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True Life «Geld ist ein nötiges Übel»

Philippe bezeichnet sich als Antikapitalist: Er teilt sein Geld mit seinen zehn Mitbewohnern, verzichtet mehrheitlich auf Konsumartikel und wünscht sich, mehr Leute würden die Idee einer gemeinsamen Ökonomie leben. Wieso er so denkt, erzählt er, als wir ihn bei «True Life» einen Tag lang begleiten.

Als wir Philippe in seinem Zuhause in Bern besuchen, treffen wir auf etwas anderes, als wir es von 33-Jährigen sonst gewohnt sind: Er lebt mit sieben anderen Erwachsenen sowie drei Kindern in einer grossen WG. Und gleich am Anfang stellt er klar: «Es ist keine Kommune, bei uns gibt es keine Orgien oder Gelage.» Vielmehr leben sie in einer sogenannten gemeinsamen Ökonomie. «Unsere Einkommen werden auf einem Konto verwaltet, es werden alle Ausgaben davon bezahlt und wir bestreiten unsere Leben damit», erklärt Philippe.

Es war die schlimmste Zeit meines Lebens, weil ich gemerkt habe, wie vergiftet die Leute konsumieren wollen und wie krass der Stellenwert von Konsum ist.

In dieser Form lebte der 33-Jährige nicht immer: Nach der Lehre als Detailhandelsfachmann arbeitet er für ein halbes Jahr bei einem der grössten Elektrofachmärkten der Schweiz. «Es war die schlimmste Zeit meines Lebens, weil ich gemerkt habe, wie vergiftet die Leute konsumieren wollen und wie krass der Stellenwert von Konsum ist.»

«True Life»

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Menschen und ihre Geschichten: Das steht im Fokus von «True Life». Egal ob Tänzerin, Autist oder Jägerin – sie alle gewähren dir einen Einblick in ihren Alltag und in ihr Leben.

Als er das erste Mal vom Konzept einer gemeinsamen Ökonomie hört, reagiert er, wie es auch seine Freunde und Familie im ersten Moment tun: «Man ist erstaunt, dass so ein Konzept existiert und es gibt viel Unverständnis dafür.» Dabei sei es doch eigentlich nichts anderes als eine grosse Familie mit Strukturen, wie sie vor 50 Jahren gelebt wurden, findet Philippe heute.

Konsum als Befriedigung des eigenen Glücks

Konsumieren macht glücklich, doch es gibt einem für den Moment etwas. Schlussendlich ist es aber nicht das Glück, das du suchst im Leben.

Obwohl er sich selbst als Antikapitalist beschreibt, kann er nachvollziehen, dass viele ihr Glück im Konsum finden: «Konsumieren macht glücklich, doch es gibt einem für den Moment etwas. Schlussendlich ist es aber nicht das Glück, das du suchst im Leben.» Es sei nicht dasselbe, wie wenn man sich geborgen und als Teil von etwas fühlt.

Jeder hat 400 Franken individuell zur Verfügung.

Und dieses «Teil von etwas sein» ist in einer gemeinsamen Ökonomie enorm wichtig. So kommt die Wohngemeinschaft alle zwei bis drei Wochen für eine Haussitzung zusammen – zum Beispiel, um die Finanzen zu besprechen. «Wir haben uns auf 400 Franken geeinigt, die man individuell zur Verfügung hat.»

Ein neues Heim für noch mehr Gemeinschaft

Ebenfalls gemeinschaftlich nehmen Philippe und seine Mitbewohner ein neues Projekt in Angriff: der Bau eines neuen Hauses für sich und potenzielle weitere Mitglieder ihrer gemeinsamen Ökonomie. «Mir ist wichtig, dass wir einen Schritt weitergehen, wachsen und neue Leute für unsere Idee gewinnen können», erklärt er. Aber trotz kulanter Bank und viel Arbeit, die sie selbst erledigen: So ein Hausbau ist teuer. «Ich hätte nicht gedacht, dass wir es finanziell stemmen können.»

Geld ist ein nötiges Übel!

Dieses Genossenschaftsprojekt sowie auch die Gründung seines eigenen Start-ups funktioniert für Philippe unter anderem, weil er von seiner Gemeinschaft aufgefangen wird. Denn: «Geld ist ein nötiges Übel!»

Aufs Wichtige fokussieren

So versucht der 33-Jährige, sein Leben so zu leben, dass er sich Herzenswünsche – wie eben der Bau des neuen Hauses oder seine eigene Firma – erfüllen kann, die ihm wirklich wichtig sind. «Dafür wende ich weniger Energie für Güter und Konsumartikel auf, die man sich ja auch verdienen muss.»

Es ist anstrengend, wenn man ein Unternehmen führt, ein Haus baut, sich politisch engagiert und die Welt verändern will.

So unbeschwert und unkompliziert das Ganze vielleicht scheinen mag, fürs Nichtstun hat Philippe keine Zeit: «Es ist anstrengend, wenn man ein Unternehmen führt, ein Haus baut, sich politisch engagiert und die Welt verändern will», schmunzelt er.

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