon verdammt nahe!»

Wie funktioniert ein Aufnahmeritual?

«Ich glaube hier bestehen zwischen Verbindungen mitunter die grössten Unterschiede. Es geht dabei aber um mehr als exzessiven Alkoholkonsum. Es geht schliesslich darum, ein neues Mitglied in einen Lebensbund aufzunehmen. Neben einem Teil an fachlichen und geschichtlichen Kenntnissen muss herausgefunden werden, ob der Interessent auch wirklich zur Verbindung passt. Dies umfasst auch sehr persönliche Fragen. Zudem wird der Prüfling am Ende «getauft», kriegt also seinen Verbindungsnamen, welchen er für den Rest seines Lebens behalten wird. Dieses Prozedere kann auch mal sehr emotional werden. Diese Abende sind aber bei den meisten Verbindungen schon seeeehr süffig. Eine Prüfung auf Herz, Leber und Nieren prüfen halt.»

Warum sollte man einer Studentenverbindung beitreten?

«Ich sah in meiner Verbindung jedoch ein Abbild der Eigenschaften, die mir an meinem voruniversitären Freundeskreis schon wichtig waren. Dazu kommt die Leidenschaft/ das Aufopferungsvermögen, das die Jungs an den Tag gelegt haben, um die Verbindung und ihre Werte weiterzuführen. Das Zusammenspiel aus Tradition, Geselligkeit, Ehrgeiz im Studium sowie eine Ansammlung verschiedenster Charaktere, die in einer gemeinsamen Institution zusammengefunden haben, welche so schon über ein Jahrhundert besteht. Die gegenseitige Unterstützung, die wöchentlichen Treffen, die gemeinsam gemeisterten Herausforderungen. Das «verbindet» halt.

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