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Gewalt und Schulprobleme «Er hatte einen Laptop und wir ein Problem»

Seit frühster Kindheit ist der Sohn von technischen Geräten fasziniert. Als Jugendlicher prügelte er um sich, wenn seine Eltern ihm den Laptop wegnehmen wollten. Ein Paar* erzählt von der Mediensucht ihres 15-jährigen Sohnes.

SRF: Ihr Sohn hat die Diagnose Mediensucht. Wie lange ist er schon süchtig?

Mutter: Unser Sohn wurde schon als kleiner Junge von Computern wie magisch angezogen. Das war im Vergleich zu seinem jüngeren Bruder extrem.

Vater: Mit elf Jahren kaufte er sich ohne unser Wissen über eine Onlineplattform einen Laptop. Dafür hatte er sein Alter gefälscht. Von da an hatte er einen Computer und wir hatten ein Problem.

Was für ein Problem?

Vater: Er weigerte sich je länger je heftiger, seinen Laptop wegzulegen. Wir dachten lange nicht daran, dass es sich dabei um eine Sucht handeln könnte. Das ist ja genau das Problem bei dieser Sucht. Man denkt: Das ist doch einfach der Zeitgeist, wenn sich die Jungen nicht von den Geräten lösen können.

Mutter: Wir haben Regeln aufgestellt und versucht, diese durchzusetzen. Das wurde unser täglicher Kampf.

Wieso haben sie ihm den Laptop nicht einfach weggenommen?

Vater: Das haben wir versucht, immer wieder. Unsere Versuche sorgten für heftige Szenen.

Mutter: Unser Sohn hat gewütet und um sich geschlagen. Am Anfang, als er jünger war, tat es ihm noch leid und er hat sich entschuldigt. Später wurden die Ausbrüche heftiger, vor allem gegen mich.

Was hat er getan?

Mutter: Er hat mich mehrmals aus dem Haus aus- und einmal im Bad eingesperrt. Zudem schloss er sich im Auto ein, damit mein Mann nicht wegfahren konnte. Einmal musste die Polizei kommen.

Neben dem Schlagen wurde er perfid. Einmal musste die Polizei kommen.

Vater: Unser Sohn spielt vor allem Online-Games, sowohl auf dem Laptop als auch auf dem Handy, als er später eines hatte. Er hat im Spiel seinen Avatar, ist online der Chef. Er produzierte auch selber Youtube-Videos, in denen er über Spielstrategien spricht. Er lebt voll in dieser Welt. Er sagte uns immer wieder, er wolle Profi-Onlinespieler werden. Er ging davon aus, dass er damit einmal Millionen verdienen könnte.

Mutter: Unser Sohn hat angefangen, sich zu vernachlässigen. Sein Zimmer wurde eine Müllhalde, er hat nicht mehr geduscht und am Morgen verschlafen, obwohl er in der Nacht seinen Laptop immer abgeben musste. Er hat aufgehört, ein Instrument zu spielen und auch im Sportverein wollte er nicht mehr mitmachen. Mit allen Freizeitaktivitäten hat er aufgehört.

Wann haben Sie sich Hilfe gesucht?

Vater: Relativ früh. Zuerst bei der Schulsozialarbeiterin, dann bei der Schulpsychologin. Geholfen hat es nicht. Der Zoff daheim wurde immer schlimmer. Seit eineinhalb Jahren ist er nun in Behandlung. Auf Anraten des Psychiaters haben wir die Kesb (Kindes- und Erwachenenschutzbehörde) eingeschaltet. Diese hat unserem Jungen klar gemacht, dass er mit Polizeigewalt in eine Klinik eingeliefert würde, falls er weiterhin die Regeln nicht befolgen sollte. Dies hat uns geholfen, uns durchzusetzen. Unser Sohn musste sich dafür aber für eine weitere Therapie verpflichten. Wir haben länger nach einem passenden Angebot gesucht. Es gibt meiner Meinung nach noch viel zu wenige Angebote für mediensüchtige Jugendliche.

Wie geht es weiter mit ihrem Sohn?

Er ist wegen seiner Sucht vom Gymnasium geflogen und hat die Sekundarschule mit ungenügendem Zeugnis beendet.

Mutter: Er fängt nun die Lehre bei einem Metallbauer an. Er wollte eigentlich Informatiker werden, aber dafür waren seine Noten zu wenig gut. Es wird sich zeigen, ob es in der Lehre besser geht.

Was würden Sie im Nachhinein anders machen?

Vater: Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass er diesen illegal bestellten Computer behielt. Ich wünsche mir im Nachhinein ich wäre konsequenter mit ihm gewesen.

Mutter: Ich hätte ihn generell länger vor aller Art von Technik ferngehalten. Das war ein Konfliktpunkt zwischen mir und meinem Mann, der fand, die Knaben müssten früh einen vernünftigen Umgang mit der Technik finden. Zudem denke ich, ich hätte mich noch mehr darum bemühen sollen, ihm interessante Freizeitangebote zu machen. Ich hätte ihn bei der Pfadi anmelden oder selber mit den Kindern öfters in den Wald gehen sollen. Einfach weg von diesem Computer.

* Das Ehepaar erzählt anonym von seinen Erfahrungen, weil sie ihren süchtigen Sohn schützen wollen. Sie leben im Mittelland und haben zwei Knaben.

Das Gespräch führte Erika Burri

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