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Helvetia «Wer mich ‹Mohrenkopf› nannte, kam drunter von mir»

Naomi Lareine erzählt bei «Helvetia» von ihrer Kindheit und Jugend. Diese war nicht immer einfach: Sie erlebte Mobbing, musste viel umziehen, ihre Mutter war sehr krank. Ihr Frust über all das äusserte sich in Prügeleien.

Naomi Lareine, so ihr Künstlername, ist viel herumgekommen. Ihr Vater, ein ehemaliger Eishockeyprofi, musste aufgrund seines Berufs immer wieder den Wohnort wechseln. Doch nicht nur er war ein sportliches Ausnahmetalent: Auch Naomi spielte Fussball und schaffte es so bis in die U19-Nationalmannschaft. Der Tag kam, als sie sich entscheiden musste: Sport oder Musik. Entschieden hat sie sich für die Musik.

Heute ist Naomi Lareine, die Wurzeln in der Schweiz, Mauretanien und Senegal hat, ein fester Bestandteil der Schweizer Musikszene und hat sich mit ihrer R’n’B-Stimme einen Namen weit über die Nische hinaus gemacht. Sie hat über 17'000 Follower auf Instagram und begeistert nicht nur mit ihrer Musik, sondern auch mit ihrem Faible für Fashion. Das war nicht immer so.

«Helvetia»

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Wie tickt die junge Schweiz? In der fünfteiligen Webserie «Helvetia» übernehmen junge Menschen mit und ohne Schweizer Pass das Wort. Sie erzählen persönliche Geschichten aus ihrer Kindheit, und von ihrer Herkunft.

Mobbing und Prügeleien auf dem Pausenplatz

Naomis Kindheit war nicht einfach. Durch die vielen Wohnortswechsel musste sie sich jeweils wieder einen komplett neuen Freundeskreis aufbauen. Schon in der Primarschule wurde sie gemobbt.

Du hast mich einmal ‹Mohrenkopf› genannt und dann nie wieder. Dann bist du drunter gekommen!

Ihr Ventil: Gewalt. Immer wieder hat sie sich mit Fäusten gewehrt. Wurde sie mit rassistischen Äusserungen konfrontiert, gab’s eins aufs Dach. Ihr Vater war deshalb Stammgast in ihrer Primarschule in Wallisellen. Zu oft hat sich Naomi dort geprügelt.

Sie nannten mich Skelett am Bankett.

Auch mit zunehmendem Alter wurde das Mobbing nicht besser. «Ich war zu ‹männlich›, spielte sehr gut Fussball, zupfte mir die Augenbrauen nicht, schminkte mich nicht», erzählt sie. Gefundenes Fressen für ihre Mitschüler*innen. Auch körperlich entwickelte sich Naomi langsamer als die anderen: Sie war sehr dünn, hatte keine Brüste und bekam ihre Periode erst mit Ende 15. Daraufhin wurde sie von ihren Mitschülern als Skelett am Bankett bezeichnet.

Ich konnte weder mit Jungs noch mit Mädchen sprechen.

Neben dem Mobbing war ihre Mutter schwer krank. Ein weiterer Faktor, der Naomis junge Jahre erschwerte. «Irgendwann habe ich komplett aufgehört zu sprechen», sagt sie. Etwas, das sie heute noch merkt. Es fällt ihr schwer, ein Gespräch zu führen, ohne dabei nervös zu sein und jede Aussage zu hinterfragen.

Die Flucht in die Musik

Schon früh war die Musik ein Zufluchtsort für die Mittzwanzigerin. «Wenn du Piano spielst, kannst du der Realität entfliehen. Du bist an einem ‹safe Space› für dich alleine», erklärt sie. Ihren Grosseltern, die in Wallisellen leben, sei schon früh aufgefallen: Je mehr Naomi am Piano war, desto schlechter ging es ihr.

Ein Kokon, aus dem die Musikerin mittlerweile geschlüpft ist. Sie versteckt sich nicht mehr hinter ihrer Musik, die Musik ist ein Teil von ihr geworden. Wenn sie an ihre Kindheit und Jugend zurückdenkt, sagt sie: «Ich bereue überhaupt nichts, aber manche Kinder tun mir schon ein bisschen leid im Nachhinein.»

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