Alles beginnt in ihrer Kindheit. Schon früh bemerkt Gaby, dass sie nicht so Turnen kann wie Ihre Klassenkamerad:innen. Schuld an ihrer Unbeweglichkeit: ihr Übergewicht – sagen zumindest die Ärzt:innen. «Sehr häufig hörte ich: ‹Wenn du mehr Sport machst und abnimmst, wird alles besser!› oder ‹Du solltest dich mehr Bewegen!›», erzählt Gabe, die in Münchenbuchsee wohnt.
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Es liegt in der Familie
Für die mittlerweile 56-Jährige ist ihre Gangart als Kind nie etwas Aussergewöhnliches, weil viele ihrer Familienmitglieder auch so gehen – zum Beispiel ihre Mutter, ihre beiden Schwestern, ihr Grossvater, ihre Cousine oder ihr Onkel. Gaby schliesst daraus, dass ihre Gehprobleme einen genetischen Ursprung haben.
Etwa ab ihrem 40. Lebensjahr bemerkt die Münchenbuchserin, dass ihr das Laufen zunehmend Mühe macht. Sie leidet unter Schmerzen in den Füssen, die beim Laufen immer wie schlimmer werden. Gaby sucht nach der Ursache – und gibt sich zuerst selbst die Schuld. Im Alter von 49 Jahren geht sie in die Physiotherapie um wieder zu lernen, wie das Laufen funktioniert.
Doch Gaby sucht weiter. Zwei Jahre später wechselt sie den Hausarzt, damit sie endlich die Möglichkeit erhält, neurologische Abklärungen zu machen. Dort erhält sie endlich eine Diagnose: Hereditäre Spastische Spinalparalyse.
Die Diagnose ist für Gaby zuerst eine Erleichterung und Befreiung. Endlich hat sie eine Antwort auf ihr Leiden und ihre Schmerzen. Schnell realisiert Gaby aber auch, dass es in Zukunft nur noch abwärts gehen wird. Denn diese Krankheit ist (noch) nicht heilbar.
Schlechte Aussichten
Seit ihrer Diagnose besucht Gaby eine Selbsthilfegruppe, die ca. 65 Personen umfasst, da die Krankheit sehr selten ist. Der erste Besuch einer Sitzung dieser Gruppe ist jedoch ein ziemlicher Schock für sie. Viele Gruppenteilnehmer:innen sitzen im Rollstuhl und können nicht mehr selbst gehen. Gaby realisiert, dass es auch bei ihr in diese Richtung gehen wird.
Mittlerweile hat Gaby ebenfalls einen Rollstuhl zuhause. Im Moment probiert sie aber alles, um nicht auf ihn angewiesen zu sein. Sie versucht so oft wie es nur geht ihre Beinmuskeln zu aktivieren, auch wenn dies sehr anstrengend und mit grossen Schmerzen verbunden ist. Beim Gehen benützt sie «Nordic Walking»-Stöcke, da diese ihr das Laufen ein wenig vereinfachen und Sicherheit geben.
Nichtsdestotrotz ist das Laufen für Gaby nichts Einfaches. Sie hat Mühe, ihre Füsse zu heben, was gefährliche Folgen haben kann. Bei kleinen Unebenheiten auf der Strasse ist die Gefahr gross, dass sie hinfallen könnte. Pflastersteine oder kleine Absätze, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind, sind für Gaby am schlimmsten. Nur beim Velofahren fühlt sie sich frei, denn dort verspürt sie keine Schmerzen.
Arbeitslos wegen der Krankheit
Auch die Kündigung, die sie von ihrem Arbeitgeber erhält, beschreibt Gaby als grossen Rückschlag. Lange arbeitet sie als Sozialpädagogin in einer Wohngemeinschaft für Menschen mit Beeinträchtigung. Zum Zeitpunkt der Diagnose wurde sie von ihrem damaligen Arbeitgeber bestens unterstützt. Nachdem dieser in Pension geht und gleichzeitig die Symptome ihrer Krankheit schlimmer werden, bekommt sie von ihrem neuen Arbeitgeber während eines eigentlich guten Beurteilungsgesprächs mitgeteilt, dass sie nur noch ein Jahr in der Wohngemeinschaft mitarbeiten darf. Ein Entscheid, den Gaby sehr mitnimmt.
Auch fällt es Gaby kurz nach ihrer Diagnose schwer, Hilfe von anderen anzunehmen. Schliesslich möchte sie weiterhin als «normale» Person angeschaut werden – ohne auf ihre chronische Krankheit reduziert zu werden. Mit der Zeit merkt sie jedoch, dass es andere Leute meist gut mit ihr meinen und sie manchmal tatsächlich auf Hilfe angewiesen ist. «Ich lerne mit der Krankheit zu Leben», sagt sie.