Seit diesem abenteuerlichen Flug vor 15 Jahren habe ich die Schulers mehrmals besucht. Fliegen ist heute wie damals ein ziemliches Risiko im Kongo. Doch noch gefährlicher wäre der Landweg gewesen.
Ende der 90er-Jahre schon, war der Osten des Kongos geprägt durch verschiedene bewaffnete Gruppierungen, die dieses wunderschöne Gebiet rund um die Seen beherrschten – kriminelle Banden, Mai-Mai-Milizen, selbsternannte Befreiungsarmeen, die regulären Streitkräfte und andere mehr.
Hilfe für die Gorillas
Alle grossen Hilfsorganisationen hatten ihre ausländischen Mitarbeiter aus dem Osten des Kongo abgezogen, nur wenige blieben. Unter ihnen Christine und Carlos Schuler.
Sie betreuten damals als lokale Mitarbeiter die Projekte der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) im Kahuzi-Biega Nationalpark.
Mit ihrem Einsatz und der Kollaboration mit dem kongolesischen Naturschutzinstitut retteten sie wohl die letzten östlichen Flachlandgorillas vor dem Aussterben.
Doch es ging ihnen dabei immer auch um die Menschen, die «endlich auch einmal ein wenig profitieren sollen vom Reichtum dieses Landes», so Carlos Schuler damals.
Eiserner Durchhaltewillen
Als ich die beiden zum ersten Mal besuchte, war Bukavu wie ausgestorben. An den letzten Krieg erinnerten Einschusslöcher und zerstörte Gebäude. Die Fahrzeuge der GTZ waren gestohlen worden, ein Land ohne Perspektive. Ein paar Wochen vor meinem zweiten Besuch in Bukavu waren mehrere Teilnehmer während einer Aktivität zur Abgrenzung des Parks umgebracht worden.
Die Umstände waren widrig. Doch die Schulers hielten durch. Obwohl die letzten 15 Jahre vom Krieg geprägt waren, gaben sie nicht auf. Carlos war ständig im Park präsent und klagte mit grossem Mut jene an, die in diesen Wäldern am Äquator ihre eigenen Interessen vertraten: die Landdiebe und die Rohstoff-Mafia. Jene also, die letztendlich für diesen Krieg ohne Ende verantwortlich sind.
Botschafter für die Schwachen
Christine engagierte sich für die unschuldigen Opfer des Krieges: Für die Frauen, die zu Tausenden vergewaltigt wurden, in diesem Land, wo die Gewalt gegen Frauen ein systematischer Teil der Kriegsführung ist.
Sie erzogen in dieser schwierigen Situation ihre beiden Kinder, die wegen der Schliessung der Schule mit Fernkursen die Schuljahre verbrachten.
So sind Carlos und Christine zu Stellvertretern für jene geworden, die sich selber nicht zur Wehr setzen können, die keine Macht und keine Stimme haben: die Kinder, die Frauen, die einfachen Leute.
Und für mich sind sie zu ganz persönlichen Helden geworden. Weil sie vielen Hoffnung geben in dieser ziemlich hoffnungslosen Situation.
Die Ironie der Geschichte will es, dass Carlos aus Bürglen dem angeblichen Heimatort des angeblichen Schweizer Nationalhelden Wilhelm Tell stammt. Mit einem grossen Unterschied: Carlos gibt es auch in der Wirklichkeit.
Das Buch von Carlos Schuler
In seinem Buch gibt Carlos Schuler Einblick in die schwierige Welt der Entwicklungszusammenarbeit und in den heiklen Bereich des Naturschutzes, der weit mehr umfasst als die Rettung einzigartiger und so bedrohter Gorillas im Kongo. www.bft-verlag.ch