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Rehmann «Ich wollte in eine psychiatrische Klink eingewiesen werden»

Jeannine musste in ihrer Jugend viel Leid ertragen. Probleme zuhause, eine chronische Krankheit und Mobbing trieben sie mit nur 20 in eine Erschöpfungsdepression. Ihre Geschichte wird anonymisiert von einer Schauspielerin wiedergeben.

Jeannine* kann eine behütete Kindheit geniessen. Sie selbst bezeichnet sich als normales, schüchternes Mädchen. Doch in der Schule wird sie gemobbt. «Bereits Kinder können verbal sehr böse sein, doch mir nahm man das Znüni weg und ich wurde geschlagen», erinnert sich Jeannine.

Sick of Silence

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In der Sendung Rehmann S.O.S erzählen junge, kranke Menschen ihre Lebensgeschichte. Nun geben wir Menschen eine Stimme, die anonym von ihrem Schicksal erzählen möchten.

In der Webserie erzählen die Schauspieler Anja Rüegg, Silvio Kretschmer und Giorgina Hämmerli solche Geschichten - genau so, wie uns diese erzählt wurden.

In der Oberstufe entdeckt sie Rock- und Metal für sich. Daraufhin wird sie als «scheiss Satanistin» beschimpft. Und bei verbalen Provokationen bleibt es indes nicht: Als sie sich mit einer Kollegin trifft, lauern ihr Mitschüler auf und verprügeln sie: «Sie haben mich getreten und mein Fahrrad in den Bach geworfen».

Nach der Oberstufe besucht Jeannine den gestalterischen Vorkurs und findet auch hier den Anschluss nicht: «Ich weiss wirklich nicht warum, ich gab mir immer sehr viel Mühe», sagt sie heute dazu.

Es häufen sich die Probleme

Als sie eine Lehre beginnt, meldet sich ihr Körper. Sie hat einen geblähten Bauch, hat ständig Bauchschmerzen und Kopfweh. Beim Arzt stellt sich heraus, dass Jeannine an einer schweren chronischen Darmkrankheit leidet.

Nebst den physischen Beschwerden ist es auch psychisch für Jeannine eine sehr belastende Zeit. Ihre Ausbildung beansprucht sie stark. Sie muss jeden Tag pendeln und wird auch zuhause mit Problemen konfrontiert: Ihre Schwester hat zu dieser Zeit Aggressionsprobleme und attackiert ihre Eltern und Jeannine auch physisch.

Der Stress zuhause, die physischen und psychischen Belastungen der Arbeit und ihre Krankheit kumulieren sich auf das Ende ihrer Lehre. Zur Zeit ihrer Abschlussprüfungen beendet sie zudem ihre Beziehung zu ihrem damaligen Freund. Schlussendlich wird alles zu viel für Jeannine. Sie kann nicht mehr schlafen und erleidet Heulkrämpfe bei der Arbeit.

Ich war 20 und hatte bereits ein Burnout.

Sie entscheidet sich zum Arzt zu gehen. Dieser stellt bei ihr eine Erschöpfungsdepression fest. Es folgt ein weiterer Schock: Obwohl sie gute Ergebnisse in den theoretischen Prüfungen erzielen kann, lässt man sie im praktischen Teil ihrer Abschlussprüfung durchfallen. Als diese letzte Stütze wegbricht verliert sie jeglichen Halt.

Ich hätte mir am liebsten die Haare ausgerissen

Sie verliert komplett die Orientierung in ihrem Leben. Sie geht wieder zum Arzt und schildert ihre Probleme: «Wenn sie mich nicht einweisen, gibt es mich in zwei Jahren nicht mehr», erzählt Jeannine.

Eine geglückte Wiedereingliederung

Jahre später schlägt ihre Psychiaterin vor, dass sie sich bei der IV melden soll für eine Wiedereingliederung. «Rückblickend war es die beste Entscheidung für mich.»

Zuerst wird sie dazu verordnet, Holzklötze anzumalen, was frustrierend für sie ist. Ihre IV-Beraterin merkt das und schlägt ihr verschiedene Alternativen vor. Jeannine entscheidet sich, eine neue Stelle anzutreten und fühlt sich dort sofort wohl: «Ich hatte einen ganz tollen Coach, der mich nicht einfach als Klientin behandelte», sagt Jeannine. «Es fühlte sich an als würde ich mit einem Kollegen reden.» Für sie ist es eine sehr wertvolle Zeit.

Ich bin 25, sitze hier und male Holzklötze an.

Jeannine teilt der IV-Stelle mit, dass sie eine Umschulung als Agogin machen möchte. «Die IV meinte, mein Gebrechen sei zu klein, als dass sie mir eine Umschulung zahlen würde», erinnert sie sich – aber man würde sie bei einem Praktikum unterstützen.

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Mit einer neuen Stelle zum Glück

Sie bewirbt sich und erhält eine Praktikumsstelle in einer Werkstatt, wo sie sofort als Betreuerin eingesetzt wird. Hier blüht Jeannine auf. Sie fühlt sich von ihren Mitmenschen akzeptiert und schätzt den herzlichen Umgang der Mitarbeitenden. «Ich fühlte mich von Anfang akzeptiert und zuhause», sagt Jeannine.

Kurz vor Ablauf des Praktikums wird in der Werkstatt eine Stelle frei, für die sie sich gleich bewirbt. Zu ihrem Glück darf sie die Stelle annehmen, wo sie auch heute noch arbeitet: «Jetzt habe ich endlich das Gefühl, dass ich beruflich angekommen bin.»

Janine möchte an ihrem Beispiel zeigen, dass egal wie aussichtslos die Situation scheinen mag, es immer einen Ausweg gibt.

*Name von der Redaktion geändert

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