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schwarzer hintergrund, sänger guckt grimmig
Legende: Liebe ist Tod Ruhm korrumpiert, und Schmerz ist zeitlos. Der komplizierte, geniale Allan Rayman. official
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Exklusives Interview Allan Rayman: «Unbequeme Scheisse»

Kaum ein Künstler ist so karg bebildert wie Allan Rayman. Der enigmatische Kanadier, der klingt als würde ihm bei jeder Silbe Höllenpein aus der Zunge schwitzen, bleibt Hype lieber fern. Er mag weder Interviews noch ein Cool Kid zu sein – trotzdem nahm er sich 15 Minuten für uns, bei Kaffee & Zigi.

Verwirrende Videos, eine aparte Stimme und ein mysteriöses Auftreten. Obschon Allan Rayman, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen Anfang 2017, nach dem 2016er Debüt «Hotel Allan», sein zweites Album «Roadhouse 01» veröffentlicht, einen massiven Streaming-Hype verbucht hat, und als «Best kept Indie-R'n'B Secret» verschrien wird, weiss man über den Mann praktisch nichts.

Sein Wikipediaeintrag , Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnengeizt mit Informationen, Videointerviews existieren gar nicht – nur schriftlich findet sich das eine oder andere Gespräch mit ihm. Ist ja eine geile Marketingmasche, die bei mir zumindest super funktioniert, aber als Fan frustiert so etwas auch gewaltig. Also hab ich während zwei Jahren nicht nachgelassen, und von Management bis Label alles gestresst, was ich finden konnte, und siehe da: Ich durfte (anlässlich seiner ersten Schweizer Show im Papiersaal in Zürich) eine Viertelstunde mit Allan telefonieren. Das Resultat? Ein Gespräch, von Fanboy zu einem Künstler, der mit Fans so gar nicht viel anfangen kann. Das möchte ich dir (in Volllänge) nicht vorenthalten.

Du hast die High School ausserhalb der Kreise der Cool Kids verbracht. Wie hat das deine Art, Musik zu machen, beeinflusst?

Ich denke, die «Teenage Angst» überträgt sich (aufs Erwachsenenalter). Du weisst schon, es wird einem gesagt: «Das hält nur während den Teenagerjahren an». Aber für mich geht es auch in meinen Zwanzigern weiter. Für mich sollte Musik nie im Vordergrund meiner Rolle sein, aber ich bin da irgendwie reingekommen, es hat sich irgendwie dennoch in die Richtung entwickelt. Es waren ein paar gute Freunde, die mich auf dem Pfad behielten. Ich war eher… unwillig, das Risiko einzugehen. Ich war mehr mit dem Absichern meines Jobs auf der Baustelle beschäftigt, solche Sachen. Wenn das irgendwie Sinn macht?

Du sprichts von «Freunden». Gab es eine spezifische Person, die dir den Ruck gegeben hat, dich zusammenzureissen und etwas aufzunehmen?

Ja, mein guter Freund E. Er hat mich ein wenig da reingedrängt und hat am Anfang beim Management geholfen. Er sagte mir, ich solle es probieren, aber richtig. Yo, das war definitiv etwas, was mir Angst machte! Ich bin ziemlich verwundbar, solche Sachen schrecken mich ab. Ich danke E jeden Tag dafür, dass er mich gepusht hat!

Als Fan hat man den Eindruck, dass du dich immer noch gerne in der Peripherie des Spielplatzes aufhältst (um diese Pausenplatz-Metapher nocheinmal zu nötigen), und einige Meter entfernt von den Cool Kids stehst – obwohl die alle in deine Richtung schielen. Du scheinst dich da sehr wohl zu fühlen.

Ich meine, ich fühle mich halt wohl, wenn ich mich selber bin. Ich bin einfach ich am Ende des Tages und so war es irgendwie schon immer. Ich glaube, die Musikindustrie ist als würde ich nochmals auf die High School gehen. Es sind all diese Cool Kids, diese Industrie, und wiederum fühle ich mich nicht wirklich so als würde ich da hineinpassen. Also mache ich mein Ding, ziehe den Kopf ein und halte mich aus dem Weg, dem Licht und mache einfach mein Ding. Es ist alles High School. Es ist alles nur High School.

(Hier wurden die Hintergrundgeräusche bei Allan ein wenig lauter, und einige Sätze verflüchtigten sich im unvorstellbaren Raum einer wackeligen Telefonleitung, die einen Grundton drauf hatte, die jedem Aussenkorrespondent der Fünfzigerjahre ein nostalgisches Grinsen auf die Lippen zaubern würde.)

Du möchtest, dass Leute so etwas wie Unbehagen verspüren, wenn sie deine Musik hören.

Ja, ich bin nicht irgendein Kunststudent oder so etwas. Aber ich denke schon, dass Kunst kommen sollte, um die Menschen ein wenig aus ihren Komfortzonen zu locken, und dafür sorgen, dass sie ungewohnte Sachen erleben. Darum denke ich, wenn du etwas tun kannst, sei das im Studio oder in deiner Live-Performance, (ich versuche, dieses Element auch stark zu verkörpern, nebst dem Studio) – für mich geht es dabei darum, Scheisse offenzulegen, über die du nicht wirklich gerne sprichst. Und vielleicht kann sich dann jemand da draussen ähnlich fühlen. Das bin ich. Aber am Ende des Tages... Es ist nur für mich. Es geht darum, mir etwas von der Brust zu schaffen. Zu tun, was ich tun möchte. Yeah.

In Anbetracht des Grades an Persönlichem in deiner Musik und deinen Texten und der Tatsache, dass du schon oft öffentlich gesagt hast, dass du weder Personenkult noch Ruhm suchst, es dir dabei gar unangenehm sei – wie fühlt sich eine Tour an, auf der du jeden Abend vor Wildfremden spielst, und unbequeme Scheisse offenbarst?

Es ist angsteinflössend, es ist crazy, mann. Es ist surreal. Aber am Ende des Tages, solange ich das weiterhin für mich mache, und ich weiss, das klingt egoistisch, aber wenn du es für dich selber tust, dann verlierst du nie deinen Kopf.

Wenn ich anfange, rauszugehen und eine Show für jemand anders spiele, auf diesem «Ich-singe-für-Essen»-Vibe, oder wenn ich einen Song schreiben würde mit anderen Menschen im Kopf, dann tust du es nicht für dich selbst. Du tust es für andere Menschen und das ist der Moment, in dem du deinen Kopf verlierst.

Du beginnst dich so zu fühlen: Wow, die wollen, dass ich für sie singe. Die wollen, dass ich für sie schreibe, die wollen dass ich Sachen für sie mache. Und dass kann dich ziemlich arrogant machen, das kann dein Ego aufblasen. Darum geht es mir nicht. So etwas tun wir hier drüben nicht.

Wie steht es vor Shows um deine Nerven?

Mein Körper wird nervös, es ist mehr körperlich. Es ist sicher Spannung da, auf jeden Fall. Aber am Ende des Tages ist es meine Show, es bin ich, der da hochgeht und meine Lieder singt. Es ist mir egal, wer im Raum ist. Wenn du da bist, um mir zuzuhören, ist das grossartig und wenn nicht, ist das auch in Ordnung. Ich werde einfach hochgehen und Spass haben. Ein wenig egoistisch zu sein ist wichtig, weil man sich dann nicht verliert. In dem Moment, in dem ich es nicht mehr für mich selber mache, werde ich ziemlich sicher damit fertig sein.

Was geht dir nach einem Konzert durch den Kopf?

Ich will eine Zigarette und ein wenig alleine sein (lacht). Es ist eine laute Welt, darum mag ich den Frieden und die Ruhe nach einer Show. Manchmal kann es schön sein, ein paar Konzertbesucher zu treffen, aber meistens ziehe ich es vor, mich zu verstecken.

Lass uns über deine Musik sprechen. Wie arbeitest du? Produzierst du selber?

Ich arbeite mit zwei Produzenten aus Toronto, Jesse und Moose. Die sind wie grosse Brüder für mich. Sie verstehen den Vibe, den ich rüberbringen will und ich wäre ohne die beiden nicht hier. Ich arbeite nach wie vor sehr eng mit ihnen zusammen und sie begleiten mich auch auf Tour. Wir haben dieses Ding zusammen ausgelegt und es begeistert mich, mit ihnen zu arbeiten. Ich bin nichts ohne sie.

Viele deiner Songs weisen Produktionselemente auf, die stark von Hip-Hop beeinflusst scheinen. Runtergepitchte Vocals, 808’s, und so weiter. Hat dich Hip-Hop beinflusst, konsumierst du Hip-Hop ausserhalb deiner eigenen Musik?

Nein, der Background von Moose und J lehnt sich stark an Hip-Hop und R’n’B an. Ich hab mehr den klassichen Rock-, Grunge-Vibe. Aber die beiden haben schon die längste Zeit mit Hip-Hop und R’n’B verwandte Beats produziert. Ich wollte einfach was ich von der Musik wusste mit ihrer Art zu musizieren verzahnen. Und weisst du, man lernt, man wächst... Und das war bis jetzt das Fundament, der Grund wieso meine Musik etwas anders klingt. Ich weiss von der Hip-Hop- und R’n’B-Welt nicht viel, das ist alles von Moose und J rübergekommen.

Ich stell mir das Grunge-/Rock-Kid Allan vor. Was hört er sich an?

Ich bin mit Led Zeppelin gross geworden, Mann. Mein Vater und meine Brüder, die haben mir das wirklich eingeflösst. Robert Plant – wie er diese schweren Vocals einfach rausschreit und diese Drums…

Ich liebe es, Schlagzeug zu spielen. Ich mag es, auf Sachen einzuprügeln... (kichert) Darum mag ich das Schlagzeug. Ich war als Kind Schlagzeuger.

Idole?

Bonham! (Amn. d. Red.:Led Zeppelin Drummer) Ich meine, komm schon!

Wieder zurück zur Musik. Du sagst, du machst Musik, um mit den Beziehungen, die du hast, klarzukommen. Was passiert, wenn die verarbeitet sind?

Ich denke, ich mache Musik, die auf meinen Beziehungen und auf Sachen, die ich durchlebt habe, basiert. Aber wenn es etwas Echtes ist, eine echte Emotion, dann endet das nicht einfach. Es verschwindet vielleicht für eine Weile, aber es kommt immer zurück. Das ist das Gewicht, das die meisten Leute in ihrem Leben mit sich rumschleppen. All die Dinge die passiert sind, ob das Beziehungen sind, oder Persönliches, das mit niemandem ausser mit dir etwas zu tun hat. Dieses Gewicht trägst du mit dir durchs Leben und wenn du das Glück hast, kreativ zu sein, kannst du etwas damit tun. Ich schreibe es am liebsten als Lied hin, und dann sagen mir meine Freunde, ich solle es veröffentlichen (lacht). Und jetzt sind wir hier.

Was würde passieren, wenn deine Freunde aufhören, dich zu pushen? Wird es die immer brauchen?

Wie alle anderen Menschen, bin ich unsicher. Und wenn du so etwas tust...

Es ist sehr angreifbar, du legst deine Scheisse für ganz viele Menschen offen. Jeder kann auf eine Art und Weise daran teilhaben. Ich war zu unsicher dafür und wollte nicht, dass Leute das über mich wissen, oder überhaupt etwas über mich wissen.

Ich suche keine Form der Anerkennung oder Wertschätzung. Ich war schon immer vom Fantum fasziniert, wieso Leute sich so in etwas reinziehen lassen. Und das war schon immer meine Herangehensweise an die Musik. Mit dem zu spielen, wie man dabei Leute auch in die Irre führen kann.

Meine Freunde untersützen mich und sagen mir, ich soll meine Musik rausgeben. Sie sagen mir, dass alles gut kommen wird, ich soll Spass haben und mich nicht verlieren. Um das geht es mir – gute Leute um mich herum zu haben.

Allan Rayman spielt sein erstes Konzert in der Schweiz am Sonntag, 29.10.17 im Papiersaal in Zürich. Hier gibt's Tickets dafür, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen.

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