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Der Alltag zwischen unheilbar krank und gesund
Aus DOK vom 14.05.2018.
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Was ist, wenn Jara stirbt? Vom Leben mit einem unheilbar kranken Kind

Jara Janouschek (4) ist unheilbar krank. Ihre eineiige Zwillingsschwester Jael ist kerngesund. Die Eltern und der Bruder leben mit der Gewissheit, dass Jara jederzeit sterben könnte. Eine schwere Belastung für die fünfköpfige Familie.

Was ist, wenn Jara stirbt? Diese Frage begleitet Familie Janouschek seit der Geburt des Zwillingsmädchens jeden Tag. Jara Janouschek erleidet vor der Geburt einen Sauerstoffmangel, kommt unheilbar krank zur Welt. Die Ärzte geben ihr ein paar Tage, maximal Wochen zu leben. Ihre eineiige Zwillingsschwester dagegen ist gesund.

«Ich wäre am liebsten aus dem Fenster gesprungen», beschreibt Mutter Nicole Janouschek den Moment, als sie erfährt, wie es um Jara steht. Sie habe immer noch Hoffnung gehabt, dass es vielleicht doch nicht so schlimm wäre.

Ich wäre am liebsten aus dem Fenster gesprungen.
Autor: Nicole Janouschek Mutter

Wegen des Sauerstoffmangels vor der Geburt wurde Jaras Grosshirn fast vollständig zerstört. Jara ist schwer behindert, kann sich nicht bewegen, kann nicht sprechen, nicht selbst essen. Sie leidet an Spastikanfällen, Dystonien und hat häufig starke Nervenschmerzen.

Jara Janouschek: Es gibt keine Prognosen, wie lange das kleine Mädchen leben wird.
Legende: Jara Janouschek: Es gibt keine Prognosen, wie lange das kleine Mädchen leben wird. SRF

Jara wird seit der Geburt palliativ betreut und gepflegt. Ihre Eltern wollen ihr das Leben, das ihr bleibt, so gut wie möglich gestalten. Auch wenn keine Hoffnung auf Heilung besteht, soll Jara möglichst ohne Schmerzen leben dürfen.

Dafür werden immer wieder Operationen notwendig - ein grosses Risiko für das Mädchen und eine riesige emotionale Belastung für die Eltern.

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Die Anspannung vor der Operation
Aus DOK vom 14.05.2018.
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Heute gibt es keine Prognosen mehr, wie lange Jara leben wird. Um Jara und ihre Krankheit dreht sich das Familienleben. Mit dem kranken Mädchen und den zwei gesunden Geschwistern ist es für die Eltern ein Balanceakt zwischen unheilbar und mitten im Leben.

Zu schaffen ist dies nur mit der Hilfe von Familie und Freunden und der täglichen Unterstützung der Kinder-Spitex. Dennoch ist die Familie zusätzlich auf Spenden privater Organisationen angewiesen, um das Leben mit Jara zu meistern.

Für die Ehe und die Paarbeziehung der Eltern bleibt oft keine Zeit.

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Kein perfektes Paar aber ein perfektes Team
Aus DOK vom 14.05.2018.
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Für die Eltern gilt, Jara muss nicht um jeden Preis leben. Jara darf sterben, wenn sie sterben möchte. Die Eltern haben akzeptiert, dass ihr Zwillingsmädchen nie gesund sein wird. Das war ein langer und schmerzhafter Prozess. Nicole und Jan Janouschek haben sich entschieden, dass ihr Kind bei schweren Komplikationen während Operationen nicht reanimiert würde.

Jara wird am «Kispi Zürich» zum Musterfall

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Jede urteilsfähige Person hat das Recht, sich für oder gegen Reanimationsversuche auszusprechen – den sogenannten «REA»-Status zu bestimmen.

Dieses Selbstbestimmungsrecht schliesst ein, dass eine Person vor einer Operation Reanimationsbemühungen im Falle eines Herzkreislaufstillstands ablehnen kann («REA-Nein»-Status).

Die Pflicht zur Respektierung des Selbstbestimmungsrechts erfordert von Ärzten und Pflegepersonen schliesslich, Reanimationsversuche zu unterlassen, auch wenn diese medizinisch indiziert wären.

Der Entscheid, Reanimationsversuche in gegebener Situation zu unterlassen, hat jedoch keinen Einfluss auf die medizinische Behandlung und Betreuung der Patienten ausserhalb eines akuten Herzkreislaufstillstands.

Das Ziel ist es auch bei einem «REA-Nein»-Status, den Patienten möglichst gut durch die Operation zu begleiten.

«REA-Nein»-Status in Frage gestellt

Bei der 4-jährigen Jara Janouschek haben sich die Eltern dafür entschieden, im Falle eines Herzkreislaufstillstandes während einer Operation, auf lebenserhaltende Reanimationsmassnahmen zu verzichten.

Bei schwerwiegenden Komplikationen dürfte das Mädchen sterben.

Hintergrund dieser Entscheidung der Eltern ist, dass eine Operation die Lebensqualität von Jara verbessern soll.

Im Falle einer Reanimation während der Operation wäre das Risiko aber gegeben, dass es dem unheilbar kranken Mädchen danach gesundheitlich schlechter geht als vorher. Das Ziel der Operation wäre damit verfehlt.

Die Eltern wurden für diese schwierige Entscheidung kritisiert, auch von andersdenkenden Ärzten.

Fall Jara als Musterfall

«REA»-Entscheide sind für Ärzte und Pflegefachpersonen bindend. Sie können jedoch mit der ärztlichen Fürsorgepflicht in Konflikt geraten, denn diese verpflichtet Ärzte und Pflegende das Leben des Patienten nach Möglichkeit zu erhalten.

Dennoch müssen medizinische Fachpersonen «REA»-Entscheide respektieren, sonst machen sie sich strafbar.

Im Falle von Jara wurde die «REA-Nein»-Entscheidung der Eltern bei einer Operation im Jahr 2014 durch Ärzte noch während der Narkose in Frage gestellt, was für die Eltern eine grosse emotionale Belastung darstellte.

Auch aufgrund dieses Falles erarbeitete das Kinderspital Zürich in den letzten Jahren verbindliche Richtlinien für das medizinische Personal im Umgang mit «REA-Nein»-Entscheiden.

Dieses Grundsatzpapier zur «Unterstützung der Behandlungs- und Betreuungsteams bei Reanimationsentscheiden» ist nun seit wenigen Wochen Teil der Ethik-Charta des Kinderspitals Zürich.

So müssen Reanimationsentscheide zwingend im Rahmen von Gesprächen innerhalb des zuständigen Behandlungsteams und mit den Eltern besprochen werden.

Gibt es Uneinigkeiten im Behandlungsteam werden ethische Grundsatzgespräche einberufen. Als letzte Möglichkeit besteht der Miteinbezug der Kinderschutzgruppe.

Bei einem Herzstillstand würde sie also nicht wiederbelebt. Für diese schwierige Entscheidung mussten sich die Eltern immer wieder erklären, auch gegenüber andersdenkender Ärzte, die den sogenannten «REA-Nein»- Entscheid nicht gutheissen wollten.

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Keine lebenserhaltenden Massnahmen
Aus DOK vom 14.05.2018.
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Solange Jara lebt, wollen die Eltern und Geschwister die Zeit mit ihr geniessen, sie möglichst in den Alltag der Familie integrieren. Die Familie versucht, auch den gesunden zwei Kindern gerecht zu werden, indem sie Jara in Freizeit-Aktivitäten ganz selbstverständlich integriert.

Dennoch muss sich Mutter Nicole nicht selten sagen lassen, sie vernachlässige ob der intensiven Betreuung von Jara die anderen Kinder.

Dieser Vorwurf schmerzt, doch Tatsache ist, Mutter Nicole verbringt mit Jara unzählige Tage und Nächte pro Jahr bei Ärzten und in Spitälern. Nicht selten ist dann auch Zwillingsschwester Jael dabei, die ihre kranke Schwester und die Mutter oft sehr vermisst.

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Von der Schwierigkeit, allen gerecht zu werden
Aus DOK vom 14.05.2018.
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Jara wird ganz im Sinne der palliativen Medizin betreut. Ihre Lebensqualität ist wichtiger als ihr Leben um jeden Preis. Ziel ist es nicht, das Leben von Jara mit allen möglichen Mitteln zu verlängern, sondern es so zu gestalten, dass es für die ganze Familie lebenswürdig ist.

«Wir machen, was wir am besten finden», sagt Mutter Nicole. Und dies sei, dem Leben so viel Qualität wie möglich zu geben.

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Den eigenen Weg gehen
Aus DOK vom 14.05.2018.
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Der «Reporter» zum Thema

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Familie Janouschek - Zwischen Ohnmacht und Lebensmut
Aus Reporter vom 13.05.2018.
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