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Weihnachten Wie sich Weihnachten anfühlt, wenn man nicht feiert

Bevor hier jetzt alle in grosse Bestürzung fallen und darüber in einen Samariter-Komplex geraten, wie ich armes Ding das ganze Leben ohne das Fest der Liebe klargekommen bin: Es ist alles okay, mir geht es gut. Ich feiere kein Weihnachten, habe es noch nie vermisst und es gibt ja noch Silvester.

Aufgewachsen in einer jüdisch-russischen Familie, war Weihnachten bei uns Zuhause noch nie ein Thema. Während also meine Klassenkameraden kurz vor Heiligabend der Aufregung wegen kaum noch schlafen konnten, waren die Feiertage für mich als Kind eine ziemlich öde Zeit, welche die Herausforderung mit sich brachte (vorallem für meine Eltern), sie trotzdem möglichst interessant zu gestalten.

So verbrachte ich die Weihnachtstage vor dem Fernseher und hoffte beim Rumzappen etwas Interessantes zu finden. War leider meistens nicht der Fall. Jedenfalls nicht für mein Kinder-Ich (ja, die Zeiten, als Streaming noch nicht existierte, waren hart).

Dass alle daheim bei ihren Familien waren und gemeinsam um den Weihnachtsbaum sassen, hatte aber auch Vorteile. Laut meiner Mutter gingen wir nämlich einmal am 26. Dezember in den Zoo – und hatten diesen praktisch für uns alleine, yay.

Unsere Autorin an Silvester zur Jahrtausendwende
Legende: Unsere Autorin an Silvester zur Jahrtausendwende zvg

Neujahrsbaum und kalte Väter

Aber auch wenn für mich kein Weihnachtsmann durch ein verkohltes Kaminrohr purzelte oder das Christkind Geschenke vorbeibrachte, wurde ich nicht vergessen: Als Kind kam bei uns Zuhause an Silvester Väterchen Frost vorbei – sozusagen die russische und kälterestistentere Variante des Weihnachtsmanns. Ausserdem war Silvester bei uns ein Familienfest, bei dem bis in die Morgenstunden zusammen gefeiert wurde. Wir Kinder durften mit den Erwachsenen so spät aufbleiben wie wir mochten, bekamen Geschenke und der Legende nach war Silvester eine Nacht voller Magie. Dass Silvester für mich DAS absolute Highlight des Jahres war, ist darum selbsterklärend.

Silvester ist DAS grosse Ding

Da meine Eltern in der ehemaligen Sowjetunion gross wurden, waren durch das kommunistische Regime alle Feiertage, die irgendeinen religiösen Hintergrund bargen, verboten.

Eine Channukiah am Licherfest Channukah – acht Tage lang wird eine Kerze angezündet.
Legende: Flickr

So kommt es auch, dass in meiner Familie, obwohl wir jüdisch sind, das Lichterfest Channukah mit dem jährlichen Anzünden der Kerzen auf dem Basler Marktplatz inklusive gratis Berliner und der kleinen Clown-Show (die jedes Jahr die Gleiche ist) auch schon abgehandelt ist.

Weil der Mensch aber an sich offensichtlich gerne festet, wurde eben in sowjetischen Zeiten Silvester zum grossen Feiertag deklariert und ist bis heute ein grosser Hype in Russland. So kam Väterchen Frost nun eben nicht an der russisch-orthodoxen Weihnacht am 6. Januar, sondern einfach ein bisschen früher. Und anstatt Weihnachtsbaum, gab es einen Neujahrsbaum die «Yolka». Die unterscheidet sich nur im Namen vom weihnachtlichen Tannenbaum.

Der Weihnachtswahnsinn zieht an mir vorbei

Nie hatte ich bis jetzt das Gefühl, etwas zu verpassen. Wenn nämlich schon Ende Oktober die erste Weihnachtsdeko in den Schaufenstern hängt und um mich herum manche Menschen Mitte November zu einem hysterisch verzweifelten Geschenke-Marathon aufbrechen, bin ich wirklich froh, dem zu entgehen.

Denn unmittelbar vor den Feiertagen begegne ich keinen harmonischen, in wohliger Glückseeligkeit-badende Menschen. Stattdessen treffe ich auf gehetzte, fast am Rande zu einem Nervenkollaps stehende Wesen. Was also hier von der grossgeschriebenen weihnachtlichen Nächstenliebe übrig bleibt, bin ich mir dann nicht mehr sicher. Da sie nicht einmal zu sich selbst lieb sind.

Ein Tag wie jeder andere

Während also Weihnachten für mich einfach ein Tag im Jahr ist, gehe ich nach den Feiertagen gemütlich in den Supermarkt und räume die ganze Schokolade für den halben Preis ab, während die anderen pleite sind.

Auch sonst brachte mir meine Weihnachts-Abstinenz in den letzten Jahren finanzielle Vorteile, in dem ich hinter der Bar stand. Die Partyveranstalter erkannten das lukrative Geschäft, mit jungen Menschen, die nach der Familienfeier, sich tanzend und betrunken nach (körperlicher) Nächstenliebe sehnen. Vom weihnachtlichen Geist getrieben, gibt es auch viel Trinkgeld – vorallem, wenn du mit den Gästen immer einen Kurzen mittrinkst (dementsprechend, wie der Abend und nächste Tag damals ausging, Notiz an mich: nie mehr wieder).

Den Grundgedanken von Weihnachten finde ich aber etwas Wunderbares. Wirklich.

Darum lasst euch nicht durch den kommerziellen Wahnsinn stressen und geniesst eure freien Tage. Egal ob singend vor dem Tannenbaum, oder betrunken in der Clubecke.

Frohe Weihnachten, ihr Kinder der Sonne!

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